„Heilige Orte unseres Alltags in Ruhestellung“, das schreibt der Kulturwissenschaftler Alexander Gutzmer über die ungewöhnlich fotografierten Stadien der Europameisterschaft, wie sie eigentlich nicht sein sollten: zu leer und zu grell.
Tatsächlich gibt es diese Stadien so nicht: so leer, so ausgeleuchtet und unwirklich. Mit gestauchten Tribünen, die eigentlich an der Seitenlinie liegen. Und Slogans auf Sitzschalen, die niemand lesen kann, weil sie von Zuschauern verdeckt werden. „Mia san Mia“ prangt etwa auf der Haupttribüne der Allianzarena, wo der FC Bayern München spielt. Im Oberrang im Hamburger Volksparkstadion ist mehrfach die markante Vereinsraute eingelassen und im Düsseldorfer Stadion gibt es so viele legobunte Sitze, dass die Arena selbst ohne einen einzigen Gast vollbesetzt wirkt.
EM-Stadien: Unbesucht in zu gleißendem Licht
Keiner der drei Millionen Fußballfans, die es zur Europameisterschaft in eine der zehn Spielstätten zieht, wird sie je so sehen. Nicht nur, weil sie unbesucht und gleichsam nackt sind (bei einigen fehlt sogar der Rasen), sondern auch weil sie durch Langzeitbelichtung in ein etwas zu gleißendes Licht getaucht werden. Obwohl auf diese Weise ihrer Funktion beraubt, entfalten die Funktionsbauten dennoch eine Magie.
Fotografiert wurden die zehn EM-Stadien von Michael von Hassel, sowie alle weiteren Arenen der insgesamt 36 Fußball-Erst- und Zweitligisten. „Wir sehen heilige Orte unseres Alltags in Ruhestellung“, schreibt der Kulturwissenschaftler Alexander Gutzmer dazu in dem 200-seitigem Bildband „Bundesliga-Kathedralen“ (Callwey-Verlag).
Bundesliga Kathedralen von Alexander Gutzmer ( Text) und Michael von Hassel ( Fotografie) Erschienen im Callwey Verlag59.95€inkl. gesetzl. MwSt.
Stadien voll und Dach drüber
In dem Buch kommen auch einige professionelle Stadiongänger zu Wort. Etwa Weltmeister und TV-Experte Lothar Matthäus. Er beschreibt sein ultimatives Stadion-Feeling, so: „Wichtig natürlich: Das Stadion muss voll sein. Schön ist es, wenn die Sitzplätze nicht zu weit vom Spielfeld entfernt sind. Es ist gut, wenn die Tribünen überdacht sind. Mir gefällt es auch, wenn man wie auf Schalke das Dach zumachen kann, wenn es eiskalt ist. Kurzum: Die Atmosphäre muss einfach stimmen.“