Ab Montag will Deutschland Kontrollen an allen Grenzen einführen. Auch zu Polen. Eine schwere Belastung für die Beziehungen, sagt Vizeaußenminister Władysław Teofil Bartoszewski.
Wir werden sich die geplanten Grenzkontrollen auf Polen auswirken?
Negativ. Und wir waren etwas überrascht, denn man hatte uns vorab in keinster Weise informiert. Wir erfuhren davon, als die deutsche Innenministerin die Entscheidung öffentlich machte. Das ist eine etwas unübliche Art, mit seinen Nachbarn umzugehen.
Wie wird es den Alltag der Menschen praktisch beeinflussen, die zwischen Polen und Deutschland reisen?
Auch negativ. Unsere Transportindustrie gehört zu den größten Europas, sehr viele Lastwagen passieren die Grenze jeden Tag. Das bedeutet eine große Störung. Deutschland hat sich de facto entschieden, die Schengen-Regeln auszusetzen. Darüber können wir nicht glücklich sein.
Manche sprechen schon von einem Ende von Schengen.
Nein, aber das ist das Ende des Geistes von Schengen und der europäischen Kooperation. Wir erwarten dringende Konsultationen auf EU-Ebene. Man kann seine Nachbarn nicht mit derartigen Entscheidungen überraschen. Ich weiß, dass es auch von Österreich eine scharfe Reaktion gibt. So geht man nicht mit Partnern um.
Wie reagieren die Menschen in Polen?
Die Menschen sehen das negativ, weil sie verstehen, dass die Kontrollen riesige Schlangen an den Grenzen bedeuten werden. Zehntausende Polen und Deutsche überqueren die Grenze, weil wir auch auf der regionalen Ebene enge Kooperationen haben. In den Bundesländern, die an Polen grenzen, gibt es viele Menschen, die in Polen leben und in Deutschland arbeiten, oder viele Deutsche, die in Polen einkaufen. Da sind sehr starke Verbindungen entstanden, und diese Maßnahmen machen das Leben der Menschen komplizierter.
In Deutschland wird viel darüber gestritten, wie etwa Zurückweisungen praktisch funktionieren sollen. Wird Polen an der Grenze Menschen aufnehmen, die von der deutschen Bundespolizei zurückgeschickt werden?
Wir kontrollieren die östliche Grenze der EU, also die Grenze mit Belarus. Wir stoppen die illegalen Migranten, die von dort kommen. Wir werden das auch weiterhin tun. Es gab Fälle, in denen Deutschland illegal Migranten nach Polen zurückgebracht hat, dagegen haben wir protestiert. Anders als Deutschland leiden wir aber nicht unter einem so großen Zustrom illegaler Migranten, denn anders als Deutschland haben wir nicht wie Angela Merkel 2015 gesagt: „Herzlich willkommen, alle Migranten können kommen.“ Die Probleme für Deutschland und Europa haben an diesem Punkt begonnen. Viele Deutsche sind damit unzufrieden, das hat sich in den jüngsten Landtagswahlen ausgedrückt.
An Ihrer östlichen Grenze war die Situation zeitweise sehr angespannt, weil Belarus de facto Flüchtlinge über die Grenze geschickt hat. Wie ernst ist die Lage derzeit?
Wir haben die illegalen Übertrittsversuche um 90 Prozent reduziert. Wir sprechen nur noch von dutzenden Versuchen täglich, nicht mehr von tausenden wie noch vor einigen Monaten. Manche sind erfolgreich, aber die meisten illegalen Migranten werden von uns gestoppt. Weil unsere Grenze sehr sicher ist, kommen derzeit mehr und mehr aus dem Norden, also über Litauen und Lettland.
Die deutsche Innenministerin Nancy Faeser behauptet, die Grenzkontrollen würden Deutschland „vor den akuten Gefahren durch islamistischen Terrorismus und schwerer Kriminalität schützen“. Teilen Sie diese Meinung?
Wenn Sie, wie im Fall von Solingen, einem Islamisten oder Terroristen erlaubt haben, mehrere Jahre in Deutschland zu leben, wenn das Innenministerium trotz eines Urteils nicht fähig war, die Person zu finden und in sein Heimatland auszuweisen, dann ist das kein externes Problem, sondern ein internes Problem von Deutschland. In Deutschland gibt es sehr viele Menschen, die Verbindungen zu terroristischen Gruppen haben könnten. Aber viele von ihnen leben schon sehr lange in Deutschland. Deutschland ist nicht das einzige Land, das diese Probleme mit sehr großen Minderheiten hat. Es gibt diese Probleme auch in Frankreich, Belgien und anderen Ländern.
Wie geht es weiter nach dem gescheiterten Migrationsgipfel? 16.15
In den vergangenen Jahren waren die deutsch-polnischen Beziehungen auf einem Tiefpunkt, seit diesem Jahr spricht man jedoch von einem Neuanfang. Wie sehr belastet die jetzige Entscheidung der Bundesregierung die Beziehungen?
Die Beziehungen sind deutlich besser als in den letzten acht oder neun Jahren. Wir kooperieren mit Deutschland, wir haben das „Weimarer Dreieck“ mit Deutschland und Frankreich reaktiviert, wir haben viele gemeinsame Interessen. Unsere Beziehungen werden gerade negativ beeinflusst von den internen Problemen zwischen den Koalitionspartnern der deutschen Regierung.
Eine Belastung für die deutsch-polnischen Beziehungen ist auch die Sprengung der Nordstream-Pipelines. Von deutscher Seite gibt es Vorwürfe, Polen sei darin verwickelt gewesen. Zudem wird beklagt, dass Polen den europäischen Haftbefehl gegen den ukrainischen Hauptverdächtigen Wolodymyr S. nicht vollstreckt hat.
Es gibt keinerlei Beweise dafür, dass wir in irgendeiner Weise diese Gruppe unterstützt haben. Wir hatten kein Wissen über derartige Aktivitäten. Der Mann, der als Verdächtiger gilt, befindet sich nicht auf polnischem Territorium. Deshalb kann ich das nicht kommentieren. Aus polnischer Sicht hat Premierminister Donald Tusk es aber vor kurzem auf den Punkt gebracht, als er über die Pipelines sagte: Anstatt sich darüber zu beschweren, dass sie zerstört wurden, sollten sich die Deutschen über die Gründe Gedanken machen, warum sie überhaupt gebaut worden sind.