Unwetter: Achtung Hochwasser! – Warum die aktuelle Wetterlage so dramatisch ist

Meteorologen sagen für die kommenden Tage ein schweres Unwetter vorher. Extremwetterexperte Frank Böttcher erklärt, was an der aktuellen „Vb-Wetterlage“ so gefährlich ist. 

Herr Böttcher, der Begriff Vb-Wetterlage hört sich sehr technisch an. Was genau beschreibt er?
Eine Vb-Wetterlage beschreibt eine bestimmte Zugbahn von Tiefdruckgebieten. Dabei ziehen Tiefdruckgebiete zunächst am südlichen Alpenrand entlang und saugen sich dabei mit der Feuchtigkeit des Mittelmeeres voll. Anschließend ziehen sie um den Ostrand der Alpen herum in Richtung Norden. Die Wolken werden dann von Norden an die Alpen und an das Erzgebirge gedrückt; dabei wird die aufgenommene Feuchtigkeit wieder aus den Wolken ausgequetscht, wie aus einem Schwamm. 

Mit welchen Folgen?
Es kommt zu massiven Niederschlägen. In der Folge drohen Hochwasserkatastrophen an der Donau, der Elbe und anderen Flüsse im Niederschlagsgebiet, aber auch Erdrutsche sind an steilen Stellen möglich.PAID: Traumapsychologe über Hochwasser 18.14

Was ist daran so gefährlich?
Das Hauptproblem ist die gigantische Wassermenge, die in so kurzer Zeit fällt. Innerhalb von zwei Tagen sind das mancherorts 250 bis 300 Liter pro Quadratmeter, mehr als die dreifache Menge dessen, was sonst im Monat aus den Wolken herauskommt.

Welche Regionen sind diesmal besonders gefährdet?
Es gibt bei diesen Wetterlagen immer gewisse Unsicherheiten, aber nach derzeitigem Stand wird das Niederschlagsgebiet vor allem Niederösterreich, Ungarn, die Tschechische Republik, Slowakei und Südpolen treffen. Aber auch Teile von Ostbayern, etwa rund um Garmisch und das Berchtesgadener Land, können Niederschlagsmengen von bis zu 200 Liter Regen pro Quadratmeter abbekommen. In Wien droht ein starkes Donauhochwasser mit extremen Wasserständen.

Diese Wetterlage an sich ist ja kein neues Phänomen. Tritt sie mit dem Klimawandel häufiger auf?
Die Vb-Wetterlage ist insgesamt nicht sehr häufig. Wie bei anderen Extremereignissen auch lassen sich Veränderungen daher statistisch nicht so gut festmachen, wie bei Ereignissen, die sehr viel häufiger auftreten. Der Zufall ist einfach zu groß. Aber unabhängig davon steht fest: Die Menge der Niederschläge bei einem solchen Ereignis nimmt zu. Das hat rein physikalische Gründe. Pro Grad Erwärmung können Luftmassen sieben Prozent mehr Feuchtigkeit aufnehmen. Dazu kommen die aktuell sehr hohen Wassertemperaturen im Mittelmeer; sie liegen zwei bis sechs Grad über den normalen Werten. Das erhöht dort die Verdunstungsrate.12: Behörden in Polen erwarten Extremregen und Hochwasser – e8753c58cf43c08c

Schon unter normalen Umständen kann eine solche Wetterlage extreme Niederschläge verursachen. Unter den aktuellen Bedingungen kommen noch mal 20 oder 30 Prozent mehr Niederschläge obendrauf. Das Schadenspotenzial erhöht sich dadurch aber nicht linear nur um 20 oder 30 Prozent, sondern es verfünffacht oder verzehnfacht sich. Diese enorme Zunahme haben viele nicht sofort vor Augen.

Im Gegensatz zur Elbeflut von 2002 sieht es dieses Mal so aus, als ob Deutschland glimpflich davonkäme. Sind wir denn insgesamt auf solche Hochwasserereignisse gut vorbereitet? 
Was wir nach wie vor in Deutschland haben, ist ein ganz großes strukturelles Problem in der Versicherungslandschaft. Im Ahrtal gibt es beispielsweise Versicherungen, die, nachdem die Häuser dort weggespült worden sind, den Ersatz dieser Häuser nur an Ort und Stelle bezahlen. Davon müssen wir natürlich wegkommen. Denn wenn wir an Ort und Stelle, also in das Risikogebiet, erneut hineinbauen, dann ist ja absehbar, dass genau das Gleiche wieder passieren wird. Dazu muss auch der Gesetzgeber klare Regelungen schaffen: Menschen müssen nach solchen Extremereignissen die Möglichkeiten haben, mit den Mitteln der Versicherung in Gebiete zu ziehen, die sicherer sind – und diese sollten auch bevorzugt werden. Es bringt übrigens auch große volkswirtschaftliche Vorteile, wenn die Versicherungen davon ausgehen können, dass das Schadenspotenzial an den neuen Standorten erheblich geringer ist. 

Und wie sieht es beim Hochwasserschutz aus?
In den Kommunen und Gemeinden wird jetzt schon eine ganze Menge gemacht. Es werden Rückhaltebecken gebaut und den Flüssen mehr Raum gegeben. In schmalen Tälern sind die Möglichkeiten jedoch begrenzt. Man kann dort nicht überall Staustufen einbauen, die das Wasser Stück für Stück abpuffern und langsam ablaufen lassen. Das würde die Landschaft völlig verschandeln und wäre mit dem Naturschutz häufig nicht in Einklang zu bringen. Wir haben also eine Menge Zielkonflikte und über die müssen wir in vielen Regionen diskutieren.