In Duisburg tagt der „Nationale Stahlgipfel“. Mit dabei: Stefan Rauber, Chef der Dillinger Hütte und von Saarstahl. Er bangt um tausende Jobs trotz Milliarden-Subvention.
Im Saarland soll eins der modernsten und saubersten Stahlwerke der Welt entstehen. Ab 2027 wollen sie dort grünen Stahl herstellen, 3,5 Millionen Tonnen nach der vollständigen Umstellung und so fast 5 Millionen Tonnen weniger CO2 in die Luft pusten. 2,6 Mrd Euro hat die SHS Holding, der viertgrößte Stahlkonzern in Deutschland, Anfang des Jahres vom Staat für die Transformation zugesagt bekommen. Rund eine Milliarde wollen sie selbst investieren. Vorausgegangen war ein zähes Ringen und banges Warten – nachdem das Bundesverfassungsgericht die Finanzierung aus dem Klima- und Transformationsfonds gekippt hatte.
Herr Rauber, Sie haben im Januar eine Förderzusage von 2,6 Mrd. Euro für den Umbau der saarländischen Stahlindustrie bekommen. Wie sind Sie vorangekommen?
Die Arbeiten laufen, auf unserem Werksgelände in Dillingen und Völklingen wird gebaggert und planiert. Die neuen Anlagen werden die Hochöfen noch überragen und dafür brauchen wir ein robustes Fundament. Im Grunde bauen wir fast ein neues Stahlwerk, was mit Wasserstoff statt Kohle und Koks läuft. Elektroöfen und eine Direktreduktionsanlage werden die Hochöfen ersetzen. Im Oktober geben wir bekannt, wer den Zuschlag für den Bau dieser Großanlagen bekommt. Dann haben wir schon rund zwei Drittel unserer Fördergelder ausgegeben. Bis wir anfangen grünen Stahl zu produzieren, wird es aber noch ein paar Jahre dauern.
Sie hadern trotzdem mit der Bundesregierung. Woher rührt der Frust?
Die Bundesregierung macht ihren Job nicht, sie lassen unsere Industrie hier hängen. Es genügt nicht, Milliarden Staatssubventionen für unsere Stahlwerke, Saarstahl und Dillinger Hütte, auszugeben. Wir brauchen Rahmenbedingungen, die uns international wettbewerbsfähig machen. Denn zunächst wird diese klimafreundliche Produktion hier teurer als bisher, wir verlieren Wettbewerbsfähigkeit und riskieren Tausende von Arbeitsplätzen. Deshalb braucht die energieintensive Industrie insgesamt einen niedrigen und international wettbewerbsfähigen Industriestrompreis. Damit haben wir geplant und den hat uns Olaf Scholz versprochen. Doch nun unternimmt der Kanzler nichts. Das Thema ist zur Zeit politisch tot. Es muss dringend wieder auf die Agenda.Bio Rauber
Warum ist das so wichtig?
Wenn wir die beiden Elektroöfen in unseren Werken anschalten werden, dann verdoppelt sich der Stromverbrauch auf einen Schlag. Nicht des Unternehmens, sondern des gesamten Saarlands. Grüner Stahl braucht viel Energie – und deren Kosten müssen auf einem international wettbewerbsfähigen Niveau liegen. Außerdem benötigen wir in der ersten Phase tausende Tonnen regionalen grünen Wasserstoffs, so schreiben es die Förderrichtlinien vor. Nach und nach soll der Anteil dann hochgefahren werden bis auf 120.000 Tonnen in der Endphase. Doch dafür benötigen wir eine entsprechende Infrastruktur. Hier haben wir Standortnachteile. Beim grünen Wasserstoff soll das Saarland erst spät ans europäische Kernnetz European Hydrogen Backbone angeschlossen werden.
Woher bekommen Sie in der Zwischenzeit den regionalen Wasserstoff?
Den werden wir über Frankreich bekommen, allerdings fehlt auch da noch das Verbindungsstück zur Pipeline. Und nun bildet sich gerade eine Bürgerinitiative gegen den Verlauf der Trasse. Wir könnten die neuen Öfen auch mit Gas betreiben, aber Wasserstoff ist eben politisch gewollt. Es fehlt aber einfach insgesamt an Verlässlichkeit in der Wirtschaftspolitik, dem Gefühl, dass es nach vorne geht.
Sehen Sie die Förderzusage denn nicht als Chance?
Aus Politiker-Sicht ist der Umbau eine super Story: ,Wir werden alle grün und innovativ‘. Nur in der Realität bedeutet die Förderzusage für die Stahlhütten hier erstmal einen harten Sparkurs: Wir sparen hier wie noch nie in der über 300-jährigen Geschichte der saarländischen Stahlindustrie. Die laufenden Kosten müssen runter, wir werden Stellen einsparen, Prozesse optimieren, alles tun, damit wir trotz des teureren grünen Stahls wettbewerbsfähig bleiben.
Sie haben in Frankreich mit Saarstahl Rail und Saarstahl Ascoval zwei Tochtergesellschaften, die dekarbonisierte Schienen aus Grünstahl herstellen. Sie hatten bis vor kurzem gehofft, dass die Deutsche Bahn ihre grünen Schienen kauft. Warum ist daraus nichts geworden?
Der DB sind die grünen Schienen zu teuer. Sie muss ihre Schienen dort einkaufen, wo es am günstigsten ist, so will es das öffentliche Auswahlverfahren. Umweltaspekte spielen hier keine Rolle. Das ist für mich eine Slapstick-Nummer. Ich habe gefühlt mit jedem relevanten Politiker in Berlin gesprochen. Geholfen hat keiner. Mir ist das unbegreiflich. Wir sind ein deutsches Unternehmen, das in Deutschland mehrere Millionen Tonnen Stahl produziert und das jetzt eine politisch gewollte Dekarbonisierung umsetzt, das händeringend darauf wartet, dass es mal zwei, drei Leitmärkte gibt. Und der einzige Leitmarkt, den die Politik tatsächlich komplett gestalten könnte, ist der, der dem Bund zu 100 Prozent gehört, der Bahn- oder der Schienen-Markt. Und das ist der, an dem sich nichts tut. Für mich ist das so: Der Ball liegt auf dem Elfmeterpunkt und der Torwart ist nicht da. Aber dummerweise schießt keiner.