Unions-Kanzlerkandidat: Diese Hürden muss Merz auf dem Weg ins Kanzleramt überwinden

Friedrich Merz macht’s, dann ist ja alles geritzt – oder? Als Kanzlerkandidat muss er trotz Vorsprung in den Umfragen noch einige Probleme lösen, wenn er als Sieger durchs Ziel gehen will. 

Ungeklärte Konflikte

Zwar mag die Kanzlerkandidatur der Union zugunsten des CDU-Chefs geklärt sein, nur die Parteivorstände von CDU und CSU müssen am Montag noch formal zustimmen. Es gibt triftige Gründe für seine Nominierung: Friedrich Merz hat dem sogenannten Kanzlerwahlverein nach 16 Jahren Regierung wieder Opposition beigebracht, das Profil der CDU mit einem neuen Grundsatzprogramm geschärft und damit zur schlagkräftigen Konkurrenz der Ampel gemacht. Allerdings sind viele Konflikte innerhalb der Union ungelöst und könnten Merz auf den Weg ins Kanzleramt noch ausbremsen. 

Gilt die Brandmauer auch für die Wagenknecht-Partei? Erste Christdemokraten bringen bereits einen Unvereinbarkeitsbeschluss zum BSW ins Spiel, wie er schon für Linkspartei und AfD gilt. Merz selbst hat den CDU-Landesverbänden freie Hand gelassen, für den Bund aber eine Zusammenarbeit faktisch ausgeschlossen: „Das ist völlig klar, das haben wir auch immer gesagt – wir arbeiten mit solchen rechtsextremen und linksextremen Parteien nicht zusammen.“ Das würde Merz‘ Optionen für künftige Koalitionen allerdings weiter einschränken, zumal CSU-Chef Markus Söder angekündigt hat, seine Partei werde eine schwarz-grüne Koalition nicht mitmachen. 

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Und sind „Migration, Migration, Migration“ tatsächlich die drei größten Probleme des Landes, wie CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann sagte? Ausweislich der Umfragen ein drängendes Thema, keine Frage. Aber auch die Wirtschaftslage, soziale Ungerechtigkeit, der Ukraine-Krieg und Klimaschutz.

Nicht zuletzt kostet all das Geld, verlangt nach finanziellen Spielräumen – und möglicherweise einer scharfen Kurskorrektur von Merz, der bislang eisern an der Schuldenbremse festgehalten hat. Der Oppositionsführer wollte damit die Ampel unter Druck setzen. Die CDU-Länderchefs werben hingegen – wenn auch mit unterschiedlicher Vehemenz – schon lange für eine Reform. Also: Festhalten an der „Schwarzen Null“ – oder die fiskalischen Fesseln lockern? Auch darauf wird Merz eine Antwort geben müssen. 

Der CDU-Chef ist sich der Fragen wohl bewusst. Bei der Verkündung seiner Kandidatur sagte Merz: „Wir wissen das wir eine ganze Reihe von Aufgaben noch zu bestehen haben.“

Merz‘ Impulskontrolle

Bis zum 28. September, dem Tag der nächsten Bundestagswahl, bleiben noch knapp zwölf Monate. Klammer auf: Wenn sich die Ampel nicht vorher zerlegt. Klammer zu. Unter regulären Umständen also jede Menge Zeit, um sich als Unions-Kanzlerkandidat zu profilieren. Oder noch Schaden zu nehmen.

Mal davon abgesehen, dass die strauchelnden Ampel-Partner dankbar und genüsslich auf jeden Fehltritt von Merz einsteigen werden, dürfte auch die Union ihren impulsiven Kanzlerkandidaten genau im Blick behalten. Schon mehrmals sorgte Merz für Kopfschütteln, rhetorisch ( „kleine Paschas“, die Zahnarzt-Aussage), aber auch politisch.

Merz ist impulsiv, kann harsch reagieren, wenn er sich angegriffen fühlt. So wies er NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst per Fernsehinterview zurecht, als der in Sachen Kanzlerkandidatur noch vorsichtig den Finger hob. Zuletzt ließ Merz die Migrationsgespräche mit der Ampel platzen, trotz weitreichender Zugeständnisse der Regierung. 

Der Eindruck, den Umfragen sogar untermauern: alles nur ein parteitaktisches Manöver. Damit hat Merz der Regierung einerseits Angriffsfläche geboten, andererseits aber auch die Gelegenheit in den Wind geschlagen, Schärfe aus der Debatte zu nehmen – die er zuvor massiv angeheizt hatte. Zudem hat Merz nun schon zum zweiten Mal Gespräche mit der Regierung angeboten, um alsbald doch wieder vom Tisch aufzustehen. Noch geht es zu oft hin und her. Das dritte Gesprächsangebot liegt schon wieder vor.

Söder in Schach halten

Es hat seinen Grund, warum folgender Satz immer wieder gefallen ist: „2021 darf sich nicht wiederholen.“ Der Grund heißt Markus Söder. Der CSU-Chef hatte selbst dann noch gegen Armin Laschet geschossen, als der bereits Kanzlerkandidat der Union war. Er hielt ihn schlichtweg für den falschen Frontrunner. Und jetzt? 

Soll alles anders sein – sagt Söder. Das würde die gemeinsame Pressekonferenz mit Merz beweisen, zumal er die Kandidatenfrage „ohne Zähneknirschen“ akzeptiere. Bei laschet lautete die Formulierung: „ohne Groll“. Ob sein Großmut diesmal echt ist, bleibt abzuwarten. Denn Söder hat in den vergangenen Wochen immer wieder und öffentlich geltend gemacht, dass auch er die Kandidatur übernehmen könnte, nur jemand nach ihm rufen müsse. Problem: Es hat niemand gerufen. Das bedeutet jedoch nicht, dass der stolze und selbstbewusste Landesvater seinen Machtanspruch aufgibt. 

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Merz sei Chef in Berlin, er bleibe es in Bayern, „logischerweise“, sagt Söder. Und in einer Koalition sei das eigentliche Machtzentrum ja der Koalitionsausschuss. Jenes Gremium also, in dem auch der CSU-Chef sitzen würde, sollte die Union wieder in Regierungsverantwortung kommen. Die Botschaft ist klar: Merz ist zwar der Kandidat, aber ich bin auch noch da. 

Der Staatsmann

Im traditionellen Schlagabtausch mit dem Bundeskanzler, der Generaldebatte, schlug Merz ihn schon an: den staatstragenden Ton. Zu Beginn seiner Rede verwies er vergangene Woche auf die Terroranschläge vom 11. September 2001, zog einen großen Bogen zu den Kriegen und Konflikten der heutigen Zeit – inszenierte sich als jemand, der die großen Zusammenhänge sieht und durchdenkt. Doch dann verfiel der Oppositionsführer wieder in alte Muster (siehe oben: Impulskontrolle), ging den Kanzler teils persönlich an.

Es ist ein beinahe diffuses Setting: Der strauchelnde Kanzler Olaf Scholz muss unter Beweis stellen, dass er der richtige (SPD-)Kanzlerkandidat ist – und der nunmehr offizielle Kanzlerkandidat Merz, dass er auch Kanzler könnte. Beide dürfen in diesem Duell nicht überziehen, werden versuchen, den jeweils anderen als ungeeignet für das Amt darzustellen: der eine zu führungsschwach (Merz über Scholz), der andere zu launisch (Scholz über Merz). 

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In Kürze will Merz nach Frankreich und Polen reisen, heißt es in Medienberichten, zwei der wichtigsten Partner Deutschlands. Wahrscheinlich, um sein Profil in der Außenpolitik weiter zu schärfen. Spannend dürfte hier noch der Wahlausgang in den USA werden: Scholz geht scheinbar vorsorglich auf Distanz zu einem erneuten US-Präsidenten Donald Trump. Er inszeniert sich als entschiedener Gegenspieler der „Trumpisten“, die Zukunft sagten, aber Vergangenheit meinten. Schon Altkanzlerin Angela Merkel reüssierte in dieser Rolle, sozusagen als letzte Verteidigerin der freien westlichen Welt. Und wie wird sich Merz aufstellen, der 2020 über sich und Trump mal gesagt hat: „Wir kämen schon klar“?

Sympathie

Merz wird auf vielen Politik-Feldern mehr Kompetenz zugeschrieben als dem Kanzler, das ist die gute Nachricht für den Herausforderer. Die schlechte: Sympathisch ist er den allermeisten Deutschen immer noch nicht.

Eine knappe Mehrheit sieht hier Scholz (29 Prozent) vor Merz (27 Prozent), wie eine Insa-Umfrage im Auftrag der „Bild“-Zeitung zeigt. Auch die Direktwahlfrage kann den Aspiranten auf das Kanzleramt kaum zufrieden stellen: 25 Prozent würden direkt für Merz stimmen, wenn sie könnten, 21 Prozent für Scholz – eine Mehrheit von 48 Prozent lehnt beide Kandidaten ab. 

Will Merz Kanzler werden, muss er noch viel Überzeugungsarbeit leisten, sein Image aufbessern. Denn welchen Vorteil hat schon ein unbeliebter Kanzler, wenn die Alternative – also Merz – fast genauso unbeliebt ist? Schon einmal haben die Umfragewerte dafür gesorgt, dass CSU-Chef Söder trotz aller Solidaritätsbekundungen ausgeschert ist. Ihm dürfte nicht entgangen sein, dass er Merz in einer aktuellen stern-Umfrage mit 5:1 schlägt, etwa in den Kategorien „führungsstark“, „vertrauenswürdig“ – und „sympathisch“.