Justiz: Hessisches Verfassungsschutzgesetz teils verfassungswidrig

Hessens Verfassungsschutzgesetz verstößt selbst in Teilen gegen die Verfassung. Die Befugnisse bei Handyortung und verdeckten Ermittlungen sind laut Bundesverfassungsgericht zu weitreichend.

Das Hessische Verfassungsschutzgesetz (HVSG) ist teils verfassungswidrig. Das geht aus einem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe hervor (1 BvR 2133/22). Dabei geht es unter anderem um Handyortung, den Einsatz verdeckter Ermittler und die Abfrage von Flugdaten. 

Mehrere im Gesetz geregelte Datenerhebungs- und Übermittlungsbefugnisse des hessischen Landesamts für Verfassungsschutz sind laut dem höchsten deutschen Gericht mit dem Grundgesetz unvereinbar, weil sie gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht „in seiner Ausprägung als Schutz der informationellen Selbstbestimmung verstoßen“.

Unzureichende Nachbesserungen

2023 war das Verfassungsschutzgesetz bereits geändert worden in Reaktion auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 2022 zum Bayerischen Verfassungsschutzgesetz. Doch diese Nachbesserungen in Hessen reichten Karlsruhe nicht aus. Fünf Beschwerdeführer hatten sich an das Bundesverfassungsgericht gewandt.

Die Regelung im HVSG zur Handyortung ist laut Karlsruhe verfassungswidrig, weil sie „eine engmaschige lang andauernde Überwachung der Bewegungen im Raum erlaubt, ohne eine dafür hinreichende Eingriffsschwelle vorzusehen“.

„Eingriffsintensive Einsätze“

Mit der gleichen Begründung stufte das Bundesverfassungsgericht die Befugnis auch für „eingriffsintensive Einsätze“ verdeckter Ermittler als verfassungswidrig ein. Diese könnten mit einer falschen Identität eine vermeintliche Vertrauensbeziehung aufbauen: „Nutzt aber der Staat persönliches Vertrauen aus, um Geheimhaltungsinteressen zu überwinden und Betroffene so zur Preisgabe von Informationen zu verleiten, kann das sehr schwer wiegen.“ 

Eine nicht hinreichende Eingriffsschwelle sah das Bundesverfassungsgericht zudem bei der Abfrage verschiedener persönlicher Reisedaten. Hier sei beispielsweise eine zeitliche Beschränkung offensichtlich nicht vorgesehen.

Datenübermittlung an Strafverfolgung

Schließlich rügte Karlsruhe auch Regelungen im HVSG zur Übermittlung von nachrichtendienstlich ermittelten persönlichen Daten an Behörden der Strafverfolgung als teils verfassungswidrig, wenn es einen Verdacht besonders schwerer Straftaten gibt.

Laut Hessens Innenminister Roman Poseck (CDU), einst höchster Richter seines Landes, bringt der Gerichtsbeschluss Klarheit: „Soweit Bestimmungen für verfassungswidrig erklärt wurden, werden wir zeitnah Neuregelungen auf den Weg bringen und dafür Sorge tragen, dass diese innerhalb der vom Bundesverfassungsgericht eingeräumten Übergangsfrist bis Ende 2025 in Kraft treten können.“

Spannungsverhältnis

Immer wieder besteht Poseck zufolge ein Spannungsverhältnis zwischen den Interessen der Sicherheitsbehörden und den Persönlichkeitsrechten, denen das Bundesverfassungsgericht eine hohe verfassungsrechtliche Bedeutung eingeräumt habe: „Dies gilt es zu respektieren, auch wenn ich mir eine stärkere Beachtung der Sicherheitsgesichtspunkte gewünscht hätte.“ Gerade in der heutigen Zeit vielfältiger Bedrohungen von innen und außen seien gut ausgestattete Sicherheitsbehörden mit den notwendigen Befugnissen wichtig. 

Die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF), die gemeinsam mit anderen Organisationen die Verfassungsbeschwerde erhoben hatte, teilte mit: „Der hessische Verfassungsschutz darf nicht einfach nach Belieben verdeckte Ermittler*innen losschicken und Handys orten. Jetzt muss der hessische Gesetzgeber nachjustieren.“

„Balance zwischen Sicherheit und Freiheit“

Die FDP-Opposition im hessischen Landtag sprach von einem „starken Zeichen für den Schutz der Grundrechte vor übermäßiger staatlicher Überwachung durch Geheimdienste“. Deren Maßnahmen müssen transparent und verhältnismäßig sein, „um das Vertrauen in staatliche Institutionen zu wahren. Die Balance zwischen Sicherheit und Freiheit muss gewahrt werden.“