Für Bundeskanzler Olaf Scholz und die Ampel war die Intel-Chipfabrik in Sachsen-Anhalt ein Prestigeprojekt. Nun legt der Konzern das Vorhaben erst einmal auf Eis. Wie geht es weiter?
Eine Investition für 30 Milliarden Euro und 3.000 Arbeitsplätze: Die von der Bundesregierung mit bis zu 10 Milliarden Euro geförderte Chipherstellung des US-Konzerns Intel in Magdeburg steht in den Sternen. Konzernchef Pat Gelsinger hat zwar nur eine Verschiebung angekündigt. Doch der zeitliche Rahmen dafür ist vage. Wird das noch was? Und was bedeutet dieser Rückschlag für Ostdeutschland? Die wichtigsten Antworten.
Warum kündigte Intel überhaupt ein Werk in Deutschland an?
Intel fiel vor Jahren hinter die Konkurrenz zurück. Der ambitionierte Plan von Konzernchef Pat Gelsinger ist, sich als Auftragsfertiger für andere Chipfirmen zurück in die Weltspitze zu kämpfen. Dafür sollen für viele Milliarden Dollar neue Werke gebaut werden – in den USA, aber auch in Europa. Gelsinger stellte für Magdeburg modernste Produktionsverfahren in Aussicht – so neu, dass sie noch gar nicht entwickelt sind.
Und warum spart Intel dann jetzt ausgerechnet in Deutschland?
Der Konzern muss sparen. Intel kämpft mit Milliardenverlusten und es kommt nicht so viel Geld rein, wie Gelsinger es sich erhofft hatte. Er streicht bereits 15.000 Jobs. Auch mit 10 Milliarden Euro Zuschuss von der Bundesregierung hätten in Magdeburg immer noch 20 Milliarden Dollar investiert werden müssen. Vor die Wahl gestellt, steckt Intel die Milliarden lieber in Fabriken im Heimatmarkt USA, wo es ebenfalls hohe Subventionen von der Regierung gibt und Intel als Rüstungszulieferer unverzichtbarer sein kann.
Warum wollte Deutschland die Chipfabrik mit Milliarden fördern?
Die Halbleiter-Engpässe zu Beginn der Corona-Krise waren ein Weckruf. Damals standen mehrfach Bänder bei Autobauern still, Laptops waren schwer zu bekommen und man musste zum Teil monatelang auf Waschmaschinen warten. Die Abhängigkeit von Asien – und besonders von TSMC in Taiwan bei Hightech-Chips – wurde im Westen als Problem erkannt. Die USA und die Europäische Union überboten sich bei Subventionen, um schon in einigen Jahren mehr Versorgungssicherheit zu haben.
Trifft der Rückschlag die Bundesregierung?
Für Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) ist es ein Prestigeprojekt, Deutschland zum großen Chip-Standort in Europa zu machen. Nach dem Intel-Vertragsabschluss für Magdeburg jubelte Scholz über „die größte ausländische Direktinvestition, die es je in Deutschland gegeben hat“.
Politisch ist die Intel-Entscheidung also ein Rückschlag für Scholz und die Ampel-Koalition – einer, den sie kurz vor der wichtigen Landtagswahl in Brandenburg so gar nicht gebrauchen kann. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) betonte sofort, die Verschiebung sei eine rein unternehmerische Entscheidung. „Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht.“ Scholz versicherte auf einer Reise in Kasachstan, Intel habe zugesagt, an dem Projekt festhalten zu wollen. Halbleiterproduktion in Europa und in Deutschland bleibe richtig. „Der Ausbau geht weiter.“
Tatsächlich gibt es ja noch weitere Projekte, so etwa die Ansiedlung des taiwanesischen Chipherstellers TSMC in Dresden. Dort hat der Bau der Fabrik schon begonnen. „Es bleibt bei den Plänen“, versicherte der Geschäftsführer des Branchennetzwerkes Silicon Saxony, Frank Bösenberg.
Was passiert nun mit den eingeplanten Fördermilliarden?
Das ist offen. Der Streit in der Ampel begann unmittelbar nach der Intel-Entscheidung. Finanzminister Christian Lindner (FDP) schrieb auf der Plattform X, alle nicht für Intel benötigten Mittel müssten zur Reduzierung offener Finanzfragen im Bundeshaushalt reserviert werden. Scholz schloss nicht aus, dass ein Teil des Geldes zur Schließung von Haushaltslücken genutzt wird. Aus dem Wirtschaftsministerium dagegen hieß es, die Intel-Gelder stünden nicht dem Kernhaushalt zur Verfügung. Denn die Fördermilliarden sollten aus dem Klima- und Transformationsfonds kommen, dem KTF. Für dieses Jahr sind im KTF für Intel rund 4 Milliarden Euro vorgesehen, die übrigen 6 Milliarden Euro dann für die nächsten Jahre. Im KTF klafft – wie auch im Bundeshaushalt selbst – eine Milliardenlücke.
Trifft der Rückschlag die ostdeutsche Wirtschaft?
Intel in Magdeburg ist ein Megaprojekt mit Tausenden Arbeitsplätzen – die Verzögerung verunsichert. Vor allem in Ostdeutschland haben die Menschen nach der Deutschen Einheit viele Vorhaben platzen sehen. Zwar bleibt Sachsen-Anhalts Wirtschaftsminister Sven Schulze (CDU) beim Prinzip Hoffnung: „Intel hält, wenn auch mit einer Verzögerung, weiter an dem Projekt fest.“ Einige im Land fürchten aber eine Hängepartie mit ungewissem Ausgang. Auch der Ostbeauftragte Carsten Schneider sprach von Unsicherheiten, die in Gesprächen mit Intel ausgeräumt werden sollten.
In Ostdeutschland sind inzwischen diverse Großprojekte am Start, vor allem die Tesla-Fabrik mit 10.000 Mitarbeitern in Grünheide. Für Brandenburg ein Erfolg. Doch auch Tesla hat Gegenwind. Der Absatz von E-Autos lahmt, die Erweiterung der Fabrik in Grünheide erfährt vor Ort Widerstand. Zudem trifft der Fachkräftemangel die Unternehmen in Ostdeutschland nach Einschätzung des Ifo-Instituts besonders stark. Unterm Strich geht es der Wirtschaft in Ostdeutschland aber vergleichsweise gut: Laut Ifo-Prognose wächst sie 2024 deutlich stärker als die deutsche Wirtschaft insgesamt.
Was bedeutet der Schritt für die Region rund um Magdeburg?
Die Stadt Magdeburg und das Land Sachsen-Anhalt hatten in den vergangenen Wochen Gas gegeben, um die Intel-Ansiedlung voranzubringen. Der Ausbau der Straße zum Gelände hat begonnen, eine erste Baugenehmigung ist bereits erteilt. Ein Teil des Gewerbeparks war von Anfang an für weitere Firmenansiedlungen wie Zulieferer vorgesehen. Diese Flächen könnten an andere Unternehmen verkauft werden. Eine Arbeitsgruppe aus Bundeskanzleramt, der sachsen-anhaltischen Staatskanzlei, Wirtschaftsministerium und Intel soll erarbeiten, wie es konkret weitergeht.
Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) betonte, Intel sei Flächeneigner in Magdeburg und Investor. Das Unternehmen habe einen Anspruch darauf, dass Anträge weiter bearbeitet würden. Schon jetzt sei ein „einzigartiger Arbeitsstand“ erreicht. Sein Schluss: „An diesem Projekt sollte und muss aus logischen Gründen zum jetzigen Zeitpunkt festgehalten werden.“