Der Weltschachverband hat einen Schachmeister gesperrt, weil er unter anderem Minderjährige sexuell belästigt haben soll. Nun hat sich ein Opfer zu Wort gemeldet.
Anna Cramling Bellón spielt in diesen Tagen bei der Schach-Olympiade in Budapest für Team Schweden. Für Aufsehen sorgt allerdings über die Schachszene hinaus eine Podcast-Episode mit ihr, die am Tag vor Turnierbeginn erschienen ist: „Sjakksnakk“.
Darin berichtet Bellón nicht nur von ihrer Schachkarriere, sondern auch von sexueller Belästigung durch einen Schachspieler. Auch wenn die 22-Jährige ihn nicht namentlich nennt, ist ziemlich offensichtlich, dass sie zu den Opfern des Letten Andrejs Strebkovs gehört. Der Internationale Schachverband Fide hat ihn Mitte August für fünf Jahre gesperrt, weil er nach einer internen Untersuchung für schuldig befunden worden war, Spielerinnen sexuell belästigt zu haben – darunter Minderjährige.
Sexuelle Beslästigung Abgeordnete 18:07Strebkovs soll Briefe mit pornografischem Inhalt sowie benutzte Kondome an Schachspielerinnen geschickt haben. Laut Fide-Bericht waren einige Empfängerinnen erst 14 Jahre alt.
Anna Cramling Bellón berichtet von Belästigung
„Es ist ekelhaft, es ist verrückt“, sagte die spanisch-schwedische Fide-Meisterin im Podcast. „Das Verrückteste daran war, dass er die Briefe verschickte, als wäre er jemand anderes.“ So habe sie geglaubt, der Brief sei von einem Freund. „Es ist krank. Ich war völlig entsetzt und dachte: ‚Wieso bekomme ich sowas?'“ Laut Bellón liegt das vier bis fünf Jahre zurück. Damals habe sie auch geglaubt, sie sei die Einzige, der das passiert sei.
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Tatsächlich zählte Fide mindestens 15 Opfer von Strebkovs in mehr als zehn Jahren. Der Verband wies ihm die Taten durch DNA-Spuren nach. „Die Fide toleriert keine Form der Belästigung oder des Missbrauchs innerhalb der Schachgemeinschaft, insbesondere dann nicht, wenn Minderjährige beteiligt sind“, hatte Verbandspräsident Arkady Dvorkovich bei Bekanntgabe der Sperre für Strebkovs gesagt.
Schachspieler wehrt sich gegen Sperre
Strebkovs selbst wehrte sich laut Fide gegen die Sperre. Er argumentierte demnach, dass nur ein Fall – aus dem Jahr 2021 – Gegenstand einer Beschwerde sein kann, da die anderen Briefe nichts mit den Schachwettbewerben oder Schach zu tun hätten. Abwenden konnte er die fünfjährige Sperre nicht.
Schach Hans Niemann Betrugsvorwürfe 15.55Für Cramling Bellón ist diese Strafe zu gering: „Er hätte mindestens 30 bis 40 Jahre bekommen sollen. Fünf Jahre sind viel zu kurz. Ich verstehe nicht, was da los war“, sagte die Schachspielerin im Podcast. „Dieser Mann hatte die Adressen all dieser Leute und schickte diesen jungen Mädchen etwas so Ekelhaftes. Es ist schrecklich.“
Quellen: Podcast „Sjakksnakk“ mit Anna Cramlin Bellón (ab Minute 51), „Spiegel“, „Welt“, Gutachten des Schachverbandes FIDE zu den Vorwürfen (PDF auf englisch), FIDE-Meldung über Strafe für Andrejs Strebkovs.