Ab 2025 sollen laut interner E-Mail alle Amazon-Mitarbeiter an ihren festen Arbeitsplatz zurückkommen. Der Konzern erhofft sich davon stärkeren Zusammenhalt.
Seit der Coronapandemie arbeiten viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aus dem Homeoffice: Fast 25 Prozent aller Erwerbstätigen in Deutschland schufteten laut Statistischem Bundesamt 2023 zeitweise von Zuhause, Tendenz steigend. Doch mit diesem Modell sind Arbeitgeber offenbar nicht immer zufrieden.
Angestellte des Online-Versandhändlers Amazon müssen ab Anfang des kommenden Jahres wieder an fünf Tagen ins Büro kommen. Ein flexibles Arbeiten von Zuhause soll dann nur in Ausnahmefällen wie zur Pflege des kranken Kindes oder zur Vorbereitung einer größeren Arbeitsaufgabe möglich sein. Zuvor waren die Homeoffice-Tage bereits von drei auf zwei Tage reduziert worden.
Künftig soll es bei Amazon auch keine flexible Arbeitsplatzbuchung mehr geben, jeder Mitarbeiter erhält wieder einen fest zugewiesenen persönlichen Arbeitsplatz im Büro.
SAP schränkt Homeoffice ein
Auch in Deutschland haben sich in den vergangenen Monaten immer wieder Führungskräfte großer Konzerne zu Wort gemeldet und dafür geworben, nicht mehr von daheim zu arbeiten. SAP-CEO Christian Klein forderte im Rahmen der „Back-to-Work“-Kampagne seine Mitarbeiter aktiv dazu auf, wieder fest an drei Tagen ins Büro zu kommen. Darüber hinaus plant er ab 2025, das Personal nach Effizienz und Teamfähigkeit zu kategorisieren, was sich auch auf die Bezahlung auswirken soll.
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Macht Amazon mit seiner Ansage zu 100 Prozent Büro auch hierzulande Schule? Schließlich gilt die USA als Vorreiter vieler Trends, die dann einige Jahre später auch nach Europa und Deutschland rüberschwappen.
Konsequenzen für deutsche Arbeitnehmer
Die Beraterin und Coachin Inga Mende glaubt das nicht. Es habe zwar hierzulande einige Versuche von Unternehmensseite gegeben, das Homeoffice zurückzudrehen. „Dabei kam von der Belegschaft aber oft das deutliche Signal: ‚Wenn ihr das macht, müsst ihr mit Konsequenzen rechnen.‘ Deshalb scheuen die meisten Unternehmen davor zurück, solche Schritte zu unternehmen“, sagt Mende.
Die Arbeitssituation in den USA sei mit der in Deutschland schwer zu vergleichen. „In Nordamerika haben viele Arbeitgeber lange komplett auf remote gesetzt, während jene in Europa schon immer auf hybride Modelle setzen.“ Eine krasse Wende wie in den USA drohe hierzulande also nicht, so Mende, da sich in Deutschland viele Unternehmen und Mitarbeiter inzwischen ganz gut mit den jeweiligen Homeoffice-Regeln arrangiert haben. Die Tendenz zum hybriden Arbeiten habe sich „definitiv durchgesetzt und wird so bleiben“.
Dafür sprechen auch die zahlreichen Stellenanzeigen, in denen explizit Homeoffice angeboten wird. „Bürokräfte, die nach einem Job mit Homeoffice-Option suchen, werden auch derzeit fündig“, sagt Annina Hering, Ökonomin beim Jobportal Indeed. Fast 15 Prozent der auf Indeed verfügbaren Stellen beinhalten demnach die Option, komplett remote oder hybrid zu arbeiten, die Nachfrage danach sei hoch.
Vollständige Remote-Arbeit werde in Deutschland allerdings eher die Ausnahme sein, glaubt Mende. „Kleinere Start-ups nutzen sie, um Talente weltweit zu gewinnen und zu den besten Konditionen einzustellen“, so Mende. Die meisten Unternehmen haben daher auch – anders als in den USA – an ihren Gewerbeimmobilien festgehalten, wenn auch in abgespeckter Größe. „Büroflächen wurden verkleinert, stattdessen wurden mehr und größere Interaktions- und Workshopräume geschaffen“, sagt Mende.
Gibt es ein Recht auf Homeoffice? Das sagt ein Anwalt
Rechtlich gesehen könnte es ebenfalls schwierig sein, Arbeitnehmer zurück an den Büroschreibtisch zu zitieren. „Wenn es eine Betriebsvereinbarung gibt, dann gilt, was darin geregelt ist, auch wenn die Geschäftsführung eine Ansage zu Back-to-Office macht“, sagt der Arbeitsrechtsexperte Professor Klaus-Stefan Hohenstatt von der Kanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer.
Von Vorteil für die Betroffenen kann auch der folgende Punkt sein: „Wenn Unternehmen einmal mit Homeoffice geworben und feste Zusagen gegeben haben, kann es sein, dass ein arbeitsvertraglicher Anspruch entsteht, einen Teil der Arbeitszeit von zu Hause aus zu leisten. In diesem Fall müsste unter Umständen eine Änderungskündigung ausgesprochen werden, was rechtlich sehr kompliziert wäre.“ Diese Möglichkeit könne jedoch in Einzelfällen auch eingeschränkt werden, sagt Hohenstatt: „Einschränkende Formulierungen können zum Beispiel sein ,Das gilt nur befristet‘, ‚Wir können das jederzeit widerrufen‘ oder ‚Wir behalten uns vor, dies zu ändern‘.“
Was Arbeitgeber unter Umständen auch tun könnten, um die Mitarbeiter zurück in den Betrieb zu beordern: eine Versetzung aussprechen, welcher der Betriebsrat zustimmen muss. „Sagt der Betriebsrat nein, muss gegebenenfalls das Arbeitsgericht die Zustimmung ersetzen.“
Betroffenen Arbeitnehmern, die zurück ins Büro sollen aber nicht wollen und keinen Betriebsrat haben, rät der Arbeitsrechtler: „Wenn es keinen Betriebsrat gibt, dann habe ich eigentlich nur noch die Möglichkeit, der Anordnung erstmal Folge zu leisten und dann gerichtlich überprüfen zu lassen, ob der Arbeitgeber eigentlich zu dieser Weisung befugt war.“