Michael Douglas brauchte Jahre, bis er aus dem Schatten seines Vaters Kirk treten konnte. Danach wurde er zu einem größten Schauspieler Hollywoods. Ein Geburtstagsgruß.
Er hat mal angerufen. An einem Nachmittag vor vielen Jahren, vor dem Fenster schien die Sonne, es war Herbst. Das Telefon klingelte, kurzes Knacken in der Leitung, „Hi, this is Michael. Wo waren wir stehengeblieben?“ Das hatte natürlich eine Vorgeschichte, denn eine Woche davor hatte man in London in einem Hotel gesessen und auf Michael Douglas gewartet.
Ein Interview sollte es werden, ausführlich, es ging um einen Film, der ihm wichtig war. Doch dann hatte sein Flug Verspätung, er steckte im Londoner Stau und kam viel zu spät. „Also gut, sprechen wir etwas schneller“, sagte er und sprach. Schnell, konzentriert, den Kopf dicht über den Tisch gebeugt, damals noch hektischer Raucher, der die Zigaretten nervös im Aschenbecher abaschte.
Kirk Douglas im Alter von 103 Jahren gestorbe Kirk Douglas im Alter von 103 Jahren gestorben
„Kann ich Sie anrufen? Lassen Sie Ihre Nummer hier.“
Doch das schnelle Reden half nicht, in der Tür drängte jemand zu Aufbruch, der nächste Termin schon, sie unterbrachen Douglas mitten im Satz. Er schaute einen kopfschüttelnd an und sagte: „Das tut mir Leid. Können wir das fortsetzen, kann ich sie anrufen? Lassen sie ihre Nummer hier.“
Das Gespräch am Telefon wurde dann ausführlich und lang, mal nachdenklich, mal lustig, irgendwann klang Michael Douglas so, als hätte er die Füße auf den Tisch gelegt, und es fiel einem auf, wie sehr seine Stimme seiner deutschen Synchronstimme ähnlich war. Die Zeit, viel zu erzählen hatte er sich genommen, weil ihm wie gesagt dieser Film „Die Wonder Boys“ sehr wichtig war, denn der sollte eine Zäsur in seinem bisherigen Rollen-Portfolio sein.
Schluffige Veränderung: In „Die Wonder Boys“ (2000) zeigte Douglas als kiffender Professor und Literat Grady Tripp eine neue Facette seines Könnens
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Ein neuer, unbekannter Michael Douglas, der dort einen kiffenden Professor und Schriftsteller spielt, der unter einer Schreibblockade leidet, von seiner Frau verlassen wird und dem eine junge Studentin, gespielt von der jungen Katie Holmes, nachstellt – das ganze prächtige Männer-Midlife-Crisis-Programm also. Auch, wenn man selbst noch einiges jünger als Douglas war, kam von ihm immer wieder „kennen sie das auch? Nein? Das werden sie noch kennenlernen, glauben sie mir.“
Michael Douglas steckte in der Sexschublade
Die Zäsur, der Douglas´sche Bruch mit seinen vorherigen Erfolgsrollen, fiel einem erst später auf. Denn er hatte sich von Rollenschubladen befreit, die ihn einzuschließen drohten. Grob zusammengefasst waren das damals die Sexschublade mit Filmen wie „Eine verhängnisvolle Affäre“, „Basic Instinct“ oder „Enthüllung“, Geschichten, in denen er Figuren spielte, die Affären suchen und haben, dabei dann aber die Macht und Kraft der Frauen unterschätzen und an ihnen fast zugrunde gehen.
Einer seiner größten Erfolge war „Basic Instinct“, in dem er sich als Detective Nick Curran auf eine verhängnisvolle Affäre mit der Mordverdächtigen Catherine Tramell (Sharon Stone) einlässt
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Der US-Kritiker Rob Edelman fasste das einmal zusammen mit „Douglas verkörperte den zeitgenössischen, weißen amerikanischen Mann der Mittel- bis Oberschicht, der aufgrund realer oder eingebildeter sexueller Kränkungen die Hauptlast weiblicher Wut zu spüren bekommt“.
Der Filmhistoriker David Thomson sah in den Protagonisten, die Douglas verkörperte, Männer die „schwach, schuldig, moralisch träge, kompromittiert und gierig nach unerlaubten Sensationen waren, ohne die grundlegende Redlichkeit oder das Potenzial für ethischen Charakter zu verlieren.“ Anders gesagt, Michael Douglas spielte immer die inneren Gelüste von Männern und gleichzeitig ihre Angst, von ihnen zerstört zu werden, was ihn so erfolgreich machte.
„Gier ist gut“: Douglas in der Rolle des Finanz-Hais Gordon Gekko in „Wall Street“. Er gewann den Oscar als Bester Hauptdarsteller und den Respekt seines Vaters
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Ähnlich war die andere Schublade des mal mächtigen, mal ohnmächtigen Arschlochs wie in „Wall Street“, „Falling Down“, „The Game“ oder „Ein perfekter Mord“, in denen er mit subtiler Lust das Böse so polierte und attraktiv machte, dass sein finsterer Gier-Hai Gordon Gekko, der vom Regisseur Oliver Stone eigentlich als Nebenrolle gedacht war, sogar zu einem heimlichen Helden an der realen Wall Street wurde.
Ein Abbild der Männerwelt des Amerikas der 80er
Der Sexbesessene und der Böse waren, neben sehr viel anderen Douglas-Rollen in Komödien, die wesentliche Säulen seines Schauspiels, und sie waren ein präzises Abbild der Männerwelt des Amerikas der 80er Jahre. Sex und Macht waren gleichzeitig die Muskeln, aber auch die Wunden des Landes, und jeder Film mit Michael Douglas legte die Finger darauf.
Genau das sollte mit „The Wonder Boys“ vorbei sein und war es fast auch. Bis auf „Wall Street – Geld schläft nicht“ (2010) kehrte er nicht wieder in seine Schubladen zurück, sondern schwamm sich frei. Wieder frei, denn das kannte er seit seiner Kindheit, als dieses sich Freischwimmen zur ersten Beschäftigung seines Lebens wurde.
Wie wird man Michael, wenn man Douglas heißt?
„Er brauchte Zeit herauszufinden, wie man Michael wird, wenn man Douglas heißt“, wie es in dem Dokumentarfilm „Am Anfang war der Name“ gesagt wird. Geboren vor 80 Jahren im Spätsommer 1944 in New Brunswick, einer 55.000-Einwohner-Stadt im US-Staat New Jersey, hatte Michael mit Kirk Douglas einen Vater, Kind jüdischer russischer Einwanderer, der sich an den Theatern des New Yorker Broadway als Schauspieler versuchte und 1946 seinen ersten Film drehte.
Die Ikone und der Sohn: Michael Douglas und sein übergroßer Vater Kirk Douglas im Jahre 1977
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„Die seltsame Liebe der Martha Ivers“ war der Beginn einer großen Hollywood-Karriere. Klassiker wie „Reporter des Satans“, „Vincent van Gogh – Ein Leben im Leidenschaft“, „Wege zum Ruhm“ oder „Spartacus“ machten in den 50er und 60er Jahren zu einem Schauspiel-Monument des Kinos. Er sei, sagte Michael später einmal, eigentlich mit seiner Mutter, deren Ehe 1951 geschieden wurde, aufgewachsen, während sein Vater in Hollywood Filme drehte.
Die Arbeit war das Wichtigste, nicht der Sohn
Weil Kirk Douglas nicht nur ein Schauspieler, sondern ein Superstar, ein „Spartacus“ war, wurde auch der Schatten, in dem Michael aufwuchs immer größer und mächtiger. Er habe, so Michael, die gemeinsame Zeit mit seinem Vater nicht genossen, weil immer die Arbeit, der nächste Film, die nächste Rolle das Wichtigste war. Und nicht er, der Sohn.
So wuchs im Schatten des Vaters die Ratlosigkeit des Sohnes, was er mit seinem Leben eigentlich machen sollte. Hinzu kam, dass, je älter Michael wurde, er seinem Vater immer ähnlicher sah, selbst das douglastypische Grübchen im Kinn deutete sich bei ihm an. Was dazu führte, dass niemand ihn mit seinem Namen Michael vorstellte, sondern immer nur „das ist der Sohn von Kirk Douglas“.
Sich davon zu befreien, wurde schwierig, weil Michael nicht wusste wie. Und wohin. „Ich fing an zu studieren, wurde aber in Wahrheit ein Hippie“, erzählte er mal. Irgendwann trieb es ihn an der Universität in die Schauspielgruppe, das war wenigstens eine Welt, die er kannte und „erschien mir das Einfachste, was ich machen konnte.“
Die erste Krönung: Michael Douglas und sein Produzentenpartner Saul Zaentz bekommen 1976 den Oscar für den Besten Film, der noch vier weitere Trophäen gewann: „Einer flog über das Kuckucksnest“
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Aber „es war keine Leidenschaft, die ich hatte, sondern vielleicht die Zurückweisung durch meinen Vater und die Tatsache, dass er oft nicht da war“. Er stand dann in Shakespeares „Viel Lärm um nichts“ auf der Bühne, und Kirk saß im Publikum. Es war die erste leichte Brücke zwischen den beiden, die aber auch wackelig war, denn nun wurde seine Schauspielerei mit der seines Vaters verglichen, was Michael früh dazu brachte, jede Rollenschublade zu vermeiden und intensiv an seiner Schauspieltechnik und in der Filmwelt zu arbeiten. Es waren die ersten Schritte, den übermächtigen Vater einzuholen.
Eine Polizeiserie brachte die Wende
Was ihm ab 1972 gelang. Erst als Darsteller in „Die Straßen von San Francisco“, einer Polizeiserie an der Seite von Karl Malden und 1975 als Produzent von Milos Formans „Einer flog über das Kuckucksnest“, für den Michael seinem Vater die Rechte an Ken Keseys Romanvorlage abgekauft hatte. Der Film mit Jack Nicholson in der Hauptrolle wurde ein großer Erfolg, gewann fünf Oscars, unter anderem als Bester Film und machte Michael Douglas mit Anfang 30 zum mehrfachen Millionär.
In der TV-Serie „Die Straßen von San Francisco“ spielte Douglas an der Seite seines väterlichen Partners Karl Malden in 98 Folgen den Inspector Steve Keller
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Wichtiger für ihn war aber die Schauspielerfahrung in den 98 Folgen „Die Straßen von San Francisco“ weil es die Schule der Routine war, die ihm fehlte, und mit Karl Malden auch die Vaterfigur, die er in Kirk nicht fand. Die endgültige Befreiung aus dessen Schatten kam dann aber 13 Jahre später, 1988, mit dem Oscar als Bester Hauptdarsteller in „Wall Street“. Das, so Michael, habe ihn für die langen Schattenjahre entschädigt und das Verhältnis zu seinem Vater normalisiert, „ich musste ihm nun nichts mehr beweisen.“
Taumeln in Jahre des Exzesses
Die Nervosität und der Druck ein großer Hollywood-Star zu sein, destabilisierte ihn aber abseits der Kamera. So, wie in vielen seiner Filmrollen taumelte Douglas in Jahre des Exzesses, er trank, nahm Drogen und war kaum noch steuerbar. 1992, als „Basic Instinct“ in die Kinos kam, ließ sich Douglas zum Entzug in die Sierra Tuscon-Klinik in Arizona einweisen, was im Boulevard zu dem Gerücht führte, er sei in Wahrheit an Sex-Sucht erkrankt, was aber Unsinn war.
Trotz einiger Krisen hält die Ehe von Michael Douglas mit der Waliserin Catherine Zeta-Jones seit dem Jahr 2000
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2010 gab Douglas dann bekannt, dass er an Zungenkrebs erkrankt sei, was sofort zu Spekulationen führte, er habe die Krankheit durch Oralsex bekommen, was überhaupt nicht zu belegen war. Trotzdem reichte es dafür, dass Douglas und seine Frau Catherine Zeta-Jones sich zweitweise trennten. Nach einer Behandlung und einer Chemotherapie war er zwei Jahre später geheilt, und auch die Ehe wurde fortgesetzt.
Doch auch jene Jahre waren wieder eine Zäsur in seinem Schauspiel. Wegen der Erkrankung mussten seinerzeit die Dreharbeiten zu „Liberace“ unterbrochen werden. Die Rolle des schwulen, immer in Glitter gekleideten Showpianisten war etwas, was niemand von ihm erwartet hätte und er sie genau deshalb spielen wollte.
Ein weiterer Höhepunkt seiner Karriere: Douglas als glitzernder Entertainer Liberace. Dafür gab’s 2014 den Golden Globe
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So wie anderes auch. In den Marvel-Filmen „Ant-Man“ und „Avengers“ habe er mitgespielt, um den Anschluss an die „Green Screen“-Technik, das Filmen vor grüner Leinwand, auf die später am Computer die digitalen Kulissen generiert werden, nicht zu verlieren. Und die Rolle des US-Präsidenten Benjamin Franklin in der Mini-Serie „Franklin“ habe er übernommen, weil er noch nie einen historischen Stoff gespielt habe und gerne mal in „Strumpfhosen vor der Kamera“ stehen wollte.
Einmal in Strumpfhosen der Kamera stehen: Douglas als US-Präsident Benjamin Franklin in der Serie „Franklin“ (2024)
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Schaut und hört man dem heute 80-jährigen Douglas beim Leben zu, ist das die Besichtigung des Unruhezustands eines Mannes, der der Welt noch viel erzählen will. Einmal im Jahr zeigt er sich in einem orangenen T-Shirt, das Zeichen, in den USA endlich schärfere Waffengesetze durchzusetzen. Er engagiert sich in Anti-Atomwaffen-Initiativen, und neulich ist er mit dem Zug elf Stunden lang nach Kiew gefahren, um den Menschen dort zu zeigen, wer sie alles im Krieg unterstützt.
„Ich bin“, sagt Michael Douglas, „nicht egoistisch genug, um ein ruhigeres Leben zu führen.“