Prozess in Braunschweig: Eltern im neu aufgerollten Missbrauchsprozess freigesprochen

Wegen schwerer Straftaten an der Tochter wurde ein paar aus Niedersachsen zu langer Haft verurteilt. Doch der BGH schritt ein und verlangte einen neuen Prozess. Dieser endete nun mit einer Wende.

In einem neu aufgerollten Missbrauchsprozess gegen ein Ehepaar aus Niedersachsen sind die beiden Angeklagten vom Vorwurf schwerer Straftaten an der Tochter freigesprochen worden. „Die Kammer ist überzeugt davon, dass die 19 angeklagten Taten nicht stattgefunden haben“, sagte die Richterin im Landgericht Braunschweig.

Nach einem ersten Prozess vor einer anderen Strafkammer hatte die 54-jährige Mutter im Juni 2023 eine Gesamtfreiheitsstrafe von 13,5 Jahren mit anschließender Sicherungsverwahrung erhalten, ihr 58 Jahre alter Partner war zu neun Jahren und sechs Monaten verurteilt worden. Der Bundesgerichtshof (BGH) hob das Urteil auf Revision der Angeklagten auf, weil unter anderem die Beweiswürdigung aus Sicht der Bundesrichter lückenhaft war. Zudem sollte die Aussagefähigkeit des mutmaßlichen Opfers besser geklärt werden.

Die neue Strafkammer hob schon vor Prozessbeginn die Haftbefehle auf. Das Paar sei zwar weiterhin verdächtig, es gebe aber keinen dringenden Tatverdacht mehr, hieß es dafür im Juni zur Begründung. Die beiden Angeklagten hatten bis dahin etwa zwei Jahre in Untersuchungshaft gesessen. Dafür müssen sie nun entschädigt werden, wie die Richterin sagte. Eine Revision ist noch möglich.

Immer größere Zweifel 

Zum Prozessauftakt im August war dem Paar aus Bad Harzburg vorgeworfen worden, ihre erwachsene Tochter mehrmals vergewaltigt, misshandelt und verletzt zu haben. Über die Schilderungen der jungen Frau hatte ein Gutachter abschließend von einem „eher geringen Wahrscheinlichkeitsgrad für einen realitätsbasierten Hintergrund“ gesprochen.

Im Verfahren äußerten zudem mehrere Ermittler Zweifel an der Glaubwürdigkeit der 26-jährigen Tochter. Eine frühere Freundin soll jüngst bei der Polizei ausgesagt und so das Bild einer großen Inszenierung bekräftigt haben. Mitentscheidend für den Freispruch seien zudem akribische Nachermittlungen gewesen, sagte die Richterin.

Mit dem Freispruch steht auch ein Fragezeichen hinter einem weiteren früheren Urteil. Das Landgericht hatte im Jahr 2022 gegen eine frühere Partnerin der Tochter wegen schwerer Misshandlungen mehr als sechs Jahre Gefängnis verhängt. Die damals 28-jährige Angeklagte hatte unter anderem einen sexuellen Übergriff in besonders schwerem Fall, gefährliche Körperverletzung und Freiheitsberaubung sowie einen versuchten Totschlag auf ihre Lebensgefährtin eingeräumt. Es dürfte dafür eine Überprüfung geben, kündigte die Richterin an.