Eigentlich Formsache, doch in Thüringen spektakulär gescheitert: Der Landtag schaffte es nicht, einen Präsidenten zu wählen. Nun muss das Landesverfassungsgericht entscheiden.
Es ist also wieder passiert: Björn Höckes AfD hat das Thüringer Parlament vorgeführt.
Die Parallelen des 26. September 2024 zu jenem 5. Februar 2020, an dem die AfD einen FDP-Ministerpräsidenten ins Amt hievte, sind offensichtlich. Während damals die Höcke-Fraktion mit einem Scheinkandidaten operierte und das Parlament in geheimer Abstimmung täuschte, nutzte sie diesmal den Umstand, dass sie zufällig den Alterspräsidenten stellt.
Allerdings befand sich die AfD dieses Mal rechtlich durchaus im Vorteil. Laut der bisher gültigen Geschäftsordnung steht der größten Fraktion das alleinige Vorschlagsrecht für den Landtagspräsidenten zu. Diese Regel, ob nun geschrieben oder nicht, fand bisher in allen bundesdeutschen Parlamenten stets Beachtung.
Liveblog Landtag Thüringen 11.53
Doch aus dem Vorschlagsrecht ergibt sich ausdrücklich kein Anrecht auf das Amt. Zudem hatte die große Mehrheit des Parlaments, die aus sämtlichen anderen Fraktionen besteht, einmütig erklärt, keinen AfD-Präsidenten zu wählen. Und es gilt: Die Abgeordneten sind frei und nur ihrem Gewissen verpflichtet.
Aber es ist natürlich komplizierter. Um die Wahl des alternativen CDU-Kandidaten abzusichern, hatten CDU und BSW mit Zustimmung von Linke und SPD einen Antrag eingebracht, um noch vor der Wahl des Landtagspräsidenten das alleinige Vorschlagsrecht der größten Fraktion aus der Geschäftsordnung zu tilgen. Dabei beantworteten sie die durchaus berechtigte Frage, ob ein noch nicht konstituierter Landtag die Geschäftsordnung ändern kann, mit einem klaren Ja.
Die AfD hingegen sagte ebenso unmissverständlich Nein – und entfaltete ihre gesamte destruktive Energie. Ihr erkennbares Ziel: Den größtmöglichen Kollateralschaden bei den anderen Parteien zu erzeugen und die eigene Opfererzählung zu stärken.
Thüringer AfD: Höckes effizienter Helfer
Dafür besaß die Höcke-Fraktion ein effizientes Hilfsmittel: ihr neues Fraktionsmitglied Jürgen Treutler. Der Abgeordnete aus der AfD-Landratsstadt Sonneberg ist mit 73 Jahren das älteste Mitglied des Landtags und damit automatisch sein Alterspräsident. Ihm obliegt es damit, die Konstituierung des Parlaments zu leiten – und damit auch die Wahl des Landtagspräsidenten.
Tischner Höcke-Bezwinger 17:02
Die AfD hatte Treutler gut präpariert. Der Abgeordnete hielt erst einmal eine Propagandarede, in der er von der Verachtung der politischen Eliten gegenüber dem Willen des Volkes sprach. Danach referierte er länglich darüber, dass der größten Fraktion der Landtagspräsident zustehe und vor dessen Wahl die Geschäftsordnung nicht geändert werden solle.
Der Landtag: maximal beschädigt
Während er redete und redete, versuchten die Abgeordneten vergeblich, ihn zu stoppen und den Antrag zur Änderung der Geschäftsordnung zu stellen. Wahlweise ignorierte Treutler das oder er unterbrach die Sitzung immer wieder. Es kaum zu lauten Wortgefechten, teilweise schien so etwas wie parlamentarische Anarchie zu herrschen.
Schließlich, nach einigem Hin und Her, kam es so, wie es kommen musste: Die CDU-Fraktion rief das Landesverfassungsgericht an, um die Geschäftsordnungsfrage zu klären. Am Samstag, um 9.30 Uhr, soll es weitergehen im Plenarsaal in Erfurt. Bis dahin bleibt der 8. Thüringer Landtag das, was er ist: nicht konstituiert.
Und maximal beschädigt.