Der aufsehenerregende Tomatensuppenwurf gegen ein van-Gogh-Gemälde war eine Art Startschuss für ähnliche Aktionen von Klimaschützern, auch in Deutschland. Aber die Strafen fallen unterschiedlich aus.
Die britische Justiz geht mit aller Härte gegen protestierende Klimaschützer vor. Ob Störmaßnahmen auf einer Autobahn oder nun eine Tomatensuppenattacke auf ein weltberühmtes, von Glas geschütztes Gemälde – bereits zum wiederholten Mal verhängt ein britisches Gericht eine Haftstrafe wegen einer aufsehenerregenden Aktion.
Die Umweltschützer sind empört. „Eine Glasscheibe auf einem Gemälde genießt gerade mehr Schutz als Menschenleben“, kommentiert die Organisation Just Stop Oil das Urteil gegen ihre Aktivistinnen. Phoebe Plummer (23) und Anna Holland (22) wurden wegen Sachbeschädigung zu zwei Jahren beziehungsweise einem Jahr und acht Monaten Haft verurteilt.
Das berühmte Gemälde „Sonnenblumen“ von Vincent van Gogh war mit einer Glasplatte geschützt und bei der Aktion im Oktober 2022 unversehrt geblieben. Beschädigt wurde der goldfarbene Rahmen des Kunstwerks in der Londoner National Gallery. Die Rede ist von 10.000 Pfund Schaden, umgerechnet etwa 12.000 Euro.
Die beiden Frauen plädierten auf nicht schuldig, doch Richter Christopher Hehir sah das völlig anders. Der „Kulturschatz“ sei in Gefahr gewesen, sagte er. Suppe hätte durch das Glas triefen und das Gemälde schwer beschädigt werden können. „Sie hatten kein Recht, das mit „Sonnenblumen“ zu machen.“
Mildere Strafen in Deutschland
Auch in Deutschland wurden Kunstwerke zum Ziel. In Dresden klebten sich im August 2022 eine junge Frau und ein junger Mann am Rahmen des berühmten Altargemäldes „Sixtinische Madonna“ in der Gemäldegalerie Alte Meister Dresden fest. Kürzlich stimmten sie überraschend zu, 5.550 Euro Schadenersatz zu zahlen. Die fast doppelt so hohe Forderung des Freistaats fand ein Zivilrichter zu hoch. Haftstrafen gibt es nicht. Mehrere deutsche Museen kooperierten 2023 sogar mit der Gruppe Letzte Generation: Aktivisten, Mitarbeiter und Besucher verlasen Texte, die im Zusammenhang mit dem Klimawandel stehen.
Davon ist in Großbritannien keine Rede. Der Zeitung „Guardian“ zufolge hatten sich zwar zuletzt mehr als 100 Künstler, Kuratoren und Kunsthistoriker dafür ausgesprochen, den Aktivistinnen eine Gefängnisstrafe zu ersparen. Doch der Richter entschied anders.
Es war derselbe, der vor gut zwei Monaten mehrere Menschen, darunter Extinction-Rebellion-Mitgründer Roger Hallam, zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilte, weil sie einen Protest an einer Autobahn organisiert hatten. Am selben Tag wie Plummer und Holland wurden auch zwei weitere Aktivisten verurteilt, sie erhielten Gerichtsauflagen wie 100 Stunden unbezahlte Arbeit. Die Urteilsbegründung laut Just Stop Oil: Sie waren 20 Minuten lang eine Straße entlanggelaufen.
Demonstrationsrecht eingeschränkt
Unter dem verschärften Public Order Act, wie das britische Gesetz genannt wird, steht es der Polizei frei, langsam bewegende Demonstrationszüge zu untersagen. Mit den Strafen halten sich die Gerichte exakt an die Vorgaben der früheren konservativen Regierung, die das Demonstrationsrecht wiederholt eingeschränkt hatte.
Das bestätigte etwa ein Gericht, das im Juli 2023 den Einspruch von zwei Umweltaktivisten, darunter ein Deutscher, gegen ihre Haftstrafen wegen eines gewaltlosen Klimaprotests abwies. Das Urteil sei im Sinne des Gesetzgebers, Demonstranten abzuschrecken, hieß es damals zur Begründung.
Gesetze zielen explizit auf Protestformen von Klimaschützern
Dabei hatte die damalige Regierung nach Einschätzung von Kommentatoren explizit Protestformen von Klimaaktivisten im Visier wie Festketten oder Festkleben an Objekten und anderen Menschen. Oft genug hatten konservative Spitzenpolitiker wie der im Juli abgewählte Premierminister Rishi Sunak sich beschwert, dass bei Aktionen von Extinction Rebellion oder Just Stop Oil der Verkehr großflächig lahmgelegt wurde. Hart arbeitende Menschen würden in ihrem Alltag belästigt, schimpfte Sunak wiederholt.
Aktivisten entgegnen, genau dies sei ja der Sinn ihrer Proteste. Sie wollten wachrütteln und darauf hinweisen, dass der Klimawandel und nicht gewaltlose Demonstrationen der gemeinsame Feind sein müssten. Wissenschaftliche Fakten würden als Ideologie und persönliche Meinung abgetan, während man die Klimakrise als größte Bedrohung für das Leben als irrelevant erachte, sagte Phoebe Plummer vor Gericht.