Parlament: Happy End nach dem Chaos? Thüringer Landtagsspitze gewählt

Thüringens Landtagskrise scheint vorerst beendet. Nach einem Spruch der Verfassungsrichter hielt sich der AfD-Alterspräsident, der das Parlament vor zwei Tagen noch aufgemischt hatte, an die Regeln.

„Debakel“, „Machtergreifung“, „Putschversuch“ – nach einer chaotischen Landtagssitzung und einem Machtwort der Verfassungsrichter ging es nun ganz schnell: Der zweite Anlauf des Thüringer Parlaments nach der Krisensitzung am Donnerstag endete mit einem fast kompletten Landtagspräsidium und einem neuen Präsidenten, der Überparteilichkeit versprach. 

Der CDU-Politiker Thadäus König steht nun an der Spitze des Verfassungsorgans, nachdem die AfD in einem turbulenten ersten Sitzungsteil vor zwei Tagen versucht hatte, ihren Anspruch als stärkste Fraktion auf das Amt durchzudrücken. Der Verfassungsgerichtshof in Weimar zeigte ihr und ihrem Alterspräsidenten Jürgen Treutler ein Stopp-Schild. Experten nannten die Vorgänge in Erfurt beispiellos in der deutschen Parlamentsgeschichte, manche erinnerte das Theater an Vorgänge in der Weimarer Republik.

König will unparteiisch agieren

„Sie können sicher sein, dass ich im Einklang mit der Verfassung und der Geschäftsordnung die Würde und die Rechte des Landtags wahren, seine Arbeit fördern, Verhandlungen gerecht und unparteiisch leiten und die Ordnung im Hause wahren werde“, sagte König in seiner ersten Rede als Landtagspräsident. Der Satz wirkte dabei wie eine Kontrastfolie zum Agieren des Alterspräsidenten, der die erste Sitzung bis zur Wahl Königs leitete. 

Der 73 Jahre alte Treutler hatte im ersten Teil der Sitzung Abgeordneten das Wort entzogen, Abstimmungen nicht zugelassen und eine von vielen Abgeordneten als parteiisch kritisierte Rede gehalten. Der Fall landete auf CDU-Antrag vor dem Verfassungsgerichtshof des Freistaates, der Treutler klare Grenzen setzte. 

Verfassungsrichter widersprechen AfD-Rechtsauffassung

„Der Landtag ist bereits in der Phase der Konstituierung beschlussfähig“, entschieden die Weimarer Verfassungsrichter und damit klar gegen die Rechtsauffassung der AfD-Fraktion. Sie machten zudem klar, dass es nach der Verfassung weder ein ausschließliches Vorschlagsrecht einer einzelnen Fraktion noch ein Recht auf Wahl einer bestimmten Kandidatin oder eines Kandidaten gebe. Auch zum Vorschlagsrecht bei der Landtagspräsidentenwahl äußerten sich die Verfassungsrichter: „Die beabsichtigte Regelung, die vorsieht, dass sämtliche Fraktionen – und nicht allein die stärkste Fraktion – bereits für den 1. Wahlgang Wahlvorschläge für die Wahl des Landtagspräsidenten unterbreiten dürfen, verletzt Verfassungsrecht nicht.“ 

Zur Sitzungsleitung von Treutler notieren die höchsten Richter des Freistaates, dieser sei nicht berechtigt gewesen, die Feststellung der Beschlussfähigkeit und die Abstimmung über die Tagesordnung zu verweigern. Verfassungsrechtler hatten Treutlers Agieren schon am Donnerstag als Verfassungsbruch und rechtswidrig bewertet. Treutler kündigte am Anfang der Sitzung am Samstag an, sich an den Beschluss aus Weimar zu halten. 

AfD bezweifelt Unabhängigkeit der Verfassungsrichter

Thüringens AfD-Chef Stefan Möller bezeichnete die Entscheidung der Verfassungsrichter als enttäuschend. „Ich gebe zu, ich habe auch mittlerweile erhebliche Zweifel an der politischen Neutralität und Unbefangenheit von einigen Richtern“, sagte Möller, der selbst Jurist ist. Die Justiz in Deutschland ist unabhängig. AfD-Partei- und Fraktionschef Björn Höcke sagte am Rande der Landtagssitzung, die AfD als Gewinner der Landtagswahl in Thüringen sei durch einen „Taschenspielertrick“ das Landtagspräsidentenamt genommen worden. 

Thüringens CDU-Chef Mario Voigt bezeichnete den zweiten Anlauf nach der abgebrochenen Landtagssitzung am Donnerstag dagegen als „ersten Tag für bessere Zeiten“ – auch für Thüringens Ansehen. Er sehe eine Einsicht bei der AfD, „dass sie überzogen hat, eine Einsicht in Notwendigkeiten“, sagte er zum Verlauf der Sitzung.

Landtagsspitze fast komplett

Die AfD in Thüringen wird vom Landesverfassungsschutz als erwiesen rechtsextremistisch eingestuft und beobachtet. Sie hatte die aus Nordrhein-Westfalen stammende Abgeordnete Wiebke Muhsal als Kandidatin für den Landtagspräsidentenposten aufgestellt. Die Fraktionen von CDU, BSW, Linke und SPD empfanden die Personalie als Provokation. Muhsal war vor Jahren wegen Betrugs zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Gerichte sahen es als erwiesen an, dass sie einen Arbeitsvertrag mit einer Mitarbeiterin im Jahr 2014 um zwei Monate vordatierte, um zusätzliches Geld von der Landtagsverwaltung zu erhalten. Sie fiel bei der Wahl durch und erreichte auch nicht die Mehrheit als Kandidatin für den Posten der Vize-Landtagspräsidentin. 

Voigt und andere bekräftigten jedoch, auch der AfD stehe ein Vize-Präsidentenamt zu. „Das Angebot steht.“ Ob und wann die AfD, die erstmals in einem deutschen Landesparlament die stärkste Fraktion stellt, davon Gebrauch macht, blieb zunächst offen. 

Zu Vizepräsidenten des Parlaments wurden für die Wagenknecht-Partei BSW der frühere MDR-Moderator Steffen Quasebarth, für die Linke die Psychologin Lena Saniye Güngör  und für die SPD die Ärztin Cornelia Urban gewählt.