Kriminalität: Nach Schüssen im Phoenix-Viertel – lange Haft für Brüder

Es ist vermutlich eine Abrechnung im Streit um illegale Geschäfte: Schüsse fallen, zwei Männer werden verletzt. Die Täter müssen nun für lange Zeit in Haft.

Ein Jahr nach Schüssen auf zwei Männer im Harburger Phoenix-Viertel hat das Landgericht Hamburg zwei Angeklagte im Alter von 28 und 33 Jahren zu langen Haftstrafen verurteilt. Der ältere der beiden Brüder muss acht Jahre und vier Monate absitzen. Er wurde wegen versuchten Totschlags, gefährlicher Körperverletzung und Verstoßes gegen das Waffengesetz schuldig gesprochen. Der jüngere Bruder bekam wegen versuchten Totschlags sowie gefährlicher und einfacher Körperverletzung sieben Jahre und einen Monat Gefängnis. 

Erschreckende Brutalität

Nach Überzeugung der Strafkammer attackierten die Angeklagten am Abend des 26. Oktober 2023 im Hinterhof eines Wohnhauses und an einem Kiosk einen zur Tatzeit 28-Jährigen und einen 29-Jährigen. Der ältere Angeklagte verletzte beide jeweils durch einen Schuss in den Oberschenkel. Der Jüngere schlug und trat viele Male auf den Kopf der Opfer ein. „Es ist erschreckend, mit welcher Brutalität Sie da vorgehen“, sagte die Vorsitzende Richterin Nora Karsten unter Bezug auf Videoaufnahmen vom Tatgeschehen. 

Motiv nicht geklärt

Den Hintergrund der Tat konnte das Gericht nicht aufklären. Möglicherweise sei es um illegale Geschäfte der beteiligten türkischen Familien gegangen. „Die Frage, die hier nicht beantwortet wurde: Warum wurde diese Tat verübt?“, sagte Karsten. Wahrscheinlich hätten sich die Angeklagten die Sache ihrer Familie zu eigen gemacht und sich zum Handeln berufen gefühlt. 

In schriftlichen Erklärungen hätten die Angeklagten eingeräumt, am Tatort gewesen zu sein. Eingeräumt hätten sie nur die Tat am Kiosk, nicht die im Hinterhof. Nachfragen hatten sie nicht zugelassen. Einem Anrufer habe der ältere Bruder gesagt, er habe auf beide Opfer geschossen. Von den Taten lagen der Kammer Videoaufnahmen vor. Eine Nachbarin hatte die Tat im Hinterhof gefilmt, drei Überwachungskameras erfassten das Geschehen am Kiosk. 

Schuss ins Bein und potenziell tödliche Schläge

Dort hatte zunächst ein Unbekannter den 29-Jährigen so heftig gegen den Oberschenkel geschlagen, dass er eine doppelte Knochenfraktur erlitt. Der 28-Jährige wollte ihm zu Hilfe kommen, wurde jedoch von einem Mann festgehalten. Der ältere Angeklagte habe dann aus nur einem Meter Entfernung von hinten auf dessen Oberschenkel geschossen. Der jüngere Angeklagte habe den 28-Jährigen zweimal getreten, als dieser schon bewusstlos auf dem Boden lag.

Unterdessen habe der 29-Jährige wegen seines gebrochenen Oberschenkels einen Mitarbeiter des Kiosks gebeten, einen Krankenwagen zu rufen. Doch bevor die Retter eintrafen, attackierten die Angeklagten ihn. Der Ältere habe auch diesem Mann aus kurzer Entfernung ins Bein geschossen. Der Jüngere verpasste dem auf dem Boden liegenden Opfer 18 Faustschläge gegen den Kopf und trat fünfmal kraftvoll auf ihn ein. Dabei hätte der Mann sterben können, sagte die Richterin.

Festnahme durch Spezialeinheit

Die Täter flüchteten vom Tatort. Sechs Wochen später hatte eine Spezialeinheit der Polizei die Brüder im benachbarten Stadtteil Heimfeld festgenommen. Dabei stellten die Beamten Bargeld, Drogen und ein teures Auto sicher, wie die Polizei anschließend mitteilte. 

Während der Urteilsbegründung sprangen nacheinander zwei Männer im Zuschauerraum auf, beschimpften die Kammer laut und verließen den Saal, wobei einer kräftig die Tür zuschlug. Eine Frau im Zuschauerraum – vermutlich die Mutter der Angeklagten – warf ihnen Handküsse zu und weinte.

Die Staatsanwaltschaft hatte beantragt, den älteren Bruder zu neun Jahren und sechs Monaten Haft zu verurteilen. Für den jüngeren Bruder hielt die Staatsanwaltschaft sieben Jahre und neun Monate Gefängnis für angemessen. Die Verteidigung forderte überwiegend Freispruch und eine Bewährungsstrafe für die beiden Angeklagten. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.