Lindner sieht nach Steuerschätzung keine Spielräume für „neue Ausgabenwünsche“

Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) sieht nach der Steuerschätzung keine Spielräume für „neue Ausgabenwünsche“. Die Bundesregierung müsse vielmehr ihren Konsolidierungskurs fortsetzen, anstatt „Verteilungspolitik“ zu betreiben, sagte er am Donnerstag. Mit Blick auf die nun anstehenden Schlussberatungen über den Haushalt 2025 sieht Lindner noch ein Finanzloch in einstelliger Milliardenhöhe. 

Durch Sonderfaktoren geht die Herbst-Steuerschätzung nun zwar davon aus, dass die Steuereinnahmen des Bundes im kommenden Jahr rund 700 Millionen Euro höher liegen, als bei der letzten Prognose im Mai erwartet. Für Bund, Länder und Gemeinden insgesamt gibt es aber für 2025 einen Rückgang der erwarteten Steuereinnahmen um 12,7 Milliarden Euro. Auch für die kommenden Jahre wurde die bisherige Schätzung der Steuereinnahmen in ähnlicher Größenordnung gesenkt.

Lindner fordert daher weiter Haushaltsdisziplin. Er bekräftigte seine Forderung nach Einsparungen bei Sozialausgaben und insbesondere beim Bürgergeld. Dieses bleibe nach bisherigen Planungen 2025 stabil, „obwohl eigentlich eine Negativrunde im nächsten Jahr aufgrund der geringeren Inflation angezeigt wäre“, sagte Lindner.

Die „Ampel“ sei nun in dem von ihm geforderten „Herbst der Entscheidungen“ angekommen, sagte der Finanzminister, der sich per Video-Übertragung während seines USA-Besuchs äußerte. Lindner machte auch klar, dass die nun nicht benötigten Milliarden für den Bau einer Chip-Fabrik des US-Herstellers Intel in Magdeburg für die Konsolidierung des Haushalts verwendet werden müssten. 

SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich appellierte an Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), sich im Haushaltsstreit gegen die FDP durchzusetzen. „Olaf Scholz muss diese Fragen weiterhin und noch deutlicher zur Chefsache machen“, sagte Mützenich der „Süddeutschen Zeitung“ mit Blick auf Investitionen zur Ankurbelung der Wirtschaft. Er forderte erneut, dafür auch die Schuldenbremse zu lockern. Lindner betonte aber, dass er die Schuldenbremse nicht infrage stellen werde.

Grund für die leicht höhere Schätzung für die Steuereinnahmen des Bundes 2025 sind laut Bundesfinanzministerium Änderungen in den Finanzabführungen an die EU. Hier fallen nun 7,4 Milliarden Euro weniger an als noch in der Mai-Steuerschätzung erwartet. Berücksichtigt ist in der Schätzung zudem bereits die Wachstumsinitiative der Bundesregierung.

Zu deren rascher Umsetzung mahnte Vizekanzler Robert Habeck (Grüne). Er betonte aber auch, dass für eine „deutliche Trendumkehr“ zudem „weitere kraftvolle Anstrengungen notwendig“ seien, damit die Wirtschaft wieder wachsen könne. In dieser Woche hatte Habeck einen milliardenschweren „Deutschlandfonds“ vorgeschlagen, von der etwa Handwerksbetriebe und mittelständische Firmen profitieren sollen. Lindner kritisierte diesen Vorstoß bereits.

Wegen der schlechten Wirtschaftslage mit einer erneut erwarteten Rezession in diesem Jahr gibt es mehr Spielraum bei der Kreditaufnahme. Lindner bestätigte, dass diese nun um 5,4 Milliarden Euro höher ausfallen könne, ohne dass dies gegen die Schuldenbremse verstößt.

Mit der Steuerschätzung gehen die ohnehin schon schwierigen Verhandlungen über den Bundeshaushalt 2025 in die Endphase. Lindner hielt an dem Zeitplan fest, diesen Ende November im Bundestag zu beschließen. Allerdings sieht der Finanzminister noch „Handlungsbedarf“ in Höhe eines „einstelligen Milliarden-Euro-Betrags“, die zur Finanzierung des Budgets gefunden werden müssten. Eine konkrete Zahl wollte er nicht nennen, der Betrag liege aber „näher bei zehn als bei eins“. 

Auch Fraktionsvertreter von SPD und Grünen waren hinsichtlich der Einhaltung des Zeitplans zuversichtlich. Die Union sieht das anders: „Die Haushaltsprobleme sind weiterhin ungelöst“, sagte der haushaltspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Christian Haase, der Nachrichtenagentur AFP.

Sowohl der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) als auch der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) halten die Steuerschätzung für eine Warnung an die Bundesregierung. Der Wirtschaftsverband pochte auf „wachstumsfördernde Programme“ wie Bürokratieabbau und Steuersenkungen für Unternehmen, während die Gewerkschafter ein Aussetzen und perspektivisch eine Reform der Schuldenbremse forderten, um staatliche Investitionen zu ermöglichen.