Vom Kontaktverbot bis zur Impfpflicht – die Corona-Pandemie hat Einschnitte im Leben aller Menschen gebracht. Was lässt sich für die Zukunft lernen? Ein Blick in die Arbeit von Experten.
Sie soll die Corona-Maßnahmen überprüfen und Empfehlungen für die Zukunft erarbeiten: Zweieinhalb Monate nach ihrem Start steckt Sachsen-Anhalts Expertenkommission „Pandemievorsorge“ mitten in der Arbeit. „Wir arbeiten in vier Arbeitsgruppen“, sagte der Vorsitzende, Winfried Kluth, der Deutschen Presse-Agentur. Eine Gruppe nehme sich die Daten vor, beispielsweise zu den Infektionsverläufen. Eine andere mit dem Fokus Recht werte die damals erlassene Gesetzgebung und Gerichtsurteile aus und bewerte die Reaktionen darauf. Viele Urteile seien in der Rechtswissenschaft kritisch kommentiert worden, so Kluth, der selbst Jurist ist und 14 Jahre lang am Landesverfassungsgericht arbeitete.
Eine dritte Gruppe widme sich der Krisenkommunikation. Sie analysiere, was Regierung und Landkreise der Öffentlichkeit mitgeteilt hätten und wie das aufgenommen worden sei. „Da werden sehr viele Interviews geführt, mit den Pressesprechern der Ministerien, der Landkreise und kreisfreien Städte, aber auch mit den Adressaten, also Vertretern verschiedener gesellschaftlicher Gruppen“, sagte Kluth.
Vergleich der Strategien: Halle und Burgenlandkreis
Die vierte Arbeitsgruppe befasse sich mit den Corona-Maßnahmen und ihren Wirkungen. Verschiedene Bereiche würden betrachtet von Vereinen über Kirchen, Pflegeeinrichtungen, Krankenhäuser bis zu Schulen und Kitas. Die Kommission arbeite auch mit Vergleichen anhand von Halle als kreisfreier Stadt und dem Burgenlandkreis, um unterschiedliche Strategien und Verläufe zu betrachten. „Halle ist sehr früh und sehr streng unterwegs gewesen.“ Der Burgenlandkreis habe eine ländliche Struktur und andere Strategien angewendet. „Die Zeit, die wir haben, wir machen das ja neben unseren hauptberuflichen Tätigkeiten, die lässt mehr als eine solche exemplarische Betrachtung nicht zu“, sagte Kluth.
Zusätzliche Expertenmeinungen gefragt
„Um unsere Expertise zu erweitern, haben wir schon weitere Expertinnen und Experten eingeladen für Interviews“, sagte der Kommissionschef. Dazu gehöre das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle, das die Wirtschaftsentwicklung beobachtet habe. Die Universitätsklinika würden einbezogen, Schulpsychologen und auch Vertreter von Verbänden und Unternehmen. „Wir nutzen also auch da weiter externe Quellen und versuchen, auf diese Weise möglichst viel auch von schon vorhandenen Reflexionen und auch Bewertungen in unserer Arbeit aufzunehmen“, erklärte Kluth.
„Wir müssen jetzt durch diese ganzen Berge an Informationen, an Daten. Wir versuchen auch immer wieder, das zu diskutieren.“ Einmal im Monat gebe es eine Sitzung in der großen Runde und zwischendurch tagten die Arbeitsgruppen oder mehrere Arbeitsgruppen, die sich austauschten. „Es ist immer recht lebhaft“, so Kluth, und ergänzt: „Es ist zum Glück so, dass wir bis jetzt keine Fundamentalkonflikte hatten.“
„Wir verurteilen niemanden“
Kluth betonte, es gehe um die Pandemievorsorge, welche sinnvollen Maßnahmen für künftige Pandemien ergriffen werden können. „Wir verurteilen niemanden. Wir sind auch kein Gericht. Da sagt keiner, das war rechtmäßig oder rechtswidrig, sondern da knüpfen wir an die Gerichtsentscheidungen an. Sondern wir sollen kluge Vorschläge für zukünftige Herausforderungen erarbeiten. Das ist unser Auftrag.“ Die Vorschläge sollen der Landespolitik auch für die Planung von Investitionen und Projekten dienen.
Bis Ende des Jahres sei das Ziel, einen Zwischenbericht vorzulegen mit einer Bestandsaufnahme und ersten Überlegungen zu den Empfehlungen, so Kommissionschef Kluth. „Es ist geplant, dass wir dann im ersten Quartal 2025 noch Zeit haben, unsere Empfehlungen dann auszuformulieren.“
Keine Beobachter, keine Vorgaben für Vorschläge
An der Unabhängigkeit der Expertenkommission hatte unter anderem die AfD immer wieder gezweifelt und wollte lieber einen Untersuchungsausschuss im Landtag einrichten. Kluth hingegen betonte die Unabhängigkeit der Expertenkommission, in der Fachleute unter anderem aus Wissenschaft, Medizin, Wirtschaft, Bildung, Medien, Sport und Politik sitzen. Aufgrund der Zusammensetzung habe die Kommission unterschiedliche Perspektiven. Und es gebe keinerlei Beobachter. „Wir können in unseren Sitzungen ganz unabhängig arbeiten. Das sieht man ja auch daran: Wir haben da keinerlei Vorgaben, in welche Richtung unsere Vorschläge gehen sollten.“
Was war für den jetzigen Kommissionschef persönlich rückblickend auf die Pandemie besonders eindrücklich? Das seien die am Anfang nicht absehbaren Gesundheitsgefährdungen gewesen. „Wir hatten auch in der Familie Risikopersonen. Das ist ja etwas, was dazu führt, dass der Alltag, die Unbekümmertheit weggefallen ist.“ Zudem ist Kluth Vater schulpflichtiger Kinder. Das sei für viele eine große Herausforderung gewesen, vor allem für jene, deren Kinder allein zu Hause gewesen seien, oder für Familien ohne Garten. Das gebe ihm nach wie vor zu denken und habe auch manche Einstellung verändert.
Regierungskommission „Pandemievorsorge“