Empörung in Wolfsburg: VW streicht mindestens drei Werke und zehntausende Jobs. Die Gewerkschaft IG Metall sieht die Pläne als „in keiner Weise hinnehmbar“.
Der Streit um milliardenschwere Einsparungen bei Volkswagen eskaliert. VW-Betriebsratschefin Daniela Cavallo drohte bei einer Informationsveranstaltung in Wolfsburg vor Hunderten Mitarbeitern mit dem Abbruch der Gespräche und warf dem VW-Management vor, die Standorte in Deutschland auszuhungern. „Der Vorstand steht gegen uns“, sagte sie. Er habe nicht nur Verträge aufgekündigt, sondern alles, wofür die Kultur bei Volkswagen stehe. „Und er spielt somit massiv mit dem Risiko, dass hier bald alles eskaliert. Und damit meine ich, dass wir die Gespräche abbrechen und machen, was eine Belegschaft machen muss, wenn sie um ihre Existenz fürchtet.“
Auch die IG Metall verschärfte den Ton. „Diese Rabiat-Pläne des Vorstandes sind in keiner Weise hinnehmbar und ein Bruch mit allem, was wir in den letzten Jahrzehnten im Unternehmen erlebt haben“, sagte IG Metall-Verhandlungsführer Thorsten Gröger. Die Gewerkschaft erwarte, dass statt Kahlschlag-Fantasien von VW am Verhandlungstisch tragfähige Zukunftskonzepte präsentiert würden. „Sollte VW am Mittwoch seinen dystopischen Weg bestätigen, muss der Vorstand mit den entsprechenden Konsequenzen unsererseits rechnen.“ Beide Seiten kommen am Mittwoch zur zweiten Runde der laufenden Tarifverhandlungen zusammen.
„Können nicht so weitermachen“
Das Unternehmen erklärte, der Vorstand habe Lösungswege aufgezeigt, die das Unternehmen finanziell robust für die Zukunft aufstellen und damit letztlich Arbeitsplätze sichern sollen. Angesichts des geschrumpften Marktes könne man Werksschließungen ohne aktives Gegensteuern nicht mehr ausschließen. VW-Markenvorstand Thomas Schäfer sagte, die Kosten der deutschen Werke seien um ein Viertel bis die Hälfte höher als das, was sich das Unternehmen vorgenommen habe. „So wie bisher können wir nicht weitermachen. Wir müssen zügig eine gemeinsame und tragfähige Lösung für die Zukunft unseres Unternehmens finden.“ Volkswagen werde am Mittwoch konkrete Vorschläge zur Senkung der Arbeitskosten machen.
Einig sind sich beide Seiten darin, dass Volkswagen derzeit in Schwierigkeiten steckt. Das Unternehmen verweist auf den geschrumpften europäischen Markt, auf dem derzeit zwei Millionen Autos jährlich fehlten – davon entfielen auf VW ungefähr 500.000. Die Rendite liegt weit unter der Zielmarke von 6,5 Prozent.
„Wir haben heftige Probleme. Dem müssen wir bei Volkswagen begegnen“, sagte auch Cavallo. Management und Arbeitnehmer liegen ihr zufolge nicht bei der Analyse der Probleme auseinander, aber meilenweit bei der Antwort. „Und diese Probleme sind auch ein Thema für die Politik“, sagte sie. „Auch die muss mal endlich aufwachen.“ Es reiche nicht, zu sagen, man stehe auf der Seite der Belegschaft. „Wir brauchen einen umfassenden Plan aus der Politik, wie die Elektromobilität endlich zum Fliegen kommt. Und ich sage: Wir brauchen darüber hinaus auch einen Masterplan für den Industriestandort Deutschland.“
Bundeskanzler Olaf Scholz stellte sich bereits auf die Seite der Belegschaft. Es sei Auffassung des Kanzlers, „dass mögliche falsche Managemententscheidungen aus der Vergangenheit nicht zulasten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gehen dürfen“, sagte ein Regierungssprecher. Es gehe darum, „Arbeitsplätze zu erhalten und zu sichern“.
Betriebsrat: VW will mindestens drei Werke schließen 11.37
Dauerhaft zehn Prozent weniger Lohn bei VW
Laut Betriebsrat will Volkswagen mindestens drei Werke in Deutschland schließen, Zehntausende Arbeitsplätze seien in Gefahr. Die verbliebenen Standorte sollten geschrumpft werden, indem Produkte, Stückzahlen, Schichten und ganze Montagelinien herausgenommen würden. Die verbleibenden Mitarbeiter müssten sich überdies auf deutliche Gehaltseinbußen einstellen: Das VW-Management soll dauerhaft zehn Prozent weniger Monatsentgelt fordern, zwei Nullrunden in den Jahren 2025 und 2026 sowie das Aus von Zulagen und Boni.
Betriebsratchefin Cavallo sprach von einem Aushungern. „Das ist der Plan des größten deutschen Industriekonzerns, in seiner Heimat Deutschland den Ausverkauf zu starten. Es ist das feste Vorhaben, die Standortregionen ausbluten zu lassen. Und es ist die klare Absicht, Zehntausende Volkswagen-Beschäftigte in die Massenarbeitslosigkeit zu schicken.“
Die Betriebsratschefin verwies insbesondere auf das Werk in Osnabrück, aus dem Porsche zuletzt den Auftrag für den elektrischen 718er abgezogen hatte. „Der Vorstand hält sich nicht an Absprachen, selbst an die aus der Planungsrunde nicht, deren Wert hier im Konzern nicht höher hängen kann“, kritisierte sie. In Osnabrück werden derzeit Aufträge für die Sportwagenmodelle 718 Cayman und Boxster abgearbeitet, die über die Produktionskapazitäten im Porsche-Hauptwerk Stuttgart Zuffenhausen hinausgehen. Die Modelle sowie das VW-Fahrzeug T-Roc Cabrio laufen bis Frühjahr 2026 aus – ab dann hat das Werk in Osnabrück keine Aufträge mehr.
Dieser Artikel erschien zuerst bei ntv.de