Gesundheit: Abgeordnetengruppe für neue Organspende-Regeln

Ganz allgemein finden es viele richtig, nach dem Tod Organe zur Verfügung zu stellen. Nur halten sie ihren Willen dann oft nicht fest, und Wartelisten für Organe sind lang. Jetzt gibt es Bewegung.

Im Ringen um mehr Organspenden in Deutschland kommt ein neuer Anlauf für eine Reform der Spenderegeln im Bundestag in Gang. Eine Gruppe von Abgeordneten stellte eine fraktionsübergreifende Initiative vor, die auf die gesetzliche Einführung einer Widerspruchsregelung zielt.

Das heißt, dass zunächst alle als Spender gelten sollen – es sei denn, man widerspricht. Derzeit sind Organentnahmen nur mit ausdrücklicher Zustimmung erlaubt. Ein erster Anlauf für eine Widerspruchslösung war 2020 im Bundestag gescheitert.

Die SPD-Abgeordnete Sabine Dittmar sagte: „Wir sind schlicht und ergreifend nicht zufrieden mit den Zahlen, die uns vorliegen.“ Seit Jahren stagnierten Organspenden auf einem wirklich niedrigen Niveau. „Täglich versterben uns drei Menschen auf der Warteliste.“ Künftig solle jeder Volljährige und Einwilligungsfähige als Spender in Frage kommen, wenn er eingewilligt oder nicht widersprochen hat. Die Angehörigen seien noch Boten und Übermittler. Der Grünen-Abgeordnete Armin Grau sagte, ihnen werde die Last genommen, den mutmaßlichen Willen Verstorbener zu interpretieren.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) begrüßte den Antrag, den er als Abgeordneter daher mit unterzeichnet habe. „Wir müssen uns ehrlich machen: Ohne dass wir allen zumuten, sich mit diesem Thema auseinanderzusetzen, werden die Organspendezahlen nicht signifikant steigen.“ Wer das „Sterben auf der Warteliste“ beenden wolle, sollte die Bundestagsinitiative unterstützen.

Die Gruppe strebt eine Entscheidung über die Initiative im Bundestag noch in dieser Wahlperiode möglichst bis zum Frühjahr 2025 an, wie die CDU-Abgeordnete Gitta Connemann sagte. Zu erwarten sei, dass es auch noch einen anderen Antrag geben dürfte. Vorgesehen sind dann eine offene Debatte im Bundestag und Expertenanhörungen.

Kritik schon vor Präsentation der neuen Pläne

Zu einem neuen Anlauf für eine Widerspruchslösung wurden auch schon Einwände laut. Die FDP-Rechtspolitikerin Katrin Helling-Plahr sagte der Deutschen Presse-Agentur, dies wäre ein massiver Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht jedes Einzelnen. „Anstatt auf staatliche Bevormundung zu setzen, sollten wir die selbstbestimmte Entscheidung über eine Spende verbindlicher gestalten. Darüber, wie eine verbindliche oder verpflichtende Entscheidungslösung ausgestaltet werden kann, werden wir im Deutschen Bundestag diskutieren.“

Der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, sagte der „Augsburger Allgemeinen“: „Wer schweigt, stimmt nicht automatisch zu.“ Grundsätzlich sei jeder medizinische Eingriff ohne Zustimmung des Betroffenen eine Körperverletzung.

„Wir haben eine katastrophale Situation“

NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) spricht sich für eine Änderung der Organspende-Regeln aus. „In Deutschland haben vielleicht 40 Prozent der Menschen einen Organspendeausweis. Umfragen sagen: 80 Prozent sind für Organspende“, sagte Laumann im ZDF-„Morgenmagazin“. „Wir haben eine katastrophale Situation auf den Wartelisten. Viele Menschen sterben, bevor sie ein Organ bekommen.“

Der CDU-Politiker hält es für zumutbar, dass Menschen sich zu Lebzeiten mit der Frage einer Organspende auseinandersetzen und darüber entscheiden. „Die Entscheidung des einzelnen Menschen ist immer moralisch in Ordnung – egal, ob er sich für oder gegen eine Organspende entscheidet. Ich bin sicher, dann kommen wir zu einer viel positiveren Einstellung zu diesem Thema.“

In den Vorzeigeländern Europas mit deutlich mehr Organspendern hätten erst organisatorische und strukturelle Maßnahmen zu steigenden Zahlen geführt. „Deshalb braucht es jetzt finanzielle Anreize für Krankenhäuser, ein effizientes Transplantations-Netzwerk, Bildungsprogramme und die Schulung von Koordinatoren im Umgang mit Angehörigen“, so der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz.

Erster Anlauf vor vier Jahren gescheitert

Für eine Widerspruchslösung ist auch Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD). Als Abgeordneter hatte er sich wie der damalige Minister Jens Spahn (CDU) bei der Bundestags-Abstimmung 2020 dafür starkgemacht.

Damals beschlossen wurde aber ein Gesetz, das das Zustimmungsprinzip bestätigte. Es sieht mehr Information und eine leichtere Dokumentation von Erklärungen zur Spendebereitschaft vor.

Ein zentrales Online-Register als Kern-Element des Gesetzes startete aber erst mit zwei Jahren Verspätung im März 2024. Grund für Verzögerungen war auch die Corona-Krise. Ins Register eingetragen wurden bisher rund 130.000 Erklärungen, wie das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte als Betreiber auf Anfrage mitteilte.

Auf www.organspende-register.de können Nutzer ab dem Alter von 16 Jahren dokumentieren, ob sie zu einer Organspende nach dem Tod bereit sind oder nicht. Eintragen kann man sich zunächst, indem man einen Ausweis mit Online-Funktion verwendet. Die Angaben sind freiwillig, kostenlos und jederzeit änderbar.

Kliniken, die Organe entnehmen, sollen vom 1. Juli an gespeicherte Erklärungen auf dem Register suchen und abrufen können. Erklärungen auf Papier, beispielsweise in Organspendeausweisen, sind daneben weiterhin möglich.