Viele Menschen sind für die Organspende. Umfragen zufolge würden sie ihre Organe nach dem Tod zur Verfügung stellen. Nur halten sie ihren Willen oft nicht fest, und Wartelisten für Organe sind lang. Gibt es jetzt Bewegung?
Im Ringen um mehr lebensrettende Organspenden kommt ein neuer Anlauf für eine Reform der Spenderegeln im Bundestag. Eine Gruppe von Abgeordneten will am Montagmorgen in Berlin eine fraktionsübergreifende Initiative vorstellen. Dabei geht es um die „Einführung einer Widerspruchsregelung“.
Was ist die „Widerspruchsregelung“?
Alle Menschen sollen als Spender gelten – außer, man widerspricht.
Welche Regeln gelten in Deutschland derzeit bei einer Organspende?
Im Moment sind Organentnahmen nur mit ausdrücklicher Zustimmung erlaubt. Ein erster Anlauf für eine Widerspruchslösung war 2020 im Bundestag gescheitert.
Von wem kommt die Initiative?
Die neue Initiative vorstellen wollen die Abgeordneten Sabine Dittmar (SPD), Gitta Connemann (CDU), Armin Grau (Grüne), Christoph Hoffmann (FDP), Peter Aumer (CSU) und Petra Sitte (Linke). Kürzlich hatte bereits Nordrhein-Westfalen mit mehreren weiteren Ländern einen Vorstoß in diese Richtung unternommen, über den derzeit im Bundesrat beraten wird. Die Gruppe strebt eine Entscheidung über die Initiative im Bundestag noch in dieser Wahlperiode möglichst bis zum Frühjahr 2025 an, wie die CDU-Abgeordnete Connemann sagte.
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Wie werden die neuen Pläne diskutiert?
NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) hatte sich dafür ausgesprochen. „In Deutschland haben vielleicht 40 Prozent der Menschen einen Organspendeausweis. Umfragen sagen: 80 Prozent sind für Organspende“, sagte Laumann im ZDF-„Morgenmagazin“. „Wir haben eine katastrophale Situation auf den Wartelisten. Viele Menschen sterben, bevor sie ein Organ bekommen.“
Die FDP-Rechtspolitikerin Katrin Helling-Plahr sagte der Deutschen Presse-Agentur dagegen, sie halte eine Widerspruchslösung für einen massiven Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht jedes Einzelnen. „Anstatt auf staatliche Bevormundung zu setzen, sollten wir die selbstbestimmte Entscheidung über eine Spende verbindlicher gestalten. Darüber, wie eine verbindliche oder verpflichtende Entscheidungslösung ausgestaltet werden kann, werden wir im Deutschen Bundestag diskutieren.“
Der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, sagte der „Augsburger Allgemeinen“: „Wer schweigt, stimmt nicht automatisch zu.“ Grundsätzlich sei jeder medizinische Eingriff ohne Zustimmung des Betroffenen eine Körperverletzung. In den Vorzeigeländern Europas mit deutlich mehr Organspendern hätten erst organisatorische und strukturelle Maßnahmen zu steigenden Zahlen geführt. „Deshalb braucht es jetzt finanzielle Anreize für Krankenhäuser, ein effizientes Transplantations-Netzwerk, Bildungsprogramme und die Schulung von Koordinatoren im Umgang mit Angehörigen.“
Was sagt Gesundheitsminister Karl Lauterbach?
Auch Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) befürwortet die Widerspruchslösung. Als Abgeordneter hatte er sich wie der damalige Minister Jens Spahn (CDU) bei der Bundestags-Abstimmung 2020 dafür starkgemacht. Damals beschlossen wurde aber ein Gesetz, das das Zustimmungsprinzip bestätigte. Es sieht mehr Information und eine leichtere Dokumentation von Erklärungen zur Spendebereitschaft vor.
Was ist mit dem geplanten Organspende-Register passiert?
Ein zentrales Online-Register als Kern-Element des Gesetzes startete erst mit zwei Jahren Verspätung im März 2024. Grund für Verzögerungen war auch die Corona-Krise. Ins Register eingetragen wurden bisher rund 130.000 Erklärungen, wie das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte als Betreiber auf Anfrage mitteilte. Auf www.organspende-register.de können Nutzerinnen und Nutzer ab 16 Jahren dokumentieren, ob sie zu einer Organspende nach dem Tod bereit sind oder nicht. Eintragen kann man sich zunächst, indem man einen Ausweis mit Online-Funktion verwendet. Die Angaben sind freiwillig, kostenlos und jederzeit änderbar.
Kliniken, die Organe entnehmen, sollen vom 1. Juli an gespeicherte Erklärungen auf dem Register suchen und abrufen können. Erklärungen auf Papier, beispielsweise in Organspendeausweisen, sind daneben weiterhin möglich.
Wie viele Menschen warten in Deutschland auf ein Spendeorgan?
Es gibt in Deutschland deutlich zu wenig Organspenden. Rund 8400 Menschen stehen auf der Warteliste für ein Spendeorgan.