Durch Medikamente oder auch Make-Up gelangen Mikroschadstoffe ins Wasser. In der EU müssen Herstellerfirmen künftig maßgeblich Kosten mittragen. Pharmaverbände warnen vor mehr Arzneiengpässen.
Pharma- und Kosmetikfirmen müssen sich künftig stark an der Abwasserreinigung in der Europäischen Union beteiligen. Die EU-Länder stimmten zuvor mit Unterhändlern des EU-Parlaments ausgehandelten Regeln zu, nach denen die Hersteller künftig mindestens 80 Prozent der zusätzlichen Kosten für eine vertiefte Reinigung tragen müssen. Durch Arzneien und Kosmetikprodukte kommen Mikroschadstoffe ins Abwasser.
Darüber hinaus soll Abwasser den neuen Regeln zufolge künftig auch streng hinsichtlich etwa antibiotikaresistenter Erreger, Viren oder Mikroplastik überwacht werden. Die EU-Länder werden außerdem verpflichtet, die Wiederverwendung von behandeltem Abwasser aus allen kommunalen Kläranlagen zu fördern, wo dies angebracht ist – insbesondere in Gebieten mit Wasserknappheit. Die Zustimmung der EU-Länder war der letzte notwendige Schritt im Gesetzgebungsverfahren. Die Regeln werden nun noch im EU-Amtsblatt veröffentlicht und treten dann in Kraft.
Verbände unterschiedlicher Meinung
Der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) bezeichnete die neue Richtlinie als „notwendigen Schritt“, um die Gewässer langfristig zu schützen. Mit der neu eingeführten Beteiligung der Pharma– und Kosmetikindustrie an den Kosten der Abwasserbehandlung würden die Abwasserkunden mit den Umsetzungskosten nicht länger allein gelassen, sagte Hauptgeschäftsführer Ingbert Liebing. „Nachdem die Vorgaben aus Brüssel nun klar sind, brauchen wir jetzt durch eine zügige und praktikable Umsetzung in nationales Recht Klarheit.“
Der Verband der Chemischen Industrie (VCI) hingegen bezeichnete die neue Richtlinie als eine „eine völlig verfehlte EU-Gesetzgebung“ und warnte, dass einzelne Produkte teurer werden oder einige systemrelevante Arzneimittel völlig vom Markt verschwinden könnten. Der Verband rechne damit, dass die Beteiligung an der Reinigung die deutsche Pharma- und Kosmetikindustrie etwa zwei bis drei Milliarden Euro jährlich kosten werde. Hinzu kämen noch die Bürokratiekosten für das Erheben der Abgabe.
Pharmabranche warnt vor verstärkten Arzneiengpässen
Der Verband Pro Generika warnte vor Milliardenkosten, die zu verstärkten Arzneiengpässen in Deutschland etwa bei Krebsmitteln, Diabetes-Medikamenten oder Antibiotika führen könnten. Es sei völlig unstrittig, dass Klärwerke ausgebaut werden müssten, um auch Spurenstoffe aus dem Abwasser zu filtern. „Nicht nachvollziehbar ist aber, warum nur zwei Branchen belangt werden, obwohl die zu entfernenden Verunreinigungen auch aus anderen Bereichen – etwa aus Pflanzenschutz- oder Reinigungsmitteln oder aus dem Verkehr – stammen.“ Da innerhalb des Erstattungssystems in Deutschland die Arzneimittelpreise nicht erhöht werden könnten, drohe die Produktion von Medikamenten unwirtschaftlich zu werden.