Die Bildungsverbände suchen den Schulterschluss und fordern mindestens 1.500 Stellen zusätzlich an den Schulen: Der Haushaltsentwurf des Landes stimme hinten und vorn nicht, so die Kritik.
Aus Sicht von Eltern, Schülern, Lehrern und Opposition plant das Land mit viel zu wenigen Lehrerinnen und Lehrern in den kommenden Jahren – was den Personalmangel in den Klassenzimmern aus ihrer Sicht noch erheblich verschärfen dürfte.
Aufgrund von 28.000 zusätzlichen Schülern in den kommenden beiden Schuljahren fehlten mindestens 1.500 Vollzeit-Deputate im Südwesten, teilten der Berufsschullehrerverband (BLV), die Bildungsgewerkschaft GEW, der Grundschulverband, der Landeselternbeirat, der Landesschülerbeirat und der Philologenverband mit. Um diese Zahl müssten die Stellen mindestens im Haushaltsentwurf aufgestockt werden.
Man habe „mit großem Unverständnis“ den Entwurf für den Doppelhaushalt 2025 und 2026 zur Kenntnis genommen, so die Verbände. Darin werde die Schülerprognose für die beiden Jahre nicht berücksichtigt. Nach Angaben des Statistischen Landesamts lernen im laufenden Schuljahr 1,14 Millionen Schülerinnen und Schülern an den allgemeinbildenden Schulen im Land. Die Schülerzahlen nähmen deutlich zu, man schiebe zudem eine „riesige Überstundenbugwelle“ von 1.800 Deputaten vor sich her, bis 2030 rechne man zusätzlich mit einer Pensionierungswelle, sagte der BLV-Vorsitzende Thomas Speck.
Reform der Schuldenbremse
Die Bildungsgewerkschaft GEW forderte eine Reform der Schuldenbremse, um Investitionen etwa in die frühe Bildung, in die Sonderpädagogik und den Ganztagsausbau zu ermöglichen – denn dafür reiche das Geld im Haushalt nicht. Baden-Württemberg halte seit Jahren unter den Bundesländern die rote Laterne, was das Verhältnis von Lehrern zu Schülern in Grundschulen angeht.
Das grün-schwarze Haushaltspaket wird am Mittwoch im Landtag diskutiert. Bildung ist bereits einer der großen Blöcke in dem Entwurf. Dort plant das Land in den kommenden zwei Jahren Ausgaben in Höhe von rund 30 Milliarden Euro. Dazu gehören vor allem die Gehälter der Lehrerinnen und Lehrer, aber auch Investitionen in bessere Bedingungen. Ein Schwerpunkt des Haushalts ist der Ausbau der Sprachförderung im frühkindlichen Bereich.
Kretschmann weist Kritik zurück
„Ich weiß nicht, woher diese Zahl kommen soll“, sagte Regierungschef Winfried Kretschmann (Grüne) zur geforderten Zahl von 1.500 Deputaten. Die Zahl sei nicht nachvollziehbar. Rechnerisch liege der demografische Mehrbedarf für die Jahre 2025 und 2026 bei 990 Deputaten, so der Ministerpräsident. Die Zahl von 1.500 beinhalte neben der Entwicklung der Schülerzahlen auch eine Erhöhung des Versorgungsgrads auf 110 Prozent.
Auch das Kultusministerium teilte mit, dass der Aufwuchs von 28.000 zusätzlichen Schülern stimme, aber die Zahl von fehlenden 1.500 Deputaten zu hoch gegriffen sei. Der Netto-Mehrbedarf für G9 liege bis 2032 bei 860 Deputaten.
Das Land plane mit dem Haushalt den Unterrichtsausfall bewusst ein, kritisierte die SPD-Fraktion. „Die grün-schwarze Landesregierung spielt mit der Zukunft unserer Kinder, wenn sie sich weigert, ausreichend Lehrkräfte einzustellen und die absehbare Entwicklung der Schülerzahlen im Haushalt einfach ignoriert“, so Fraktionschef Andreas Stoch. „Selbst von Haus aus gut gemeinte Programme können nicht helfen, wenn wir an den Schulen keine Lehrkräfte haben, die diese Programme auch umsetzen.“
Dass die Landesregierung das nicht wissen wolle, grenze an Arroganz. „Was wir jetzt brauchen, sind ausreichend Lehrkräftestellen, mehr Studienplätze im Lehramt und Entlastung für Schulleitungen – aber auf jeden Fall keine Realitätsverweigerung von Grün-Schwarz!“
FDP will Anträge stellen
„Ich erwarte, dass Grün-Schwarz beim Mehrbedarf an Lehrkräften deutlich nachlegt“, sagte der bildungspolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Timm Kern. Man werde mit Änderungsanträgen für das Anliegen der Verbände in der Haushaltsberatung im Landtag kämpfen.
Die AfD wiederum führt das Problem vor allem auf die Migration zurück. Die Lehrer im Land seien frustriert angesichts der Heterogenität der Klassen. „Ausländische Schüler ohne Aussicht auf ein dauerhaftes Bleiberecht müssen in getrennten Klassen unterrichtet werden“, forderte der AfD-Bildungspolitiker Rainer Balzer.