Gescheiterte Sondierungen: Die schlechten Optionen des Michael Kretschmer in Sachsen

Sahra Wagenknecht hat sich durchgesetzt. In Sachsen wird es keine Koalition mit dem BSW geben. Damit läuft alles auf eine Minderheitsregierung hinaus.

Was für ein Mittwoch. Am Morgen war klar, dass Donald Trump wieder US-Präsident wird. Am Mittag tagte die Ampel-Koalition in Berlin, um das eigene Aus vielleicht doch noch einmal zu verschieben. Und am Nachmittag platzte die geplante Koalition in Sachsen von CDU, BSW und SPD.

Auch wenn die drei Vorgänge in ihrer Bedeutung und ihrer Substanz äußerst unterschiedlich sind: Sie hängen miteinander zusammen. 

Das liegt an Sahra Wagenknecht. Das zentrale Ziel der BSW-Vorsitzenden ist der Bundestag, in den sie im kommenden Jahr mit ihrem fundamentaloppositionellen Radikalpopulismus ziehen will. Die realpolitischen Kompromisse von Landesregierungen könnten diesen Kurs verwässern – und das kann sie schon gar nicht brauchen in einer Zeit, in der im Bund eine mögliche Neuwahl dräut und sich weltpolitisch vieles gewaltig verschieben dürfte. 

Sachsen als Wiederholung von Thüringen

In Brandenburg gibt es allein deshalb Koalitionsgespräche, weil die SPD unter Ministerpräsident Dietmar Woidke für den Tabubruch bereit war, sich gegen die Politik des eigenen Kanzlers zu stellen und die Stationierung von US-Raketen zu kritisieren. An dieser Stelle konnte selbst Wagenknecht nicht mehr bremsen, wenn sie nicht den Rest einer pragmatischen Fassade verlieren wollte.  

Doch in Sachsen und Thüringen, wo das BSW neben der SPD für CDU-geführte Regierungen gebraucht wird, wird umso entschlossener blockiert. Und so tat Wagenknecht in Sachsen das, was sie zuvor bereits in Thüringen getan hatte: Sie und ihr Bundesvorstand lehnten die im Land gefundenen Vereinbarungen immer wieder aufs Neue ab. 

Im Unterschied zu Thüringen, wo sich das BSW unter Katja Wolf vorerst nicht dem Diktat beugt, fügte sich jetzt die sächsische Landeschefin Sabine Zimmermann. Danach schob sie alle Schuld auf die von ihr verprellten Gesprächspartner. Man sei „entsetzt über die Weigerung von SPD und CDU, einem Bekenntnis zur Friedenspolitik zuzustimmen“, lautete der erste Satz ihrer Pressemitteilung. Wagenknecht Mitglieder 19.45

Was für ein Schlamassel: Wegen zwei, drei Halbsätzen zu Waffenlieferungen und US-Raketen, die mit Landespolitik nichts zu tun haben, kommt es nun erstmals nicht zu einer Mehrheitsregierung im größten ostdeutschen Bundesland.

Der geschäftsführende CDU-Ministerpräsident Michael Kretschmer interpretierte die Lage am Mittwoch so: Wagenknecht habe ihren sächsischen Leuten die Beine gestellt. Das finde er „sehr schade“.

Und was ist mit der AfD?

Tatsächlich hat Kretschmer, der eine rechnerisch mögliche Mehrheit mit SPD, Grünen und Linken ausgeschlossen hat, jetzt nur noch zwei schlechte Optionen. Entweder versucht er, die von ihm stets abgelehnte Minderheitsregierung zu bilden. Oder er lässt es auf eine Neuwahl des Landtags ankommen. 

Die dritte, zumindest theoretisch denkbare Option, schloss Kretschmer, der immerhin stellvertretender CDU-Bundeschef ist, erneut kategorisch aus. Mit der AfD soll es keine Zusammenarbeit geben, sagte er. 

Doch so einfach ist das nicht. Die AfD stellt ein Drittel der Abgeordneten und ist damit nur eine Stimme von der Sperrminorität entfernt. Schon bevor das BSW die Gespräche mit CDU und SPD scheitern ließ, hatte es mit der AfD im Landtag gemeinsam für einen Corona-Untersuchungsausschuss gestimmt. 

Die Verfassungslage ist eindeutig

Angesichts der multiplen Unwägbarkeiten und möglichen unerwünschten Mehrheiten muss Kretschmer über alle Eventualitäten nachdenken, bevor er sich einer geheimen Ministerpräsidentenwahl stellt. Nachdem er bereits am Dienstag mit AfD-Landeschef Jörg Urban ein informelles Gespräch geführt hatte, wird er nun auch mit Linken und Grünen reden müssen. 

Am Mittwoch rückte Kretschmer erst einmal notgedrungen von seinem Nein zu einer Minderheitsregierung ab. Bis zur nächsten Woche, sagte er, wolle er gemeinsam mit seiner CDU eine Denkpause einlegen.  

Doch viel Zeit bleibt nicht. Denn zumindest die Verfassungslage ist in Sachsen eindeutig. Wird bis Anfang Februar kein Regierungschef gewählt, löst sich das Parlament automatisch auf. 

Das heißt, Kretschmer hat noch knapp drei Monate, die Stimmen für seine Wiederwahl im Landtag einzusammeln. Oder er besitzt gar keine Optionen mehr.