Er entführte sein Kind und hielt es stundenlang auf dem Hamburger Flughafen fest. Die Beamten brauchten Geduld, um die Geisel zu befreien. Vor Gericht zeigt sich der Angeklagte uneinsichtig.
Im Prozess um die Geiselnahme am Hamburger Flughafen hat das Landgericht den Angeklagten zu zwölf Jahren Haft verurteilt. Die Strafkammer sprach den 35-Jährigen am Dienstag wegen Geiselnahme, Entziehung Minderjähriger, vorsätzlicher Körperverletzung und Besitz von Munition schuldig.
„Zwölf Jahre Freiheitsstrafe für diese Wahnsinnstat. Das ist unsere Antwort“, sagte der Vorsitzende Richter Torsten Schwarz in der Urteilsbegründung. Die Staatsanwaltschaft hatte zwölf Jahre Haft gefordert, die Verteidigung hatte keinen konkreten Strafantrag gestellt.
Der Mann hat die Taten weitgehend gestanden. Eine psychiatrische Sachverständige hat ihn für voll schuldfähig erklärt.
Bombendrohung auf dem Flughafen in Hamburg
Vor dem Hintergrund eines Sorgerechtsstreits hatte der 35-jährige Türke am 4. November vergangenen Jahres seine Tochter aus der Wohnung seiner Ex-Frau im niedersächsischen Stade entführt. Mit der Vierjährigen im Auto durchbrach er drei Schranken an einem Tor und drang bis auf das Vorfeld des Flughafens vor. Dort warf er zwei Brandsätze aus dem Auto und schoss dreimal in die Luft. Er forderte, dass ihm ein Flugzeug zur Ausreise mit der Tochter in die Türkei zur Verfügung gestellt werde und drohte, sich und das Kind in die Luft zu sprengen.Aussage Frau des Geiselnehmers 22.20
Ein vermeintlicher Sprengstoffgürtel erwies sich später als Attrappe. Erst nach 18-stündigen Verhandlungen mit der Polizei hatte er aufgegeben. Der Flugbetrieb war mehr als 20 Stunden unterbrochen.
Der Staatsanwalt hat zwölf Jahre Haft gefordert. Der Strafrahmen beträgt 5 bis 15 Jahre. Die Verteidigerin nannte in ihrem Plädoyer kein konkretes Strafmaß. Sie sprach von einem minderschweren Fall, weil der Angeklagte nach ihrer Einschätzung das Kind schon vor dem späteren Ende der Geiselnahme freilassen wollte. Ihr Mandant habe sich im Sorgerechtsstreit massiv ungerecht behandelt gefühlt. Die Tat habe er aus Verzweiflung verübt, weil er seine Tochter 14 Monate lang nicht habe sehen dürfen.
Angeklagter vorbestraft
Nur ein halbes Jahr vor der Tat, im Mai 2023, hatte das Amtsgericht Stade den Mann wegen Kindesentziehung bereits zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 40 Euro verurteilt. Er war im März 2022 mit dem damals dreijährigen Kind eigenmächtig in die Türkei gefahren. Die Mutter reiste hinterher und konnte die Tochter in einer Nacht-und-Nebel-Aktion zurückholen.
Zum Prozessauftakt Ende April hatte sich der Angeklagte bei der Polizei und den betroffenen Passagieren entschuldigt. In seinem letzten Wort ließ er jedoch keine Reue erkennen, sondern erhob mit lauter Stimme schwere Vorwürfe gegen die deutschen Behörden und besonders gegen das Familiengericht, welches das Sorgerecht seiner Ex-Frau zugesprochen hatte. Er sei nur ein Vater, der sein Kind schützen wolle. „Unser Problem wurde in keinster Weise beantwortet“, beklagte er nach den Worten eines Dolmetschers.
Nebenklagevertreterin: Angeklagter uneinsichtig
Die Nebenklagevertreterin, die die Mutter und die Tochter vertritt, hatte dem Angeklagten in ihrem Plädoyer vorgeworfen, keinerlei Einsicht zu zeigen. Der 35-Jährige halte sein Handeln für richtig. Er habe nicht verstanden, dass es in dem Prozess gar nicht um das Sorgerecht für das Kind gehe. Der Angeklagte habe sich mit keinem einzigen Wort bei seiner Ex-Frau entschuldigt. „Er hält uns alle offenbar für einen Witz“, meinte Anwältin Filiz Sen.
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