Jamie Oliver hat es nicht leicht. Der britische Starkoch schlittert von einem Skandal in den nächsten: Gammelfleisch, Pleitewelle und jetzt noch ein Kinderbuch-Eklat.
Jamie Oliver ist ein Stehaufmännchen. Denn obwohl er zu den berühmtesten und erfolgreichsten Köchen der Welt zählt, läuft es bei ihm schon lange nicht mehr rund. Immer wieder setzt er sich mit seinem Tun gehörig in die Nesseln. Das hat ihm ein Abo auf Shitstorms eingebracht, der britische Boulevard zerfleischt ihn regelmäßig. Hier die Liste seiner bisher größten Skandale.
Jamie Oliver und der Skandal um
… die Gammelfleisch-Funde
In seinen TV-Shows sah man Jamie Oliver regelmäßig mit dem Roller durch London cruisen, um die besten Zutaten der Stadt zusammenzutragen. Mit solchen Bildern zeigte er, wie wichtig ihm die Qualität der Lebensmittel ist. Das prägte sein Image als Koch. Umso schockierter waren die Fans, als ausgerechnet Olivers Edel-Metzgerei Barbacoa Ekel-Schlagzeilen machte: Bei einer Inspektion hatte man dort neben fragwürdiger Hygiene auch Gammelfleisch gefunden. Neben abgelaufenem Fleisch stießen die Prüfer auch auf schimmlige Tierkadaver und Mäusekot in „erheblichem Umfang“. Für die Inspektoren ein No-Go, die Metzgerei wurde für 24 Stunden geschlossen. STERN PAID Interview Jamie Oliver 9.04
… die zweierlei-Maß-Kontroverse
Gesunde, qualitativ hochwertige Ernährung, das betonte Jamie Oliver immer wieder, liege ihm am Herzen. Bei den eigenen Produkten drückte er dagegen mitunter beide Augen fest zu. Kritisiert wurde dabei unter anderem der übermäßige Gebrauch von Salz. 2009 hatte „Action on Salt„, ein Zusammenschluss von Experten, bemängelt, dass in einem Glas von Olivers Oliven-Knoblauch-Soße in etwa so viel Salz stecke, wie in zehn Packungen Kartoffelchips.
… die Küken-Tötung
Jamie Oliver schreckte nie davor zurück, für seine Ideale einzustehen und klar Stellung zu beziehen. Eine Herzensangelegenheit Olivers ist der Kampf gegen die Praktiken der Massentierhaltung. Um Aufmerksamkeit für sein Thema zu bekommen, griff er zu durchaus drastischen Maßnahmen. Für einen Skandal sorgte er, als er 2008 in einer TV-Show ein Küken vor laufender Kamera erstickte, um über entsprechende Praktiken aufzuklären.
… die Kinder-Ernährung
Jamie Oliver und Ehefrau Jools haben fünf gemeinsame Kinder. Und nicht nur zu Hause achtet der Koch darauf, wovon sich der Nachwuchs ernährt. So startete er 2005 das Projekt „Feed Me Better“, mit dem er das Schulessen revolutionieren wollte. Er zeigte, wie auch in Kantinen gesundes Essen mit frischen Zutaten gekocht werden kann. „Wenn man in diesem Land Hundefutter verkaufen wollte, gab es strenge Normen, bei deren Nichteinhaltung man vor Gericht landete. Bei dem, was wir unseren Kindern zu essen gaben, war das nicht der Fall. Und das habe ich geändert“, sagte Oliver im Gespräch mit der britischen Tageszeitung „The Guardian“.
Die gesünderen Speisen sorgten aber nicht nur für Begeisterungsstürme. So manche Eltern empfanden Olivers Bestreben als übergriffig. Das ging so weit, dass diese ihren Kindern heimlich Hamburger und Pizza an die Schulen brachten, nur damit sie Olivers Speisen nicht essen mussten.
… der Trinkgeld-Eklat
Dass Servicekräfte einen Teil ihres Trinkgelds mit Kollegen teilen, ist nicht unüblich. Wie „The Guardian“ berichtete, war das auch in Olivers Restaurants so geregelt. Demnach gingen zwei Prozent vom Umsatz eines Tisches an das Personal in Küche und Rezeption, was ausgehend davon, dass Gäste etwa zehn Prozent Trinkgeld auf die Rechnung geben, etwa ein Fünftel ausgemacht hätte. Nur floss das Trinkgeld nicht so üppig, die Kalkulation ging nicht auf. Einige Mitarbeiter klagten, dass sie nach der Regel an schlechten Tagen sogar Minus machten. Für Aufregung sorgte das auch, weil dabei herauskam, dass viele auf Mindestlohnbasis angestellt waren.
… der Heuchelei-Vorwurf
Das eine sagen, das andere tun? Als bekannt wurde, dass Jamie Oliver sich mit dem Mineralölkonzern Shell zusammengetan hat, um an den Tankstellen seine Sandwiches zu verkaufen, war die Aufregung ebenfalls groß. Schließlich hatte Oliver sich zuvor immer wieder in Kampagnen für die Umwelt eingesetzt. War das nicht Heuchelei? Wie das nun zusammengehen sollte, konnten viele nicht verstehen. Am Ende, so der Vorwurf, stelle auch Jamie Oliver das schnöde Geld über alle Ideale. FS Jamie Oliver
… das Maus-Problem
Es gab eine Zeit, da hatte Jamie Oliver seine liebe Not mit kleinen Nagern: Mäuse hatten sich in mehreren Filialen seiner Restaurantkette „Jamie’s Italian“ eingenistet und lebten dort in Saus und Braus. Und zwar so selbstverständlich, dass sie sich 2012 in einer Filiale in Edinburgh sogar während des Gastbetriebs zeigten, was Kunden daraufhin sogar auf der Bewertungsplattform Tripadvisor monierten.In schottischen Medien wurde von sterbenden und toten Tieren in den Mausefallen berichten. Kammerjäger wurden geholt. Aber nicht nur in der Filiale in Edinburgh hatte Jamie Oliver ein Maus-Problem, auch in einem Restaurant der Kette in Nottingham gab es, wie es der Umweltbeauftragte der Stadt formulierte, „gewisse Maus-Aktivitäten“. Nicht gut.
… das Pleite-Desaster
Jamie Oliver surfte lange auf einer Welle des Erfolgs. Neben seinen TV-Shows baute er nach und nach ein Gastro-Imperium auf. In beinahe jeder größeren Stadt Großbritanniens poppten Ableger von „Jamie’s Italian“-Restaurants aus dem Boden. Der Anspruch: beste Qualität zu bezahlbaren Preisen. Nach gut einem Jahrzehnt platzte die Blase jedoch, der Koch hatte sich übernommen. Obwohl Oliver aus seinem Privatvermögen noch einmal etwa 30 Millionen Euro zuschoss, war die Insolvenz nicht mehr aufzuhalten. 2019 war es dann so weit: Der Schuldenberg hatte sich auf fast 100 Millionen Euro angehäuft, mehr als 25 Millionen blieb er Lebensmittellieferanten und Kommunalverwaltungen schuldig.
1000 Mitarbeiter verloren ihren Job. Dass er 22 Filialen schließen musste, war ein herber Schlaf für Oliver. Aber am Ende war er damit nicht. In 25 Ländern gibt es noch mehr als 60 Restaurants, die unter Lizenz betrieben werden. In Großbritannien blieb von den „Jamie’s Italian“-Restaurants nur ein Franchise-Unternehmen am Flughafen Gatwick vertreten. „Mir ging das Geld aus, ich hatte nichts mehr“, erklärte Oliver später in der „Graham Norton Show“. In Großbritannien löste die Pleite einen Skandal aus. Gerüchte kamen auf, dass er sich und seiner Frau vor dem Kollaps noch Millionen ausgezahlt habe, wie unter anderem „The Mirror“ berichtete. Zuträglich war auch nicht, dass die Olivers kurz zuvor ein mehr als sieben Millionen Euro teures Anwesen bezogen hatten, machte den Skandal perfekt.
… die Reichen-Perspektive
2022 zettelte Jamie Oliver einen kleinen Aufstand an und rief zum Protest gegen die „Kauf eins, bekomm zwei“-Angebote für ungesunde Produkte. Solche Angebote seien nicht zielführend in einer Gesellschaft, die ohnehin bereits mit der Problematik sich ausbreitender Fettleibigkeit zu kämpfen habe. Er sah vor allem die Gesundheit von Kindern dadurch in Gefahr. Außerdem widersprächen diese Kampagnen der eigentlichen Strategie der Regierung gegen Fettleibigkeit. Viele Menschen folgten dem Aufruf des Starkochs. Andere prangerten an, dass Jamie Olivers Bestreben nicht lebensnah seien und an den Bedürfnissen der Bevölkerung vorbeigingen. Schließlich fiel seine Kritik in eine Zeit, in der die Lebenshaltungskosten auch in Großbritannien in schwindelerregende Höhe stiegen und viele froh um jeden Penny waren, den sie sparen konnten. Jamie Oliver Kritik
Und der jüngste Skandal um …
… die Aneignungs-Debatte
Ärger brachte Oliver auch sein Kinderbuch „Billy and the Epic Escape“ ein. Nachdem mehrere Organisationen australischer Ureinwohner Kritik geübt hatten, zog Oliver das Buch vom Markt zurück, berichtete unter anderem die „BBC“. Das Buch verharmlose die komplexe und schmerzhafte Geschichte der Aborigines, kritisierte die Vorsitzende der Aborigines-Organisation Natsiec, Sharon Davis. Es vermittle den Eindruck, die australischen Ureinwohner seien leicht von Geld zu beeinflussen und vernachlässigten die Sicherheit ihrer Kinder. „Ich bin zutiefst erschüttert, dass ich Anstoß erregt habe und entschuldige mich von ganzem Herzen“, erklärte Oliver in einer Stellungnahme (mehr zum Thema).
Es ist nicht das erste Mal, dass Oliver mit kultureller Unsensibilität für Aufsehen sorgt. 2018 musste er sich von einer Abgeordneten den Vorwurf der kulturellen Aneignung gefallen lassen, nachdem er das Mikrowellen-Gerichte „Rice Jerky“ nach einem jamaikanischen Gericht, von dem sich Oliver hatte inspirieren lassen, wie er später sagte. Nur hatte Olivers Variante zum Ärger der jamaikanischen Community mit dem tatsächlichen Gericht nicht wirklich etwas zu tun. Oliver reagierte und stellte einen Spezialisten für kulturellen Aneignung ein, um einen solchen Fehler nicht wieder zu machen.
Quellen: Independent, The Guardian, BBC,Spiegel, The Guardian 2, The Mirror, The Mirror 2