Die Aktuelle Stunde in Parlamenten dient normalerweise zur Klärung akuter politischer Themen. Die Bürgerschaftsfraktionen nutzten dieses Instrument nun vor allem für den Wahlkampf.
Rund dreieinhalb Monate vor der vorgezogenen Bundestagswahl und der Bürgerschaftswahl sind die Fraktionen in der Bürgerschaft in den Wahlkampf eingestiegen. So meldeten Linke, AfD und auch die regierende SPD für die Aktuelle Stunde des Parlaments Themen an, die mit Sachpolitik nur noch am Rande zu tun haben.
Die Linken etwa überschrieben ihre Anmeldung zur Debatte mit „Nach der Ampel links“ und die AfD findet in ihrer Anmeldung, dass Deutschland und Hamburg nun Alternativen hätten – während die SPD in ihrer Anmeldung einen direkten Zusammenhang der Regierungsarbeit mit Umfrageergebnissen sieht, wonach die glücklichsten Menschen in Hamburg leben.
Einig waren sich alle Fraktionen, dass die Ampel-Koalition in Berlin gescheitert ist. Bei der Schuldfrage gingen die Meinungen dann jedoch auseinander. Während SPD und Grüne allein die FDP als Zerstörer der Ampel-Koalition ausmachten, sahen die anderen Fraktionen auch Rot-Grün im Boot.
Kienscherf: „Mit der FDP ist kein Staat zu machen“
Mit einer neoliberalen Opposition innerhalb der Koalition sei kein Blumentopf zu gewinnen, sagte etwa der Grünen-Fraktionsvorsitzende Dominik Lorenzen mit Blick auf FDP-Chef Christian Lindner. Und der SPD-Fraktionsvorsitzende Dirk Kienscherf sagte: „Mit der FDP ist kein Staat zu machen.“ Beide verwiesen auf Hamburg, wo Rot-Grün gute Arbeit leiste. „Deutschland braucht Führung, Haltung und Tatkraft mehr denn je“, sagte Lorenzen und meinte damit ausdrücklich nicht den Unions-Kanzlerkandidaten Friedrich Merz.
Laut der Verständigung von Union und SPD soll der neue Bundestag nun am 23. Februar gewählt werden, die neue Bürgerschaft eine Woche später am 2. März. Vor allem für die SPD um Bürgermeister Peter Tschentscher könnte das zu einem Problem werden, besteht doch die Befürchtung, dass die bislang laut Umfragen geringe Zustimmung für die Sozialdemokraten auf Bundesebene auf Hamburg abfärben könnte.
Entsprechend warf CDU-Fraktionschef Dennis Thering Tschentscher auch vor, rein parteipolitisch agiert zu haben, als dieser den ursprünglichen Fahrplan von Kanzler Olaf Scholz (SPD) unterstützte. Der sah vor, dass die Bundestagswahl erst Ende März und somit nach der Bürgerschaftswahl stattfinden sollte.
Özdemir: Ampel hätte sich um die Menschen kümmern sollen
Die Linken-Fraktionsvorsitzende Cansu Özdemir sagte: „Die Ampel ist gescheitert – im Mittelpunkt ihres unwürdigen Schauspiels standen das überbordende Ego des FDP-Chefs, die Unfähigkeit des SPD-Bundeskanzlers und standen die chronischen Bauchschmerzen der Grünen.“ Dabei hätte sich die Ampel sinnvollerweise besser um die Menschen kümmern sollen – etwa um die Armut bei Kindern und Rentnern, um die Gewalt an Frauen, um explodierende Mieten und Energiepreise.
Sie sei es leid, immer wieder gefragt zu werden, wie das alles bezahlt werden solle. Denn das Geld sei da und müsste von den Milliardären des Landes nur eingetrieben werden, sagte Özdemir mit Blick auf die nach wie vor fehlende Vermögensteuer.
„Wenn die Ampel ausfällt, dann gilt rechts vor links“, sagte CDU-Fraktionschef Thering unter Verweis auf die Straßenverkehrsordnung mit Blick auf eine künftige Bundesregierung: AfD-Fraktionsvize Alexander Wolf verglich die anstehenden Wahlen mit jener in den USA, die Donald Trump für sich entschieden hat. Denn dort hätten die Menschen nach gesundem Menschenverstand gewählt.
FDP-Abgeordneter Musa: Mehr als 1.000 Parteieintritte nach Ampel-Aus
Der einzige FDP-Abgeordnete in der Bürgerschaft, Sami Musa, nannte den Bruch der Ampel-Koalition richtig. Gleichzeitig verwies er auf mehr als 1.000 Neueintritte bei der FDP in den ersten vier Tagen nach dem Ampel-Aus. „Viele empfinden den Neuanfang, der jetzt möglich ist, als einen Befreiungsschlag.“