Der Meeresspiegel und die Temperaturen steigen – wie kann da nachhaltiger Tourismus am Wattenmeer künftig aussehen? Bei einer Tagung in Ostfriesland geben Experten eine eindeutige Antwort.
Während bei der Weltklimakonferenz in Aserbaidschan auf internationaler Bühne um Klimaziele gerungen wird, wollen Naturschützer und Tourismusvertreter entlang der Wattenmeerküste enger für den Klimaschutz zusammenarbeiten. Rund 100 Teilnehmer von Kommunen, Naturschutz, Wissenschaft, Behörden und Tourismus aus Deutschland berieten beim 13. Weltnaturerbeforum im ostfriesischen Bensersiel (Landkreis Wittmund), über Herausforderungen und Möglichkeiten für den Wattenmeer-Tourismus angesichts der schon zu spürenden Klimaveränderungen in der Region.
Das jährlich stattfindende Weltnaturerbeforum dient dem Erfahrungsaustausch, insbesondere innerhalb des niedersächsischen Welterbegebietes. In diesem Jahr stand die Tagung unter dem Titel „Wattenmeer in Zeiten des Klimawandels – Die Zukunft des Welterbe-Tourismus mit kühlem Kopf gestalten“.
Kritische Temperaturmarke schon überschritten
Tourismus und Naturschutz sollten einen engeren Schulterschluss beim Klimaschutz und dem Schutz des Wattenmeeres suchen, sagte Mario Schiefelbein, Geschäftsführer der Tourismus-Agentur Nordsee (Tano). „Wir reden alle von einem einzigartigen Ökosystem, das sehr fragil ist. Es ist aber auch ein Ziel von Millionen von Menschen“, zeigte er das Spannungsfeld auf.
Die Tourismuswirtschaft habe daher eine große Verantwortung. Sie könne etwa helfen, Aufklärung und Umweltbildung zu leisten. „Wir müssen Brücken schlagen – und zwar zwischen Sehnsucht nach Urlaub, authentischen Erlebnissen und der Verantwortung, diese Erlebnisse weiter erlebbar machen zu können“, sagte Schiefelbein.
Auch der Leiter der Nationalparkverwaltung Niedersächsisches Wattenmeer, Peter Südbeck, appellierte für mehr Zusammenarbeit beim Klimaschutz. Er hob zudem die Klimaveränderungen hervor, die der Lebensraum schon zu spüren bekomme. „2024 wird das erste Jahr sein, wo die Weltmitteltemperatur oberhalb des in Paris vereinbarten 1,5-Grad-Ziels liegen wird“, sagte Südbeck mit Bezug auf jüngste Erkenntnisse des EU-Klimawandeldienstes Copernicus.
Auf der Weltklimakonferenz 2015 in Paris hatten die Staaten weltweit vereinbart, die Erderwärmung auf unter 2 Grad zu begrenzen, möglichst aber auf 1,5 Grad. „Hier am Wattenmeer haben wir diese Marke längst überschritten und in der Arktis, wo ein großer Teil unserer Wattenmeer-Zugvögel ihr Brutzuhause haben, sind wir weit darüber bei 4 bis 6 Grad“, sagte der Nationalparkchef. Weniger Zugvögel kämen in der Folge ins Wattenmeer – diese seien aber ein ganz wesentliches Kriterium des Weltnaturerbe-Titels.
Können Wattflächen mit dem Meeresspiegel mitwachsen?
Lena Hübsch, fachliche Leiterin am Niedersächsischen Kompetenzzentrum Klimawandel (Niko), erklärte in einem Vortrag Klimaveränderungen entlang der ostfriesischen Küste. Am Beispiel des Landkreises Wittmund zeige sich, dass die Lufttemperatur seit Beginn der Messungen 1881 über die Jahre gemittelt bis 2023 um 1,9 Grad gestiegen sei – landesweit seien es 1,8 Grad, sagte die Expertin. Auch Niederschlagsmuster veränderten sich. Während im Winter mehr Niederschlag falle, würde dieser im Frühjahr und Sommer knapper.
„Das Klima ändert sich, die Bedingungen für uns ändern sich und wir müssen uns darauf einstellen. Das Erste und Wichtigste, was wir machen können, ist Klimaschutz“, sagte Hübsch. Außerdem gehe es darum, sich an Folgen der Klimaveränderungen anzupassen – an der Küste geschehe dies etwa mit Deicherhöhungen. „Wir müssen in Zukunft anders bauen“, sagte die Expertin. Das sei auch ein Hebel für den Klimaschutz im Tourismus, etwa wenn es um die Planung und den Bau künftiger Infrastruktur gehe.
Für das Wattenmeer selbst sei dagegen noch offen, ob die Watt- und Salwiesenflächen vor den Deichen beim Aufwachsen mit dem Anstieg des Meeresspiegels Schritt halten können. „Ob die Natur diese Schnelligkeit des Wandels mitmachen kann, das wird sich zeigen“, erklärte Hübsch.
Unesco ermahnt Wattenmeer-Anrainer
Ein Handlungsdruck für mehr Klimaschutz im gesamten Wattenmeergebiet besteht darüber hinaus auch seitens der Unesco. Denn 15 Jahre nach dem Erreichen des Weltnaturerbe-Status sind die Anrainer Deutschland, Dänemark und die Niederlande gefordert, die Auszeichnung zu halten. Rohstoffe wie Öl, Erdgas und Salz am Rande oder sogar im Wattenmeer zu fördern, sei nicht mit dem Welterbe-Status vereinbar, hatte die Welterbe-Kommission der Unesco im vergangenen Jahr deutlich gemacht. Die Unesco forderte daher die Staaten auf, von Probebohrungen und einer neuen Rohstoffgewinnung abzusehen.
Die Unesco hatte große Teile des deutschen und niederländischen Wattenmeers am 26. Juni 2009 unter anderem wegen der großen geologischen und ökologischen Bedeutung als Weltnaturerbe ausgezeichnet. Damit steht das Wattenmeer auf einer Stufe mit fast 1.200 anderen Welterbestätten wie etwa mit dem Grand Canyon oder dem Great Barrier Reef. 2011 wurde der Titel um das Hamburgische Wattenmeer erweitert, 2014 kam das dänische hinzu.