Er hat seinen Body gebuidelt und im Film den Helden gespielt. Er trat als Politiker für die US-Republikaner an. Nun ätzt Arnold Schwarzenegger gegen die deutsche Energiewende. Eine Replik.
Vor wenigen Tagen rechnete der österreichische Pensionist Arnold Alois Schwarzenegger, 76, ehemals Hollywood-Star und republikanischer Gouverneur von Kalifornien, auf der Klimakonferenz „Austrian World Summit“ in Wien mit der deutschen Energiepolitik ab. Der Mann, geboren in Thal in der Steiermark, wetterte gegen die Abschaltung der letzten Atomkraftwerke, die dann durch Kohlestrom ersetzt worden seien. Wind- und Solarenergie-Projekte gerieten zudem ins Stocken, beklagte er – und forderte: mehr Atomkraft! Da gluckste die „Bild“ vor Freude und hievte Arnies geistige Ergüsse auf die Titelseite.
Zugegeben, der „Gouvernator“ ist so etwas wie ein Umweltschützer, auch wenn man nicht immer weiß, ob sich der zweifache Großvater nicht auch populistisch und Hollywood-like an die Jugend ranschmeißen will. Womit der Terminator im Ruhestand grundsätzlich recht hat: Die Welt ist längst nicht gerettet! Laut dem jüngsten Bericht des Branchenverbands Energy Institute und der Beratungsfirmen KPMG und Kearney wurde 2023 bei fossilen, also klimaschädlichen Energien ein neues Hoch erreicht – obwohl der Anteil im globalen Energiemix zurückging und grüne Quellen auf dem Vormarsch sind. Erstmals überschritten die C02-Emissionen den Wert von unfassbaren 40 Gigatonnen. Vor allem Indien ist Vorreiter, das Land verbrennt mehr Kohle als Europa und Nordamerika zusammen. Eine klimaneutrale Weltwirtschaft rückt so in immer weitere Ferne.
Arnie sollte besser bei den Fakten bleiben
Dass sich Arnie nun ausgerechnet bei seiner Kritik auf Deutschland kapriziert, ist vor diesem Hintergrund schon ulkig. Man kann viel bemängeln an der Energiepolitik der früheren Großen Koalition und der heutigen Ampel. Aber man sollte es nicht mit falschen Fakten tun.
Denn erstens: Nein, Arnie, die Kohleverstromung hat nach dem Abschalten der deutschen Akw 2023 nicht zugenommen – und schon lange nicht wegen des Abschaltens. Im Gegenteil: Die Kohleverstromung ging insgesamt um 31 Prozent zurück. Dafür stieg der Erdgasanteil. Das ist keine Entwicklung, die grüne Herzen höher schlagen lässt, aber immerhin emittieren laut dem Umweltbundesamt Gaskraftwerke 40 Prozent weniger Treibhausgas als entsprechende Kohlemeiler. Sie sind nur eine Brückentechnik auf dem Weg zu 100 Prozent Grünstrom.Schwarzenegger Milliardär 18.29
Zweitens: Nein, die Energiewende stockt bei uns gerade mal nicht, sondern sie nimmt nach langen Jahren des Stockens wieder Fahrt auf. Obwohl das Thema Klimaschutz bei den Deutschen gerade keine Konjunktur hat. Der Ausbau der Photovoltaik geht sogar deutlich schneller vonstatten als von der Regierung geplant; er boomt förmlich sowohl bei Freiflächenanlagen wie auf den Dächern oder an den Balkons. 2023 kamen 15 Gigawatt Leistung hinzu, Anfang 2024 lieferten rund 3,7 Millionen Solaranlagen 12,4 Prozent des im Jahresverlauf in Deutschland produzierten Stroms.
Photovoltaik boomt, Windkraft folgt
Bei der Windkraft an Land und auf See braucht es noch mehr Tempo, doch hier wurden inzwischen so viele Baugenehmigungen ausgesprochen und Beschleunigungsgesetze verabschiedet wie nie. Es ist damit zu rechnen, dass die Ausbaugeschwindigkeit in Kürze deutlich zulegt, wenn alle Vorgaben die Amtsstuben erreicht haben.
Drittens: Nein, Arnie, Deutschland leidet keinen Strommangel, auch wenn das Ihre Aussagen implizieren. Zwar haben wir 2023 nach 22 Jahren erstmals wieder mehr Strom importiert (Österreich übrigens noch viel mehr!) als exportiert. Aber das hatte nichts mit Atomkraft zu tun, sondern rein wirtschaftliche Gründe: Der Saft war im Ausland hin und wieder billiger zu bekommen. Über die Hälfte der importierten Ware war übrigens Grünstrom, nur etwa ein Viertel Atomstrom – und der exportierte Strom weitgehend Grün. Zudem: Deutschland hätte laut Bundesnetzagentur zu jeder Minute ausreichend Kraftwerkskapazität zur Verfügung gestanden, um die Republik zu versorgen. Es gab also keinerlei Versorgungslücken. Es wird übrigens in der EU andauernd grenzüberschreitend ge- und verkauft, teils wechselt laut der Hertie School die Flussrichtung des Stroms alle 15 Minuten.
Viertens: Auch der Ausbau der Stromnetze schreitet schneller voran als noch im vergangenen Jahr. Selbst die Ladeinfrastruktur für E-Autos wächst kräftig, auch wenn das ewig gestrige Verbrenner-Fans nicht wahrhaben wollen und damit potentielle E-Autokunden verunsichern. Man mag es kaum glauben: Wir sind auf gutem Weg!
Neue Atomkraftwerke wären Risiko für die Volkswirtschaft
Schließlich: Nein, Arnie, wir Deutsche brauchen keine neuen Atomkraftwerke – auch wenn Sie in Kalifornien nach Kräften für den Erhalt der Meiler kämpfen. Diese unflexiblen, sündhaft teuren, unrentablen Kraftwerke helfen uns nicht weiter. Kein Privatunternehmen auf der Welt investiert mehr in diese Technik, wenn nicht ein Staat sie mit Steuergeld massiv subventioniert und absichert. Selbst unser chronisch „technologieoffener“ FDP-Finanzminister Christian Lindner befand schon 2022: Der Bau neuer Akw „gelingt nur mit Staatshaftung. Für einen Marktwirtschaftler ist das bereits ein Anzeichen, dass Kernenergie auch ordnungspolitisch nicht vertretbar ist“.STERN PAID 13_23 Energiewende Wasserstoff18.45
Laut einer Studie der Technischen Universität im Auftrag von Greenpeace brächten neue Akw sogar ein volkswirtschaftliches Risiko mit sich. Man denke nur an den Reaktor Flamanville 3 in Frankreich: Der kostete am Ende 13,2 Milliarden Euro – viermal so viel wie geplant. Der Bau dauerte 17 Jahre statt, wie avisiert, fünf. Solche Zahlen würden nicht nur eine Energiewende unfinanzierbar machen, sondern tatsächlich die Versorgungssicherheit gefährden. Viele EU-Länder sind zudem beim Betrieb abhängig von russischen Brennelementen. Wer will das in diesen schweren Zeiten?
Ein bisschen Stolz auf die Energiewende wäre angemessen
Bald werden in Deutschland 60 Prozent des erzeugten und verbrauchten Stroms aus erneuerbaren Quellen stammen. Das ist für ein Land ohne wesentliche fossile Rohstoffe eine sehr gute Nachricht, weil sie zunehmende Unabhängigkeit und perspektivisch sinkende Preise verspricht. Die Deutschen können, bei allen politischen Ruckeleien, stolz darauf sein.
In diesem Sinne, Arnie: Hoitn’s beim Thema deutsche Energiewende besser die Goschn. Jammernde Schwarzmaler haben wir durch die AfD und BSW schon genug. Hasta la vista!