Präsenzpflicht: Harte Homeoffice-Ansagen von Unternehmen – warum machen die das?

Die Deutsche Bank begrenzt die Homeoffice-Optionen ihrer Angestellten. Gut möglich, dass die Präsenzarbeit nicht attraktiv genug ist, sagt eine Expertin.

Die Präsenzarbeit im Büro sorgt für Ärger bei zwei deutschen Großunternehmen: Die Deutsche Bank und Otto verschärfen die Regeln fürs Homeoffice deutlich – zum Frust vieler Mitarbeiter. Bei Otto will man ab Januar zunächst eine Testphase mit einer Anwesenheit von 50 Prozent probieren. Auf die Ankündigung hin soll sich im Intranet gleich Unmut geregt haben. 

Die Deutsche Bank setzt jetzt die bereits im Februar angekündigte Verschärfung ihrer Regeln um: Mitarbeiter dürfen ab 2025 maximal zwei Tage remote arbeiten, Führungskräfte nur einen Tag. Für die restlichen vier bzw. fünf Tage gilt Anwesenheitspflicht. Einmal im Jahr sind zwei Wochen Homeoffice am Stück erlaubt. Die Homeoffice-Grenze liegt damit bei 40 Prozent der Arbeitszeit plus sechs Tage. Zuerst hatte das „Handelsblatt“ berichtet. 

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Die Bank argumentiert mit zu vielen leerstehenden Immobilien und dem Wunsch nach einer besseren Auslastung der Büroflächen – auch an Montagen und Freitagen. Mitarbeiter kritisierten die Inflexibilität des Unternehmens und verwiesen etwa auf die Commerzbank, die offener sei. 

Expertin: Deutsche Bank hat eigene Interessen im Blick

„Die Deutsche Bank argumentiert gerade vor allem mit Unternehmensinteressen“, sagt Führungskräfte-Coachin Teresa Stockmeyer. Sie kümmert sich bei ihrer Arbeit darum, dass Teams besser zusammenarbeiten können. Wirtschaftlich betrachtet, sei der Schritt der Deutschen Bank vielleicht nachvollziehbar. „Für Angestellte, die viel im Homeoffice arbeiten, hat dieser Wunsch aber zunächst viele Nachteile.“

Sie höre sehr häufig, dass Menschen im Büro nicht so gut arbeiten können, weil es nicht ausreichend Arbeitsplätze und Meetingräume gebe, weil der Lärmpegel hoch sei und sie genauso viel in Meetings säßen wie zu Hause. Austausch mit den Kollegen, die sonst noch im Büro sind – die eigentliche Motivation für Präsenzarbeit –, hätten sie hingegen nicht. 

Reaktionen von Bank-Angestellten auf die Ankündigung sollen sich Berichten des „Handelsblatts“ zufolge um genau diese Themen gedreht haben. Insgesamt habe es über 1300 Kommentare gegeben, die meisten davon negativ. So monierten Beschäftigteunter anderem, die Bank habe ihre Bürofläche bereits so deutlich verkleinert, dass es gar nicht einfach sei, überhaupt einen vernünftigen Arbeitsplatz im Büro zu finden. Andere ärgerten sich demnach über die pauschale Erhöhung der Präsenzpflicht, weil ihre Teams ohnehin verstreut seien und man deshalb gar nicht alle Kolleginnen und Kollegen im Büro treffen könne.

Amazon erlaubt gar kein Homeoffice mehr

Der Homeoffice-Streit bei der Deutschen Bank reiht sich ein in gleich mehrere Ankündigungen von Unternehmen, künftig die Stellschrauben anzuziehen bei Heimarbeit zu sein: Amazon verbietet seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern das Homeoffice ab dem neuen Jahr ganz. Bei SAP ist der Betriebsrat sogar wegen der aus seiner Sicht zu strengen Regeln vor Gericht gezogen. Das Ergbnis: SAP-Mitarbeiter dürfen jetzt weiterhin zwei Tage mobil arbeiten.

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Ausnahmen „aus persönlichen Gründen“ sind bei der Deutschen Bank zwar nach Absprache mit den Vorgesetzten weiterhin erlaubt. Für Angestellte, die bisher 60 Prozent Homeoffice gemacht haben, gibt es außerdem eine Übergangsregelung: Sie erhalten zwölf flexible Homeoffice-Tage zusätzlich. Ab 2026 sollen dann aber für alle die gleichen Regeln gelten. Im Ausland, wo die Betriebsräte nicht zustimmen müssen, wurde die 40-Prozent-Regel sofort durchgesetzt. 

Welchen Mehrwert hat die Präsenzregel für wen?

Wer wolle, dass seine Angestellten regelmäßig ins Büro kommen, der müsse die Nachteile durch eine gute Arbeitsumgebung und gutes Material aufwiegen, sagt Stockemeyer Capital. Außerdem gehe es um die Art und Weise der Kommunikation: Welchen Mehrwert hat mehr Präsenz für wen?

„Wenn Mitarbeiter das Gefühl haben, sie werden mehr gehört und gesehen, wenn sie im Büro sind, haben sie sicherlich viel weniger ein Problem damit auch nach Arbeitsfortschritten und Ergebnissen gefragt zu werden“, sagt Stockmeyer mit Blick auf das Thema Kontrolle und Produktivität. 

Ein erster wichtiger Schritt, um den Austausch zu fördern, ist aus ihrer Sicht, Meetings zu reduzieren. „Oder man organisiert physische, moderierte Meetingformate wie Workshops, Kreativ- und Strategiesessions, in denen man strukturiert gemeinsam an Ideen und Maßnahmen arbeitet“, sagt sie. „Am Ende müssen Ergebnisse stehen, für die es sich gelohnt hat physisch zusammengekommen zu sein.“ Neben den formalen Meetings könnten informelle Formate wie monatliche Team-Lunches, „Blind Lunch Dates“ oder „Walk and Talk Meetings” zusätzliche Anreize sein, dass Menschen gerne ins Büro kommen. 

Wichtig bei all dem sei vor allem: Führungskräfte müssen Vorbilder sein und an Präsenztagen für das Team ansprechbar und verfügbar sein.

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