Mehr als 20 Jahre saß Marco Wanderwitz im Bundestag. Nun kandidiert er nicht mehr, die Anfeindungen und Drohungen seien zu viel geworden. Er ist damit nicht allein.
Der sächsische CDU-Bundestagsabgeordnete Marco Wanderwitz tritt bei der Neuwahl des Bundestages im Februar nicht mehr an. Der 49-Jährige begründete dies im Gespräch mit der Chemnitzer „Freien Presse“ mit zunehmenden Anfeindungen gegen sich. „Ich muss meine Familie und mich körperlich und seelisch schützen“, sagte der CDU-Politiker.
„Die Angriffe der brutalen Schreihälse sind immer heftiger geworden. Wir haben es als Zivilgesellschaft nicht geschafft, den Abgeordneten den Rücken zu stärken“, beklagte Wanderwitz. Hass und Bedrohungen gehörten zum politischen Klima, seit die AfD in die Parlamente eingezogen sei.STERN PAID 13_2023 Interview Sawsan Chebli 6.31
Wanderwitz Befürworter eines AfD-Verbotsverfahrens
Wanderwitz gehörte dem Parlament seit 2002 an. In der vergangenen Legislaturperiode war er zeitweilig Ostbeauftragter der Bundesregierung. Wanderwitz gehörte zuletzt zu den Initiatoren, die ein AfD-Verbotsverfahren befürworten. Mehr als 100 Unterschriften aus verschiedenen Fraktionen sammelte die Gruppe und reichte sie vergangene Woche beim Bundestagspräsidium ein. Bei der Bundestagswahl 2021 hatte Wanderwitz seinen Wahlkreis Chemnitzer Umland – Erzgebirgskreis II an den AfD-Kandidaten Mike Moncsek verloren, zog aber über die Landesliste in den Bundestag ein.
„Ich werde kommendes Jahr 50. Das ist ein guter Zeitpunkt, an dem ich selbstbestimmt noch einmal etwas Neues anfangen kann. Darauf freue ich mich“, sagte Rechtsanwalt Wanderwitz der Zeitung. Was er nach seinem Abgang aus der Politik plane, darüber wolle er allerdings nicht sprechen, das sei jetzt Privatsache.
Viele Politiker werden bedroht und angefeindet
Wanderwitz ist nicht der erste Politiker, der in jüngster Zeit wegen Anfeindungen und Drohungen sein Mandat aufgeben will.
So erklärte die sächsische CDU-Bundestagsabgeordnete Yvonne Magwas bereits im Juli, sich aus der Politik zurückzuziehen. Sie ist derzeit stellvertretende Präsidentin des Parlaments. In einer persönlichen Erklärung teilte die 44-Jährige mit, 2025 nicht erneut für den Bundestag kandidieren zu wollen. „Zur Wahrheit gehört auch, dass das gesellschaftliche Klima in den letzten Jahren erheblich rauer geworden ist, insbesondere in Sachsen (…) Es wird gelogen, diskreditiert, gehetzt.“ Als Abgeordnete stehe man dabei besonders im Feuer. „Ich habe viel an Beleidigungen, Bedrohungen, aber leider auch viel Gleichgültigkeit erlebt. Das raubt Kraft.“Diese Fraktionen und Abgeordneten fehlen am häufigsten im Bundestag7:05
Auch der Landrat des Kreises Mittelsachsen, Dirk Neubauer (parteilos), trat unter anderem wegen Bedrohungen „aus rechter Ecke“ zurück. In einer persönlichen Erklärung auf seinen Social-Media-Kanälen begründete er den Schritt vor allem mit persönlichen Anfeindungen und fehlenden Durchsetzungsmöglichkeiten. Seine Amtszeit wäre noch bis 2029 gelaufen.
„Ich bin seit Monaten konfrontiert mit einer persönlichen diffusen Bedrohungslage aus rechter Ecke, hauptsächlich Freie Sachsen und ähnliche“, sagte Neubauer. Es sei ein Punkt erreicht, an dem er sagen müsse: Es reicht.
Er gehe aber nicht in die Knie „vor ein paar Krakeelern“, betonte der Noch-Landrat. Ausschlaggebend sei auch ein fehlender politischer Gestaltungswille in der Region.
Bei dem im Senegal geborenen SPD-Abgeordneten Karamba Diaby wurde spekuliert, dass er sich wegen rassistischer Angriffe zurückzieht – was er dementiert. Neben Morddrohungen und Beleidigungen wurden mehrfach Anschläge auf dessen Büro verübt.