Bundesrat: Thüringen sorgt mit Votum zu Krankenhausreform für Aufsehen

Wenn sich die Thüringer Landesregierung bei Bundesrats-Entscheidungen uneinig ist, enthält sie sich normalerweise. Doch dieses Mal kam es anders.

Es ist ein ungewöhnlicher Vorgang: Weil sich Thüringens geschäftsführende rot-rot-grüne Landesregierung bei der umstrittenen Krankenhausreform auf keine einheitliche Linie einigen konnte, wurde die Stimme des Freistaats im Bundesrat als ungültig gewertet. Staatskanzleichef Benjamin-Immanuel Hoff (Linke) stimmte in der Länderkammer für die Anrufung eines Vermittlungsausschusses. Der Wirtschaftsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) widersprach aber diesem Stimmverhalten.

Eine Anrufung des gemeinsamen Vermittlungsausschusses von Bundesrat und Bundestag, um noch mal an dem Gesetz zu arbeiten, fand letztlich nicht die erforderliche Mehrheit. Thüringens fehlende Stimme war nach Angaben einer Regierungssprecherin aber nicht das entscheidende Zünglein an der Waage. Der Bundesrat macht damit den Weg für die umstrittene Krankenhausreform frei. 

Keine Einigkeit im Landes-Kabinett

Zuvor hatte es schon im Landes-Kabinett am Dienstag keine Einigkeit gegeben. Gesundheitsministerin Heike Werner (Linke) hatte die Pläne von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) schon länger kritisiert und die Anrufung des Vermittlungsausschusses empfohlen. Bei der SPD traf das offenbar auf Widerstand. 

Normalerweise enthält sich Thüringen im Bundesrat, wenn es keine einheitliche Meinung in der Landesregierung gibt. Dieses Mal votierte Linke-Mann Hoff bei der Abstimmung mit „Ja“. Kurz darauf meldete sich Tiefensee und sagte: „Frau Präsidentin, ich stimme mit Nein. Das Ja entspricht nicht den Festlegungen im Vorfeld.“ Hoff entgegnete, nach den Weisungen und in Übereinstimmung mit Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) zu handeln. 

Gesundheitsministerium: Kritik gilt nach wie vor

Eine Sprecherin von Gesundheitsministerin Werner sagte zu der Entscheidung gegen den Vermittlungsausschuss im Bundesrat: „Die Chance, noch ernsthafte und notwendige Verbesserungen zum Gesetz herbeizuführen ist nun vertan.“ Die fachliche Kritik gelte nach wie vor. 

Werner hatte unter anderem mehr Geld für die Krankenhäuser gefordert, dabei ging es etwa um eine Refinanzierung der Kostensteigerungen in den Jahren 2022 und 2023. Hier habe es kein Entgegenkommen vom Bundesgesundheitsministerium gegeben. Außerdem gebe es nach wie vor kein aussagekräftiges Analysetool des Bundes, um die Folgen der Reform abzuschätzen, so die Sprecherin.

Die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion im Thüringer Landtag, Cornelia Urban, sagte hingegen: „Der heutige Tag ist ein guter Tag für das deutsche Gesundheitssystem und für die stationäre Versorgung der Patienten in Thüringen.“ Mehr finanzielle Unterstützung vom Bund wäre natürlich wünschenswert, „aber es ist fünf vor zwölf, wenn es um die Überlebensfrage unserer Krankenhäuser geht“. 

Scharfe Kritik kam von der parteilosen Landrätin des Ilm-Kreises, Petra Enders, die bei den Kommunalwahlen von SPD und Linke unterstützt wurde. „Es ist eine Unverschämtheit von Tiefensee, sich nicht an die Weisung des derzeit geschäftsführenden Ministerpräsidenten zu halten und Parteipolitik vor fachliche Kompetenz und Vernunft zu stellen.“ Sie warnte vor einem Kliniksterben und sprach von einem schwarzen Tag für die Krankenhauslandschaft. 

Reform soll Kliniklandschaft neu ordnen

Das im Bundestag bereits beschlossene Gesetz sieht eine grundlegende Neuordnung der Kliniken in Deutschland vor. Im Kern soll die bisherige Vergütung mit Pauschalen für Behandlungsfälle geändert werden. Künftig sollen Kliniken 60 Prozent der Vergütung allein schon für das Vorhalten bestimmter Angebote bekommen. Das soll Anreize zu immer mehr Fällen und medizinisch teils nicht optimalen Eingriffen beseitigen. 

Vor der Bundesratssitzung hatte es auch Befürchtungen gegeben, eine Anrufung des Vermittlungsausschusses könne die Reform begraben. Unklar blieb, inwieweit der Dissens innerhalb der Thüringer Landesregierung auch darauf beruhte, dass die SPD kurz vor dem Ende der Ampel noch ein zentrales Projekt ihres Bundesgesundheitsministers durchbringen wollte. Offen ist auch, ob letztlich die Tatsache, dass die geschäftsführende Regierung voraussichtlich nur noch wenige Wochen im Amt ist, den Zusammenhalt bröckeln ließ.