Bundesverfassungsgericht: Regel zu ärztlichen Zwangsmaßnahmen teils verfassungswidrig

Spritzen setzen, Blut abnehmen, Medikamente verabreichen – gegen den Willen der Betroffenen. Das geht bisher ausschließlich im Krankenhaus. Das muss sich ändern, sagt das Bundesverfassungsgericht.

Das ausnahmslose Verbot von ärztlichen Zwangsmaßnahmen außerhalb von Krankenhäusern ist teils verfassungswidrig. Das hat das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe entschieden. Die betroffene gesetzliche Regelung sei mit dem Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit teils unvereinbar, erklärte Gerichtspräsident Stephan Harbarth bei der Urteilsverkündung. (Az. 1 BvL 1/24)

Ärztliche Maßnahmen gegen den Willen von Patientinnen und Patienten sind nur als letztes Mittel und unter strengen Voraussetzungen erlaubt. Das Gesetz sieht bisher unter anderem vor, dass sie nur „im Rahmen eines stationären Aufenthalts in einem Krankenhaus, in dem die gebotene medizinische Versorgung des Betreuten einschließlich einer erforderlichen Nachbehandlung sichergestellt ist“ durchgeführt werden dürfen.

Dieser Krankenhausvorbehalt sei insofern nicht verhältnismäßig, wenn Betroffenen dadurch erhebliche Beeinträchtigungen der körperlichen Unversehrtheit drohen, so Harbarth. Diese Beeinträchtigungen müssten zudem in der Einrichtung, in der die Betroffenen untergebracht sind und die einen notwendigen Krankenhausstandard nahezu erreicht, vermieden oder zumindest signifikant reduziert werden können. 

Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte das Thema dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt, weil er die geltende Rechtslage für unvereinbar mit der Schutzpflicht des Staates hielt. Der Erste Senat folgte nun dieser Einschätzung. Den Gesetzgeber verpflichteten die Richterinnen und Richter bis Ende 2026 zu einer Neuregelung. Bis dahin gilt das bisherige Recht fort.