Industrie: Jobabbau zu drastisch? SPD warnt vor Arbeitsschutz-Verstößen

Nordrhein-Westfalens Konjunkturmotor stockt, viele Unternehmen setzen den Rotstift an – mit Thyssenkrupp Steel und Ford auch zwei große. Aber sind die heftigen Kürzungspläne überhaupt rechtens?

Der geplante Stellenabbau in Thyssenkrupps Stahlsparte und beim Autobauer Ford sorgt für rechtliche Bedenken bei der SPD in Nordrhein-Westfalens Landtag. „Ich habe Zweifel, dass der Arbeitsschutz bei dem jetzigen Abbau noch gewährt werden kann“, sagte die arbeitspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Lena Teschlade, in einer Sondersitzung der Ausschüsse für Wirtschaft und Arbeit im NRW-Landtag. Ford möchte in Köln binnen drei Jahren etwa jede vierte der aktuell rund 12.000 Arbeitsplätze streichen, damit hätte sich die Zahl der Jobs binnen zehn Jahren etwa halbiert. Auch Thyssenkrupp Steel will drastisch kürzen.

Sollten die Vorhaben der beiden Firmen umgesetzt werden, würde die Arbeitsverdichtung zunehmen und „zu viel Arbeit auf zu wenige Köpfe verteilt“, warnte die Sozialdemokratin. Der Arbeitgeber müsse so eine Gefährdungsbeurteilung vorlegen, die wiederum von der zuständigen Behörde geprüft werden müsse. Dabei stehe auch das NRW-Arbeitsministerium in der Verantwortung. „Passt der Stellenabbau zum Arbeitsaufwand? Das muss überprüft werden.“

Droht eine Überforderung der verbliebenen Beschäftigten?

Mit Blick auf den zurückliegenden Stellenabbau äußerte Teschlade die Befürchtung, dass schon diese Stellenreduktion gegen den Arbeitsschutz verstoßen haben könnte. „Wir bekommen Rückmeldungen aus den Unternehmen, dass die Beschäftigten sich überfordert fühlen, dass es eben zu viel Arbeit für zu viele Köpfe ist.“ Dies drohe sich nun zu verschärfen.

Arbeitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) reagierte gelassen auf die Vorwürfe der SPD, dass sein Ressort bei dem Jobabbau in der Vergangenheit möglicherweise nicht aufgepasst habe und künftig zu lasch auf das Thema blicken könnte. „Was Arbeitsschutz angeht, war Ford in der Vergangenheit immer ein Musterknabe.“ 

Die Arbeitsschutz-Verpflichtungen gälten natürlich auch für die jetzigen Abbaupläne, sagte Laumann. Allerdings müssten die Verhandlungen zwischen Management und Betriebsrat erst abgeschlossen sein und definiert sein, welche Personalreduzierung es in welchen Bereichen geben werde – erst dann könne das Land sich die Gefährdungsbeurteilung anschauen.

Generell würden ihm nur wenige Arbeitsschutzprobleme von großen Industriebetrieben zutragen, sagte Laumann. „Die Briefe, die ich bekomme, sind eher aus dem Mittelstand.“ Dieser sehe es „mit der Bürokratie und dem, was man so aufschreiben muss“, mitunter nicht so ernst.

Personalbestand schrumpft und schrumpft

Der Stahlhersteller Thyssenkrupp Steel mit seinem Hauptsitz in Duisburg möchte in den kommenden sechs Jahren die Zahl seiner Arbeitsplätze von derzeit rund 27.000 auf dann nur noch 16.000 reduzieren – 5.000 Jobs sollen gestrichen und 6.000 Jobs verlagert werden, indem ein Geschäftsbereich verkauft wird oder externe Dienstleister die Tätigkeit übernehmen. Ford wiederum hatte 2018 in Köln noch knapp 20.000 Arbeitsplätze, Ende 2027 könnten es nur noch etwas mehr als 9.000 sein.

In den Landtagsausschüssen zeigte man sich erschüttert über das Ausmaß der Jobkürzungen. Die Sozialdemokratin Teschlade sprach von einer „dramatischen Situation“. Der Grünen-Abgeordnete Jan Matzoll wies darauf hin, dass die Probleme der Firmen teilweise hausgemacht seien. So habe Ford in Köln zwei Elektro-Geländewagen entwickelt, die sich nun schlecht verkauften, während Verbrenner-Kleinwagenmodelle wie der Fiesta eingestellt worden seien. 

„Die Nachfrage nach kleinen und Kleinst-Wagen wächst enorm“, sagte Matzoll. Diese Entwicklung räche sich nun für Ford. „Es wurden eklatante Fehler gemacht und die Marktentwicklung wurde von der Ford-Geschäftsführung nicht ernsthaft antizipiert.“ Thyssenkrupp Steel wiederum habe ebenfalls Fehler gemacht. Dennoch zeigte sich Matzoll überzeugt, dass die Firma eine Zukunft habe: „Die Zukunft des Stahls ist grün und die Zukunft des Stahls liegt in Duisburg.“

Forderung nach Staatseinstieg bei Thyssenkrupp Steel

Die SPD sprach sich für einen Staatseinstieg bei dem Stahlhersteller aus. „Wir müssen alle Kräfte darauf verwenden, den historischen Kahlschlag bei Thyssenkrupp abzuwenden“, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung von führenden SPD-Politikerinnen und Politikern aus NRW. „Den langfristigen Erhalt der nordrhein-westfälischen Stahlproduktion kann es nur geben, wenn Land und Bund jetzt bei Thyssenkrupp Steel einsteigen, um insgesamt mindestens ein Drittel am Unternehmen zu halten und es auf seinem Weg zur klimaneutralen Produktion zu unterstützen.“