Analyse: „D-Day“-Dokument: Kann man der FDP noch glauben?

Das FDP-Papier zum Koalitionsbruch zeigt, wie detailliert ihn die Partei plante. Und es könnte ein Indiz dafür sein, dass einige FDP-Politiker in den vergangenen Wochen gelogen haben.

Am Donnerstag ist ein internes Strategiepapier der FDP aufgetaucht, in dem die Liberalen präzise den Koalitionsbruch durchspielen. Dazu gehören konkrete Ablaufszenarien und Formulierungsvorgaben, um das Ampel-Aus vorzubereiten. Der in dem Dokument präsentierte Plan beinhaltet vier Zeitabschnitte, dargestellt in der „Ablaufpyramide“. Die letzte Phase wird als „Beginn der offenen Feldschlacht“ beschrieben. Der Titel des Dokumentes lautet: „D-Day Ablaufszenarien und Maßnahmen“.

Über die politischen Folgen, die die Veröffentlichung des Strategiepapiers haben wird, ist noch nicht entschieden. Nachdem die „Zeit“ und die „Süddeutsche Zeitung“ vor knapp zwei Wochen zum ersten Mal über einen genauen Plan zum Koalitionsbruch berichtet hatten, haben FDP-Politiker wie der Generalsekretär Bijan Djir-Sarai abgestritten, dass für den Zeitpunkt des Koalitionsbruchs intern der Begriff „D-Day“ verwendet wurde. Im Zweiten Weltkrieg war der D-Day der Tag der Landung der Alliierten in der Normandie, um eine zweite Front gegen Nazi-Deutschland zu eröffnen.FDP-Papier zum Ampel-Ausstieg aufgetaucht 17.50

FDP spielt Bedeutung des Dokuments herunter

„Das stimmt nicht. Dieser Begriff (‚D-Day‘) ist nicht benutzt worden. Das ist falsch und was der FDP medial unterstellt wird, ist eine Frechheit“, behauptete Djir-Sarai in der ntv-Sendung „Frühstart“ am 18. November. Die Vorsitzende der Jungen Liberalen, Franziska Brandmann, sagte in einer „Spiegel“-Talkrunde: „Ich kenne alle Personen, die bei den Gesprächen dabei gewesen sein sollen. Und ich habe mit diesen Personen gesprochen und (…) alle von denen haben mir gegenüber klargemacht, dass sie von dem Wort nichts gewusst haben und es nicht gesagt haben.“ Wolfgang Kubicki, stellvertretender Parteichef und Bundestagsvizepräsident, erklärte die gesamte Recherche gar zu einem „Märchen“. Im Podcast von „The Pioneer“ sagte er: „Ich halte das für eine glatte Lüge. Ich kann definitiv ausschließen, dass das stimmt.“

Djir-Sarai und weitere Parteikollegen sagten da womöglich die Unwahrheit.

Das Dokument scheint ein Hinweis darauf sein. Denn laut der Wochenzeitung „Die Zeit“ war auch der FDP-Generalsekretär im Raum, als die FDP-Spitze ihre Ausstiegspläne diskutierte und ihre Rhetorik immer weiter zuspitzte – bis Tage später der Begriff „D-Day“ kursierte. Wenn dort das nun veröffentlichte Dokument in Grundzügen besprochen wurde, stellt sich die Frage: Hat Djir-Sarai eine Erinnerungslücke – oder lügt er?SPD feiert Ampel-Aus 04.3

Dass es konkrete „Gespräche“ über einen Koalitionsbruch gab, hat die FDP jedenfalls nie bestritten. 

Noch ist nicht restlos geklärt, welche Adressaten das Papier hatte. Nach Informationen der „Zeit“ soll das Dokument am 24. Oktober erstellt worden sein. Die aktuelle Fassung, die die FDP inzwischen selbst veröffentlichte, stammt vom 5. November. Federführend war Bundesgeschäftsführer Carsten Reymann, wie die Liberalen der „Zeit“ bestätigten.

Allerdings wird in dem Statement die Bedeutung des Papiers heruntergespielt. Es sei „kein Gegenstand der politischen Beratung von gewählten Mandatsträgern und Regierungsmitgliedern gewesen“. Djir-Sarai weist den Vorwurf, er habe das Papier und den Begriff „D-Day“ gekannt, weiterhin zurück: „Das Papier ist auf Ebene der Mitarbeiter entstanden. Niemand aus der Führung der FDP kannte das Papier“, sagte er der Zeitung „Welt“. 

Quellen: DPA, „Zeit„, „Süddeutsche Zeitung„, ntv