Vertrag läuft aus: Kimmich lässt den FC Bayern zappeln – wohl auch wegen alter Wunden

Der Vertragspoker zwischen Joshua Kimmich und den Bayern ist eröffnet. Beim DFB-Kapitän dürfte auch sein angeknackstes Verhältnis zum Verein eine Rolle spielen.

Bleibt er oder geht er? Eigentlich verkörpert Joshua Kimmich den FC Bayern wie kaum ein anderer Spieler. Doch noch ist unklar, ob der 29-Jährige auch langfristig in München spielen wird. Sein Vertrag läuft im Sommer aus, dann könnte Kimmich (Marktwert: 50 Millionen Euro) ablösefrei gehen. STERN PAID Interview Kimmich 6.05

Der Poker um eine Verlängerung ist offiziell eröffnet. Der FC Bayern würde lieber heute als morgen mit seinem Mittelfeldstrategen einen neuen Vertrag abschließen. „Es gibt noch keine Verlängerung. Joshua weiß, dass wir es wollen. Wir sind bereit, wenn er Ja sagt, dass wir das auch final über den Tisch bringen“, sagt Sportvorstand Max Eberl. Doch Kimmich lässt den Verein, bei dem er seit 2015 spielt, trotz dessen intensiver Bemühungen zappeln.

Impf-Debatte wirkt bei Joshua Kimmich nach

Noch hält sich der DFB-Kapitän bezüglich seiner Zukunft bedeckt. Er spreche mit seiner Familie und dem Verein – „und dann schauen wir mal, was dabei rauskommt“, sagte Kimmich vor drei Wochen. Laut Medienberichten soll es Interesse von großen Konkurrenten aus dem Ausland geben, Paris St.-Germain und der FC Barcelona werden gehandelt. In Barcelona würde Kimmich wieder unter Hansi Flick spielen, mit er beim FC Bayern in nur anderthalb Jahren sieben Titel gewonnen hat.

Dass Kimmich noch kein klares Ja zu einer Zukunft beim FC Bayern gefunden hat, dürfte auch an Erfahrungen aus der Vergangenheit liegen, die bei dem Mittelfeldspieler nachwirken. Nicht immer fühlte er sich beim Rekordmeister unterstützt und wertgeschätzt. Da war beispielsweise die Impf-Diskussion während der Pandemie: Kimmich wollte sich zunächst nicht gegen Covid-19 impfen lassen und musste dafür viel öffentliche Kritik einstecken, teils auch unter der Gürtellinie.

In dieser Zeit vermisste er die klare Unterstützung seines Vereins, erzählte Kimmich zweieinhalb Jahre später in einer ZDF-Doku: „Ich habe mich zu lange alleingelassen gefühlt.“ Er sei „enttäuscht und auch getroffen“ gewesen von der Reaktion des FC Bayern, sein Vertrauensgefühl gegenüber dem Verein sei „kaputtgegangen“.Fußball-Stars und ihre Ausbildungsberufe 17.25

Kimmich und der FC Bayern – ein schwieriges Verhältnis

Präsent sind auch noch die Diskussionen aus der vergangenen Saison, als Kimmich und Trainer Thomas Tuchel sich immer mehr entfremdeten. Tuchel verlieh von Anfang an seinem Wunsch nach einer „holding six“, also einem defensiver eingestellten Spieler auf der Sechserposition Ausdruck. Damit einher ging die Botschaft, dass er mit Kimmich und seiner Interpretation dieser Position nicht zufrieden war.

Kimmich fand sich immer häufiger auf der ungeliebten rechten Abwehrseite wieder, schon bald galt das Verhältnis zwischen Trainer und Star gelinde gesagt als belastet. Und auch Sportvorstand Max Eberl versuchte ab und an, den 29-Jährigen mit öffentlichen Spitzen zu kitzeln. Sogar ein Verkauf von Kimmich stand zeitweise im Raum. 

Tuchel ist in München längst Vergangenheit, bei Vincent Kompany ist Joshua Kimmich wieder der unumstrittene Chef. Doch ganz vergessen und verziehen haben dürfte der Nationalmannschaftskapitän die Unstimmigkeiten der vergangenen Jahre nicht. Bei der Vertragsverlängerung spielt das Stichwort Wertschätzung sicher eine nicht zu unterschätzende Rolle.

Knackpunkt Wertschätzung: Eberl lockt mit Legendenstatus

Bei diesem Begriff rollen die Bayern-Bosse womöglich mit den Augen, hat er ihnen doch schon einigen Ärger bereitet. Prominentestes Beispiel: David Alaba, der sich finanziell nicht genügend gewürdigt sah und deshalb nach langem öffentlichen Tauziehen zu Real Madrid wechselte. Bei Kimmich – mit etwa 20 Millionen Euro einer der Topverdiener im Team – könnte eher die menschliche Komponente den Ausschlag geben.

Max Eberl, selbst erst seit März dieses Jahres im Verein, kennt die Problematik. „Joshua hatte eine Zeit, wo sich alle nicht ganz wohlgefühlt haben, wo alle ein Stück weit sich nicht so verhalten haben, wie es sein muss“, sagt er. „Joshua hat gezeigt, gerade im Mittelfeld wieder, was er für eine Qualität hat. Er kommt wieder auf das Level, wo er schon einmal war, wo er einer der besten Mittelfeldspieler der Welt war.“

Der Sportvorstand lockt mit Legendenstatus. „Josh kann jetzt entscheiden: Möchte er nochmal ein großes Abenteuer gehen? Oder möchte er eine weitere Legende bei Bayern München werden?“, äußerte sich Eberl. Nach dem Karriereende von Manuel Neuer und Thomas Müller soll Kimmich neuer Kapitän und das Gesicht des FC Bayern werden. Ob Joshua Kimmich sich davon überzeugen lässt, werden die kommenden Wochen zeigen.

Quellen: Sky, ZDF, „Sport Bild“, „Transfermarkt“, DPA