Notunterkünfte: Obdachlosenhilfe rüstet sich für die kalte Jahreszeit

Die größeren Städte rüsten sich für die Winter-Hilfsangebote für Obdachlose. Eine deutliche Zunahme des Bedarfs ist kaum spürbar – allerdings wird Obdachlosigkeit immer öfter zur Einbahnstraße.

Die größeren Kommunen in Thüringen sehen sich für die Versorgung von Obdachlosen im kommenden Winter gut vorbereitet. „Wie jedes Jahr füllt sich die Notschlafstelle mit dem Absinken der Temperaturen, sodass nur noch wenige Plätze zur Verfügung stehen“, erklärte etwa Sprecherin Mandy Plickert für die Stadt Weimar. „Trotz allem sieht sich die Stadt gut in Sachen Kältehilfe aufgestellt.“ Auch Eisenach, Mühlhausen, Suhl, Jena, Gera und Erfurt haben sich für die höhere Nachfrage im Winter gerüstet.

Grundsätzlich seien in den meisten Städten die Kapazitäten an Schlafplätzen und – so vorhanden – den Orten zum Aufwärmen gleich geblieben, so die Sprecher. Während in den warmen Monaten viele der ganzjährig geöffneten Einrichtungen nur spärlich genutzt würden, steige die Nachfrage im Winter deutlich an. Wohnheime seien dann etwa in Weimar und Suhl bis zur Belegungsgrenze besetzt.

Langjähriger Bedarf konstant

Übereinstimmend hieß es, dass der langjährige Bedarf weitgehend konstant sei. Die Zahl der Schlafplätze erhöhte sich daher in den vergangenen Jahren nur in wenigen Städten. So wurden etwa in Suhl die Zimmer um jeweils einen Schlafplatz aufgestockt. Diese Entscheidung sei aufgrund einer statistisch steigenden Zahl von Wohnungskündigungen, Räumungsklagen und Zwangsräumungen getroffen worden. Zudem werde es für die Betroffenen trotz verschiedener Unterstützungsangebote immer schwerer, eine eigene Bleibe zu finden. So sei es keine Seltenheit, dass Menschen länger als ein Jahr in den Unterkünften leben müssten.

Dieser Trend wurde auch in anderen Kommunen beobachtet: Grundsätzlich steckten hinter der Obdachlosigkeit oft gleich mehrere Problemlagen, von Süchten über Geldsorgen bis hin zu psychischen Problemen oder Folgen von Prostitution. Verschärfend komme in den vergangenen Jahren hinzu, dass Wohnraum immer teurer und besonders kleine Wohnungen immer knapper würden, hieß es aus mehreren Städten. „Die Notlösung wird so zum Dauerzustand“, sagte Suhls Stadtsprecher Steven Bickel.

Wie viele Menschen genau von Obdachlosigkeit betroffen seien, ließe sich grundsätzlich nur schwer ermitteln, hieß es übereinstimmend. So pendelten viele Betroffene zwischen Schlafplätzen bei Bekannten oder Verwandten. Zudem gebe es immer wieder Fälle, in denen die Betroffenen eine Unterbringung ablehnten und auch keine Unterstützung wünschten. Die Dunkelziffer sei daher vermutlich deutlich höher.

Mehr Beratungsbedarf

Spürbar gestiegen sei etwa in der Stadt Weimar der Beratungsbedarf für Menschen ohne feste Bleibe, berichtete Plickert. Insbesondere meldeten sich mehr Frauen und Menschen, die aus familiären Krisen heraus eine Unterkunft benötigten. Für Männer seien dort bereits jetzt alle Plätze in der Notschlafstelle belegt. Darunter befänden sich auch Menschen, die aufgrund ihrer Alkohol- und Drogenprobleme eigentlich Pflegefälle wären, für die es aber keine Pflegeplätze gebe. 

Auch aus Gera wurde ein höherer Hilfsbedarf für Menschen mit multiplen Krankheitsbildern und Pflegebedarf gemeldet. Hier gebe es auch zunehmend sprachliche Barrieren, vor allem auch bei Obdach suchenden EU-Bürgern, erklärte eine Sprecherin. Deshalb werde dort an einem neuen Konzept für die Obdachlosenarbeit gearbeitet. Im Tagestreff „Suppenküche“ der Erfurter Caritas sei die Nachfrage in den vergangenen Jahren ebenfalls kontinuierlich angestiegen, hieß es von einem Caritas-Sprecher.

Handlungsbedarf gibt es nach Ansicht der Stadt Jena bei der Umsetzung der Wohnungsnothilfe: Jena sei auf diesem Gebiet sehr gut aufgestellt, allerdings gebe es in den Kommunen teils fundamentale Unterschiede bei den Angeboten, so eine Sprecherin der Stadt. Für die Zukunft wäre daher die Einführung von Mindeststandards für ganz Thüringen sinnvoll, um überall ein gutes Niveau zu erreichen.