Mit einem flächendeckenden Warnstreik erhöht die IG Metall den Druck auf Volkswagen. Auch am Standort Baunatal stehen die Bänder zeitweise still.
Mit Trillerpfeifen, Trommeln und Hupkonzerten hat die Belegschaft des zweitgrößten Volkswagen-Werks Kassel-Baunatal ihrem Ärger lautstark Luft gemacht. An dem einzigen hessischen Standort des Wolfsburger Autobauers traten am Montag Tausende Beschäftigte in einen Warnstreik.
„Das Ziel heute ist, ein klares Signal an den Vorstand zu setzen, sich jetzt endlich an den Verhandlungstisch zu bewegen und auf uns zuzukommen“, sagte der 1. Bevollmächtigte der IG Metall Nordhessen, Oliver Dietzel. „Der Vorstand beharrt auf den Maximalforderungen: Absenkung von Entgelten, Werksschließungen, Entlassungen.“ Das sei mit der IG Metall so nicht zu machen. „Wir erwarten jetzt Bewegung. Deshalb bewegen wir uns.“
Warnstreik auf zwei Stunden begrenzt
Im Rahmen einer Früh-Schluss-Aktion legten die Beschäftigten die Arbeit ab 12.30 Uhr nieder und verließen ihren Arbeitsplatz zwei Stunden vor ihrem regulären Schichtende am Mittag. Sämtliche weitere Schichten sollten ebenfalls zwei Stunden früher als ursprünglich geplant enden. Die IG Metall ging von insgesamt 12.000 bis 13.000 Teilnehmern an dem Warnstreik aus.
„Die Menschen sind sauer und haben Angst“, erklärte Dietzel. Niemand wisse, wie es weitergehe. „Und wir stehen kurz vor Weihnachten. Da hätten wir natürlich gerne Klarheit. Bislang wissen wir vom Vorstand aber nur, was alles nicht geht. Er hat noch keinen Vorschlag gemacht, was gehen könnte.“
„Es ist Enttäuschung auf allen Seiten bei den Mitarbeitern“, sagte eine Beschäftigte des Werks. Die Ängste und Sorgen seien groß. Eine baldige Lösung des Konfliktes sei natürlich wünschenswert, ergänzte eine Kollegin. „Aber ich glaube nicht daran. Dafür ist die Eskalationsspirale schon viel zu sehr in Fahrt.“
Betriebsversammlung am Dienstag
Der Betriebsratsvorsitzende des VW-Werks in Baunatal, Carsten Büchling, kündigte für Dienstag eine zentrale Betriebsversammlung für alle Beschäftigten an, in der er über die aktuelle Situation des Konzerns und des Werks berichten will. „Ich gehe davon aus, dass wir in vielen Beiträgen von den Beschäftigten selbst die große Unzufriedenheit, die große Wut und auch die große Verunsicherung hören und spüren werden“, sagte Büchling. Sollte die nächste Verhandlungsrunde in einer Woche scheitern, sei auch ein 24-Stunden-Streik nicht mehr ausgeschlossen, betonte er.
Mit rund 15.500 Mitarbeitern ist Baunatal im Landkreis Kassel das weltgrößte Komponentenwerk des Volkswagen-Konzerns – es gilt als größter Arbeitgeber Nordhessens. In Baunatal werden weite Teile des elektrischen Antriebsstrangs hergestellt.
VW will Löhne kürzen
An insgesamt neun VW-Standorten traten die Mitarbeiter in den Warnstreik. In dem Konflikt geht es um die Bezahlung der rund 120.000 Beschäftigten in den Werken der Volkswagen AG, wo ein eigener Haustarif gilt. Hinzu kommen mehr als 10.000 Mitarbeiter bei VW Sachsen, für die 2021 eine Angleichung an den Haustarif vereinbart wurde.
VW fordert wegen der schwierigen Lage des Konzerns zehn Prozent Lohnkürzung. Zudem stehen Werksschließungen und betriebsbedingte Kündigungen im Raum. Die IG Metall will das verhindern und fordert stattdessen eine Zukunft für alle Standorte – ohne Werksschließungen und betriebsbedingte Kündigungen.
Konzern lehnt IG-Metall-Vorschlag ab
VW hatte zuvor erklärt, man respektiere das Recht der Mitarbeiter auf Warnstreiks und setze weiter auf eine einvernehmliche Lösung mit der Arbeitnehmerseite. In der Sache zeigte sich der Konzern aber hart: Ein Gegenkonzept von IG Metall und Betriebsrat für Einsparungen ohne Entlassung und Werksschließung hatte VW erst am Freitag als unzureichend abgelehnt.
VW begründet die Einschnitte mit hohen Kosten und einer geringen Auslastung. Angesichts der schwachen Nachfrage nach Neuwagen müsse VW seine Sparbemühungen verstärken. Laut Markenchef Thomas Schäfer werde man dabei um Werksschließungen wohl nicht umhin kommen.
Erst am Wochenende war bei Europas größtem Autobauer die Friedenspflicht ausgelaufen, in der Arbeitskämpfe nicht erlaubt waren. Bei Volkswagen ist es der größte Ausstand seit Jahren. Flächendeckende Warnstreiks an allen großen Werken in Westdeutschland gab es zuletzt 2018. Nach Angaben der IG Metall beteiligten sich damals mehr als 50.000 Beschäftigte.