Übergriffe auf Frauen: „Gäste können sich raushalten“: Das Tauziehen um den Klaasohm-Brauch auf Borkum

An dem Klaasohm-Brauch auf Borkum, bei dem unter anderem Frauen geschlagen werden, gibt es heftige Kritik. Doch einige Frauen auf der Insel verteidigen das Fest auch.

Seit vielen Generationen wird auf Borkum der Klaasohm-Brauch gepflegt. Am 5. Dezember, dem Vorabend von Nikolaus, verkleiden sich junge, unverheiratete Männer mit Masken, Fellen und Federn. Zur Tradition gehört auch, dass die Männer junge Frauen festhalten und mit Kuhhörnern auf den Hintern schlagen.Frauen geschlagen – Kritik an Nikolaus-Tradition «Klaasohm» 18.37

In diesem Jahr regt sich heftige Kritik an dem Brauch, das Fest wird als „frauenfeindlich“ kritisiert. Bisher war Klaasohm außerhalb der ostfriesischen Insel mit nur 5000 Einwohnern kaum bekannt. Durch einen Beitrag in der ARD-Sendung „Panorama“ aber hat die Tradition bundesweit Aufmerksamkeit bekommen, die Übergriffe auf Frauen sorgen für Entsetzen. Mit Außenstehenden reden Inselbewohner nur ungern über die Tradition. So schwarzweiß, wie es sich vom Festland her darstellen mag, ist die Lage auf Borkum aber nicht. Auf der Insel wird darum gerungen, wie es mit dem jahrhundertealten Brauchtum weitergehen soll.

Klaasohm auf Borkum: „Brauch des Schlagens“ wird abgeschafft

In der „Panorama“-Ausgabe hatten Inselbewohnerinnen anonym davon berichtet, wie sie unter der jährlichen Tradition leiden. „Warum müssen wir das mit uns machen lassen? Und aus welchem Grund findet man das gut?“, fragt eine Frau in der Sendung. Eine andere Insulanerin sprach von einer „Frauenjagd“: „Man fühlt sich einfach nur ängstlich, weil man weiß, dass es bald wahnsinnig wehtun wird.“STERN PAID Psychische Gewalt nach Trennung 18:08

Nach der Ausstrahlung prasselte Kritik auf die Veranstalter des Festes ein. Bald zog der Verein Borkumer Jungens Konsequenzen und kündigte an, den „Brauch des Schlagens“ abzuschaffen. Man wolle den Fokus stattdessen „auf das legen, was das Fest wirklich ausmacht: den Zusammenhalt der Insulanerinnen und Insulaner“. „Wir distanzieren uns ausdrücklich von jeder Form der Gewalt gegen Frauen und entschuldigen uns für die historisch gewachsenen Handlungen vergangener Jahre“, heißt es in einer Stellungnahme. Auch die Polizei kündigte „eine Null-Toleranz-Linie“ an. 

Frauen demonstrieren für das Fest

Doch auf Borkum sind nicht alle erfreut darüber, wie der Brauch in der Öffentlichkeit dargestellt wird. Auch Frauen setzen sich für den Erhalt ein. Am Sonntag demonstrierten auf der Nordseeinsel 150 bis 200 Frauen. „Wir lassen uns das Klaasohm-Fest nicht kaputtmachen“, stand auf einem Transparent. 

Nach Angaben der Polizei seien die Demonstrantinnen durch die Straßen der Gemeinde gelaufen und sollen durch Kuhhörner geblasen haben. Der spontane und friedliche Protest sei nicht angemeldet gewesen. „Ich habe den Klaasohm all die Jahre als ein freundliches und fröhliches Fest empfunden“, erklärte eine Teilnehmerin. 

„Wer dieses Fest nicht kennt und kein Borkumer ist, kann nicht mitreden. Es ist der höchste Tag für Borkumer und die Gäste können sich da bitte raushalten“, schreibt eine Inselbewohnerin auf Facebook. Zu dem Fest gehören auch rituelle Kämpfe, Umzüge, Geschenke für Kinder sowie Sprünge von einer Säule in die Menschenmenge. STERN WPP African Survivors 09.21

Inselbewohner fühlen sich missverstanden

Viele Inselbewohner fühlen sich durch die Berichterstattung in den überregionalen Medien missverstanden. Gewalt an Frauen sei nie ein großer Bestandteil des Festes gewesen, stellte Borkums Bürgermeister Jürgen Akkermann klar. „Heutzutage feiern Frauen, Männer und Kinder auf den Straßen, in den Lokalen und in den Häusern gemeinsam. Leider kommen aber positive Stimmen im Bericht nicht zu Wort.“ Die Berichterstattung kritisierte Akkermann als „tendenziös und unseriös“. 

Das Fest ist auf Borkum tief in der lokalen Tradition verankert. Seine Ursprünge soll es in der Zeit der Walfänger haben. Der Legende nach wollten die Männer nach ihrer Rückkehr von der See am Ende des Jahres klarmachen, dass wieder das Sagen auf der Insel haben. Das Fest wird mindestens seit dem 19. Jahrhundert gefeiert und fiel nur während des Zweiten Weltkriegs sowie während der Corona-Pandemie aus. Sicher ist: In diesem Jahr wird am Abend vor Nikolaus das ganze Land genau nach Borkum schauen.

Quellen: Polizei Leer/Emden, DPA, Ostfriesen-Zeitung, Ostfriesen.tv