Fast alle Industrienationen halten sich mit Direktinvestitionen in China zurück. Nur die Deutschen nicht. Ein fataler Fehler.
In China für China produzieren – so lautet die griffige Formel, auf die sich große Teile der deutschen Industrie festgelegt haben. Deshalb steigen ihre Direktinvestitionen in der Volksrepublik weiter stark an, während sich fast alle anderen Industrienationen zurückhalten. Im ersten Halbjahr lagen sie bei 7,3 Milliarden. Euro. Und sie dürften weiter anwachsen. Dafür sorgt allein schon die Wiederwahl Donald Trumps in den USA. Viele Unternehmen erwarten künftig deutlich größere Probleme in den deutsch-chinesischen Wirtschaftsbeziehungen, wenn die Amerikaner erst einmal mit voller Kraft auf Konfrontationskurs gehen. Also wollen sie schnell noch Fakten schaffen.
Die deutschen Unternehmen, die immer noch gegen alle politischen Bedenken auf das China Xi Jinpings setzen, wollen mit ihrer Formel Risiken minimieren. Die Rolle Chinas soll in den globalen Lieferketten sinken – so der erste Teil der Überlegung. Gleichzeitig aber soll die Produktion für den chinesischen Markt steigen. Doch der zweite Teil dieser Formel beruht auf der Hoffnung, dass die chinesische Nachfrage wieder massiv anspringt. Und dass es die Deutschen sein werden, die davon auch besonders profitieren.
Doch diese Hoffnung wird immer brüchiger, je länger sich die jetzige Schwäche der chinesischen Konsumnachfrage fortsetzt. Aus einer Strategie zur Risikominimierung ist mittlerweile eine hochriskante Wette geworden. Denn Wettbewerb funktioniert in der Volksrepublik nicht so wie unter normalen kapitalistischen Bedingungen üblich. Die zentralen Planbehörden in Peking bevorzugen immer stärker ihre heimischen Unternehmen. Und selbst dort, wo sich die Konkurrenz einigermaßen frei entfalten kann, profitieren die heimischen Konzerne von den tausenden Fäden, die sie mit dem Staats- und Parteiapparat verbinden und ihnen einen gewaltigen Informationsvorsprung unter sehr schwer durchschaubaren Verhältnissen sichern.
Die deutsche Industrie ignoriert das Risiko einer großen China-Krise
Vor allem die deutschen Autohersteller und die deutschen Chemiekonzerne sind in China dabei, ins offene Messer zu laufen. Auf ihre stagnierenden oder gar sinkenden Umsätze reagieren sie mit noch stärker steigenden Investitionen – vor allem auch in Forschungs- und Entwicklungszentren vor Ort. Damit verstärkt sich automatisch der Braindrain und der Abfluss deutscher Technologien. Die Investitionen stärken nicht die deutsche Wettbewerbsposition, sondern unterhöhlen sie weiter.
Die Deutschen wollen wieder einmal schlauer sein als alle anderen. Sie fahren einen eigenen nationalen Kurs – so wie vor dem Überfall Russlands auf die Ukraine in der Energiepolitik. Um das neue China-Konzept der Bundesregierung scheren sie sich nicht. Gegen die Forderung nach einer Entkopplung laufen sie Sturm. Und selbst die Bedenken der Japaner und der Südkoreaner, die China schon allein aufgrund geografischer Nähe am besten kennen, wischen sie vom Tisch.Nordkorea Urlaub 19.40
Das alles wird am Ende böse ausgehen. Auf eine große China-Krise bereiten sich große Teile der deutschen Industrie nicht vor. Dabei könnte sie jederzeit kommen, wenn Donald Trumps Falken einen heißen Wirtschaftskrieg gegen China ausrufen. Dann wird sich auch erweisen, ob sich die deutschen Konzerne auf ihre angeblich wasserdichte Strategie verlassen können, das China-Geschäft autark zu machen. Oder ob sie sich nicht doch zwischen den USA und China entscheiden müssen.