Südkoreas Präsident Yoon Suk Yeol kündigt das Kriegsrecht an – Stunden später kommt der Kurswechsel. Wer ist der Mann hinter diesen Entscheidungen?
In einer späten TV-Ansprache wandte sich Yoon Suk Yeol überraschend an seine Nation: „Um ein liberales Südkorea vor den Bedrohungen durch Nordkoreas kommunistische Truppen zu schützen und um anti-staatliche Elemente zu eliminieren (…), rufe ich hiermit das Kriegsrecht aus“, sagte der südkoreanische Präsident am Dienstagabend. Vor der Nationalversammlung in Seoul versammeln sich Demonstranten, das Parlament verlangt die Aufhebung der Maßnahme. Es folgen angespannte Stunden. Dann beugt sich Yoon Suk Yeol dem Protest und kündigt an, das Kriegsrecht aufzuheben.
Wer ist der Mann, der für viele Beobachter unerwartet diesen drastischen Schritt des Kriegsrechts ging? Es war das erste Mal seit mehr als vier Jahrzehnten, dass es in Südkorea verhängt wurde seit dem Ende der Militärdiktatur in den später 1980er Jahren.
Yoon Suk Yeol: früher Staatsanwalt, heute Präsident mit wenig politischer Erfahrung
Yoon, 63, studierte Rechtswissenschaften und arbeitete 26 Jahre lang als Staatsanwalt. Ende 2021 verkündete er seine Kandidatur, in der er für eine liberale Wirtschaftspolitik, die Verbesserung für die Beziehungen mit Japan und einen harten Kurs gegenüber seiner Nachbarn Nordkorea und China warb. Bereits während des Wahlkampfes machte Yoon immer wieder durch Kontroversen auf sich aufmerksam – etwa durch antifeministische Rhetorik, die ihm besonders bei jungen Männern Zuspruch brachte.
Seine Strategie ging auf: Mit einem hauchdünnen Vorsprung und wenig politischer Vorerfahrung gewann er im Mai 2022 die Präsidentschaftswahl in Südkorea. Damit brachte er die Konservativen des Landes mit Forderungen nach einer konfrontativeren Haltung gegenüber Nordkorea und einer stärkeren Allianz mit den Vereinigten Staaten zurück an die Macht. Er löste den progressiven Präsidenten Moon Jae-in ab. FS Seoul Proteste gegen Kriegsrecht in Südkorea 19.00
Bei seiner Vereidigung im Mai desselben Jahres schwor Yoon, für Werte wie Freiheit und die liberale Demokratie einzutreten. Doch bereits kurz nach seiner Wahl begann der Konservative mit Gerichtsverfahren, staatlichen Aufsichtsbehörden und strafrechtlichen Ermittlungen gegen die von ihm als Desinformation bezeichneten Äußerungen vorzugehen – wobei sich seine Bemühungen besonders gegen Medien richteten. So führten Polizei und Staatsanwaltschaft wiederholt Razzien in Wohnungen und Redaktionen durch, denen Yoons Büro die Verbreitung von „Fake News“ vorwarf.
Politisches Patt mit der Opposition
Gemäß seinem Wahlversprechen stoppte Yoon die Entspannungspolitik gegenüber Nordkorea und leitete einen historischen Aussöhnungsprozess mit Japan ein. Im März 2023 reiste Yoon als erster südkoreanischer Präsident seit 2011 nach Japan und bezeichnete am Gedenktag der Unabhängigkeitsbewegung gegen die japanische Besatzung den einstigen militärischen Aggressor aus dem Zweiten Weltkrieg einen „Partner“, der dieselben Werte teile. Die Aussöhnung stand maßgeblich vor dem Hintergrund der Bedrohung durch Nordkoreas Kernwaffenprogramm und der wachsenden militärischen Macht der Chinesen.
Dennoch: Bereits in seinem ersten Jahr im Amt kam es immer wieder zu Protesten, die seinen Rücktritt forderten. Scharf kritisiert wurde er etwa für seine Wirtschaftspolitik und einen handfesten Skandal um seine Ehefrau. Der heutigen First Lady Kim wird unter anderem Steuerbetrug, Bestechung und Korruption vorgeworfen.
Im April erlitt Yoons People Power Party bei den Parlamentswahlen eine vernichtende Niederlage, die der Opposition eine große Mehrheit bescherte. Er befindet sich damit in einem nahezu ständigen politischen Patt mit der Opposition, die das südkoreanische Parlament kontrolliert – und der er nun vorwarf, mit Nordkorea zu sympathisieren.