Kriminalität: Strobl will Nationalität von Straftätern aktiv nennen

Wenn die Polizei über Straftaten informiert, wird in einigen Ländern die Nationalität von Verdächtigen immer genannt, in anderen nur selten. Innenminister Strobl will das ändern – und bekommt Kritik.

Unter welchen Umständen soll die Polizei die Staatsangehörigkeit von Straftätern nennen? Darüber wird seit langem diskutiert, die Regeln der Länder sind unterschiedlich. Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl will nun erreichen, dass die Polizei bundesweit einheitlich bei Straftaten von sich aus auch über die Nationalität der Tatverdächtigen informiert. 

„Bund und Land sollten einheitlich die Nationalitäten von Straftätern aktiv nennen und nur dann davon Abstand nehmen, wenn bestimmte Gründe vorliegen, das nicht zu tun“, sagte der CDU-Politiker der Nachrichtenagentur dpa im Vorfeld der Herbsttagung der Innenministerkonferenz in Stuttgart. Als Ausnahmen nannte Strobl etwa Kinder als Täter oder eine mögliche Gefährdung von Ermittlungen durch die Nennung der Nationalität.

Bisher gingen die Verfahrensweisen in Bund und Land stark auseinander, bemängelte Strobl. Es gebe Länder, die die Nationalitäten grundsätzlich immer nennen würden, und auch solche, die sie grundsätzlich nicht nennen würden. „Das sorgt nicht nur für Unverständnis, sondern spielt auch Hetzern und Extremisten in die Karten, die damit Zweifel und Unzufriedenheit am Staat schüren“, sagte Strobl. Es brauche dringend eine einheitliche Linie. Dafür will sich der CDU-Politiker bei der anstehenden Innenministerkonferenz (IMK) in Rheinsberg in Brandenburg einsetzen.

Kriminologe: Andere Faktoren sind relevanter

Aus Sicht von Experten spielt die Nationalität bei Straftaten allerdings eine untergeordnete Rolle. Die Kriminologie sei sich einig, dass die Staatsangehörigkeit zum Verständnis der Hintergründe einer Straftat kaum etwas beitrage, sagte der Kriminologe Jörg Kinzig von der Universität Tübingen. „Für die Entstehung von Kriminalität ist vor allem die Lebenslage der betreffenden Person verantwortlich“, sagte Kinzig. Wichtig sei, ob die Person eine Partnerschaft, Arbeit oder womöglich Drogenprobleme habe. „So hat der Schweizer, der sich hier zum Studierenden aufhält, nicht viel gemeinsam mit einer Person, der hier berechtigt Asyl gewährt worden ist“, sagte Kinzig.

Auch in Baden-Württemberg wird die Nationalität von Tatverdächtigen von der Polizei nicht immer aktiv genannt. In der entsprechenden Verwaltungsvorschrift heißt es, die Staatsangehörigkeit könne erwähnt werden, „sofern im Einzelfall ein sachlich begründetes öffentliches Interesse hieran besteht“. Zudem werde die Nationalität auf Nachfrage von Medien herausgegeben, teilte das Innenministerium mit. 

Grüne: Initiative führt in die Irre

Der grüne Koalitionspartner erteilte Strobls Forderung eine klare Absage. „Die Strobl-Initiative führt in die Irre“, sagte der Innenpolitik-Experte der Grünen-Fraktion im Landtag, Oliver Hildenbrand. Sie nähre die falsche Vorstellung, dass die Nationalität bei Straftaten immer eine sachdienliche Information sei. „Der Innenminister sollte wissen, dass das nicht stimmt“, sagte Hildenbrand. Es gebe bereits ein bewährtes, plausibles und vernünftiges Kriterium: „Relevant ist das, was wirklich mit der Tat zu tun hat. Eine Orientierung am Sachverhalt ist in jedem Fall besser als ein Denken in Schubladen und Schablonen.“

So sieht das auch die SPD im Landtag, die von einer „Scheindebatte“ sprach. Es gebe keinen Grund am bisherigen Verfahren etwas zu ändern, sagte SPD-Innenpolitik-Experte Sascha Binder: „Kommt als Nächstes, ob der Täter verheiratet ist oder die Täterin ihre Ausbildung abgebrochen hat?“. Die Nationalität sage nicht generell etwas zu den Hintergründen einer Tat aus und sei auch für die polizeiliche Arbeit erst einmal unerheblich. 

AfD wittert Wahlkampfmanöver

Die AfD sieht in Strobls Forderung ein Wahlkampfmanöver und verlangte vom Innenminister weniger Forderungen und mehr Taten: „Statt sich mit markigen Sprüchen hervorzutun, könnte Strobl auch einfach mal etwas umsetzen und sich aktiv um die innere Sicherheit im Land kümmern“, sagte der innenpolitische Sprecher der AfD-Fraktion Daniel Lindenschmid. In der Sache stellt sich der AfD-Politiker allerdings hinter den Innenminister. Die AfD fordere schon lange, dass die Nationalität von Tätern klar benannt werde. „Die Bevölkerung hat ein Anrecht darauf, zu erfahren, wer in unserem Land Straftaten begeht.“

Die Deutsche Polizeigewerkschaft kann Strobls Forderung dagegen nicht wirklich verstehen. „Es ist schon merkwürdig, wenn der Innenminister des Landes eine bundeseinheitliche Regelung fordert, obwohl er eine eigene Regelung erlassen kann“, sagte Landeschef Ralf Kusterer. Strobl habe die Gewerkschaft aber an seiner Seite, sollte er eigene Regelungen schaffen. Letztlich sei es aber eine Entscheidung der Medien, ob und wie sie genau berichteten, so Kusterer.

Pressekodex sieht begründetes öffentliches Interesse vor

Der Pressekodex des Deutschen Presserats sieht die Nennung von Nationalitäten bei der Berichterstattung über Straftaten nicht generell vor. In der Selbstverpflichtung von Medien heißt es, es sei darauf zu achten, dass die „Erwähnung der Zugehörigkeit der Verdächtigen oder Täter zu ethnischen, religiösen oder anderen Minderheiten nicht zu einer diskriminierenden Verallgemeinerung individuellen Fehlverhaltens führt.“ Die Zugehörigkeit soll dem Pressekodex zufolge nur erwähnt werden, wenn es daran ein begründetes öffentliches Interesse gebe.

Die Innenministerinnen und Innenminister der Länder treffen sich von Mittwoch bis Freitag gemeinsam mit Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) in Rheinsberg in Brandenburg zur Herbsttagung der Innenministerkonferenz (IMK).