In Sachsen haben sich die CDU von Ministerpräsident Michael Kretschmer und die SPD auf einen Koalitionsvertrag für eine Minderheitsregierung geeinigt. Kretschmer kündigte am Mittwoch in Dresden angesichts der fehlenden eigenen Mehrheit des Bündnisses an, den anderen Parteien mit Ausnahme der AfD die „ausgestreckte Hand“ für gemeinsame Lösungen entgegenzustrecken. Außerdem kündigte er einen Sparkurs an, für den die Landesregierung die Zahl ihrer Mitglieder senkt.
Die Koalitionsverhandlungen hatten gut zwei Wochen gedauert. CDU und SPD hatten nach der Wahl zunächst auch Gespräche mit dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) geführt, diese scheiterten aber unter anderem wegen Differenzen beim Thema Friedenspolitik.
Für die Wahl des neuen Ministerpräsidenten wäre nach der Landesverfassung bis Anfang Februar Zeit. Geplant ist die Wahl noch vor Weihnachten – am 18. Dezember. Im ersten Wahlgang wäre die absolute Mehrheit nötig, CDU und SPD fehlen dafür aber zehn Stimmen. Sollte Kretschmer im ersten Wahlgang durchfallen, könnte er in einem folgenden Wahlgang mit einfacher Mehrheit gewählt werden.
Für die künftige Minderheitsregierung wollen sich CDU und SPD Zustimmung auch aus anderen Fraktionen holen. Kretschmer sagte, er werde auf BSW, Linkspartei und Grüne zugehen. Trotz der gescheiterten Bemühungen um eine gemeinsame Koalition sei mit dem BSW „sehr viel an gemeinsamen Verständnis entstanden“. Auch mit den Grünen gebe es eine „große Vertrautheit“, sagte Kretschmer.
Die Grünen sind in der auslaufenden Legislaturperiode noch Teil der Landesregierung, im Wahlkampf attackierte sie der Ministerpräsident aber scharf, was dort Verletzungen auslöste. Bei seinem Zugehen auch auf die Linke verwies Kretschmer darauf, dass er schon in den vergangenen Jahren bei „wesentlichen Entscheidungen“ im Landtag, für die eine Dreiviertelmehrheit nötig war, mit der Partei zusammengearbeitet habe.
Eine zentrale Herausforderung der kommenden Landesregierung ist die angespannte Haushaltslage. Es gebe eine finanzielle Notlage, sagte der Ministerpräsident. Bei einem Staatshaushalt mit einem Volumen von 23 Milliarden Euro betrage der Konsolidierungsbedarf 2,3 Milliarden Euro, also zehn Prozent.
Die neue Landesregierung werde zunächst bei sich selbst mit dem Sparen beginnen. Dazu will Kretschmer die Zahl der Ministerposten von elf auf zehn senken und die der Staatssekretärsposten von 15 auf elf. Künftig soll in Sachsen der Staatskanzleichef keinen Ministerrang mehr haben. „Wir übernehmen Verantwortung in dieser besonderen Zeit“, sagte der CDU-Politiker.
CDU und SPD wollen außerdem die für die künftigen Beamtenpensionen gedachten Abführungen an den sogenannten Generationenfonds um 270 Millionen Euro senken, um Luft für Investitionen zu bekommen.
Der Vorsitzende der SPD Sachsen, Henning Homann, kündigte an, dass auf Wunsch aus der Bevölkerung CDU und SPD drei zusätzliche Tage Qualifizierungszeit einführen. Ehrenamtliche engagierte Menschen – etwa Übungsleiter – können für drei Tage im Jahr bezahlt im Job freigestellt werden, um sich fortzubilden. Kretschmer und Homann nannten als weiteres Projekt die Einführung einer Grenzpolizei und den Einsatz von mehr Polizisten insgesamt.
SPD-Landeschef Homann appellierte an BSW, Linkspartei und Grüne, die Projekte mitzutragen. „Wir brauchen in Sachsen eine neue politische Kultur.“ Die Parteien müssten sich aus den Ritualen von Regierung und Opposition heraus bewegen und noch stärker den Kompromiss suchen.
Die CDU hatte die Wahl im bevölkerungsreichsten ostdeutschen Bundesland am 1. September knapp vor der vom Landesverfassungsschutz als gesichert rechtsextremistisch eingestuften AfD gewonnen. Im Landesparlament sind außerdem die SPD, das BSW, die Linkspartei, die Grünen und ein Abgeordneter der Freien Wähler vertreten.
Die Fraktionschefin der Linken, Susanne Schaper, erklärte, als „verantwortungsvolle Opposition“ sei ihre Fraktion zu Kompromissen bereit. Am dringlichsten sei der neue Landeshaushalt, in dem es aber keine Kürzungen im sozialen und kulturellen Bereich geben dürfe. Schaper forderte aber „echtes Mitspracherecht“. Sollte die Regierung der AfD Einfluss auf Entscheidungen gewähren, wäre ihre Fraktion bei einer Mitarbeit raus.
AfD-Landeschef Jörg Urban erklärte: „Diese Anti-AfD-Koalition wird keine fünf Jahre überleben.“ CDU und SPD hätten einen „visionslosen und schwachen Koalitionsvertrag“ vorgelegt. „Ihnen geht es nur um Machterhalt und nicht um die Zukunft Sachsens.“