Um „Freiheit“, die Memoiren Angela Merkels, kommt gerade niemand herum. Wir haben eine Liste mit anderen (Auto-)Biografien, die sich lohnen.
Angela Merkels kürzlich erschienene Biografie „Freiheit“ ist das Buch der Stunde. In einer großen PR-Tour bewirbt die Altkanzlerin ihre Memoiren – kürzlich sogar mit Barack Obama in Washington. Wie ergiebig die sind, ist umstritten. Wir haben im Kultur-Ressort eine Liste mit (Auto-)Biografie-Empfehlungen gesammelt.
Salman Rushdie: „Joseph Anton“ / „Knife“
Salman Rushdie war bereits erfolgreicher Autor, als 1988 sein Buch „Die satanischen Verse“ erschien. Der religiöse Führer des Iran, Ayatollah Khomeini, verhängte daraufhin wegen vermeintlicher Lästerung des Propheten Mohamed eine Fatwa und rief alle Muslime dazu auf, Rushdie zu töten. Für Salman Rushdie begannen Jahrzehnte des Versteckens. Wie sein Leben als untergetauchter Schriftsteller verlief, welche Prominenten ihn beherbergten und wie sein Liebes- und Familienleben aussah, erzählt Rushdie lakonisch und mit rabenschwarzem Humor in seiner 2012 erschienenen Biografie „Joseph Anton“ (Penguin).
Im Jahr 2022 wurde Salman Rushdie vor Beginn einer Podiumsdiskussion im Bundesstaat New York von einem islamistischen Attentäter lebensbedrohlich verletzt. Der junge Mann kannte Rushdies Werk nicht, er wollte die Fatwa von 1988 erfüllen. Neben mehreren körperlichen Leiden ist er seitdem auf dem rechten Auge blind, seine Schreibhand beeinträchtigt. Trotzdem verfasste er „Knife – Gedanken nach einem Mordversuch“. In dem Werk verarbeitet er das Attentat, gleichzeitig ist es eine Hymne an das Leben und die Liebe zu seiner Ehefrau Rachel Eliza Griffiths.
Für wen geeignet? True-Crime-Liebhaber, Fans von britischem Humor und klugen Gedanken zur Liebe
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Britney Spears: „The Woman in Me“
Was 2024 die Merkel-Autobiografie ist, war im vergangenen Jahr die von Britney Spears, bloß, dass Spears im Gegensatz zu Angela Merkel keine Unterstützung von Hazel Brugger, Maybrit Illner und Barack Obama hatte. Die Sängerin, die neben ihren Welthits „Baby One More Time“ und „Oops! … I Did It Again“ vor allem mit ihrem öffentlichen Zusammenbruch 2007 Schlagzeilen machte, hat nach dem Ende der umstrittenen Vormundschaft durch ihren Vater ihre Autobiografie veröffentlicht. Wie viel Tragik in das Leben eines Kinderstars passt, ist hier beschrieben.
Für wen geeignet? „Free Britney“-Ultras werden „The Woman in Me“ schon gelesen haben, daher geeignet für Popkulturfans, die den Hype letztes Jahr verpasst haben.
Joachim Meyerhoff: „Man kann auch in die Höhe fallen“ / „Ach, diese Lücke, diese entsetzliche Lücke“
Keine klassische Biografie, eher biografische Romane: Schauspieler Joachim Meyerhoff verarbeitet mit der Reihe „Alle Toten fliegen hoch“ sein Leben in Büchern. Das aktuellste ist „Man kann auch in die Höhe fallen“. Alle Bücher sind detailreich erzählt, wahnsinnig tragikomische Zeugnisse eines turbulenten Lebens. Meyerhoff wuchs als Sohn eines Psychiatrie-Direktors teilweise auf einem Anstaltsgelände auf, verlor einen Bruder, wurde Schauspieler. Besonders empfehlenswert ist „Diese Lücke, ach, diese entsetzliche Lücke“. Dieser Band handelt von der Zeit auf der Otto-Falckenberg-Schauspielschule in München, während der er bei seinen exzentrischen Großeltern in einer Villa lebt.
Für wen geeignet? Empfehlenswert für alle, die nach dem Schulabschluss ihre Lücke im Leben suchen oder sich für Schauspiel interessieren.
Jessica Simpson: „Open Book“
Nicht ganz das Kaliber von Britney Spears, aber mit vielen Einblicken in ihr Leben: Die Pop-Sängerin Jessica Simpson ist in den frühen Nullerjahren mit Songs wie „Take My Breath Away“ berühmt geworden. Die Klatschpresse stürzte sich auf sie, beobachtete ihre Gewichtsschwankungen, ihr Liebesleben, suchte nach Abstürzen. In ihrer Autobiografie „Open Book“ beschreibt Simpson sehr ehrlich die Pop-Maschinerie samt ihren Abgründen.
Für wen geeignet? Simpson-Fans, Leute, die einen Einblick hinter die Kulissen der Pop-Welt erhalten wollen, Y2K-Fans
Reiner Stach: „Franz Kafka: Die Jahre der Entscheidungen“
In diesem Jahr hat sich der Todestag des Schriftstellers Franz Kafka zum hundertsten Mal gejährt. Anlässlich des Kafka-Jahres gibt es das ganzjährig andauernde Festival „Kafkas Stimme“, zudem wurde eine ARD-Serie namens „Kafka“, geschrieben von Daniel Kehlmann, ausgestrahlt. Tiefere Einblicke in Leben, Leiden, Werk und Wahnsinn des Autors gibt die Biografie des Kafka-Experten Reiner Stach. Der Literaturwissenschaftler ist Koryphäe auf dem Gebiet der Kafka-Forschung, Band eins seiner Biografie-Trilogie heißt „Franz Kafka: Die Jahre der Entscheidungen“. Diese beschreibt den Alltag dieses wunderlichen wie genialen Autors so spannend, dass Kafka selbst wie eine Romanfigur erscheint.
Für wen geeignet? Literaturinteressierte, Kafka-Fans, Deutsch-Leistungskurs-Schüler und Geschichtsbegeisterte – Stach lässt das Prag der 1910er-Jahre aufleben
Viv Albertine: „A Typical Girl“
Die Gitarristin Viv Albertine verkaufte mit ihrer Band The Slits („Die Schlitze“) zwar kaum Platten, schrieb aber dennoch Musikgeschichte: als eine der wenigen Frauenbands des Punks. In ihrer anrührenden Autobiografie „A Typical Girl“ (Suhrkamp Nova) erzählt sie nicht nur den schweren Weg der vier jungen Frauen, sondern auch über ihre männlichen Wegbegleiter – schüchterne, neurotische Kids, die später als Sex Pistols und The Clash weltberüchtigt wurden. Die Punk-Ikone Sid Vicious? Ein liebenswerter Junge, der neben ihr kichernd ins Bett pinkelte und später auf einem Trip aus Heroin und Gewalt starb. Johnny Rotten? Auf der Suche nach Zärtlichkeit, aber nur fähig zum lustlosen Oralverkehr. Der Witz: Im Vorwort kündigt sie bereits alle Sex-Szenen in ihrem Buch an. Das Kunststück: Ihr ist dabei ein liebevolles Porträt einer Jugend gelungen.
Für wen geeignet? Punkerinnen, Musik-Liebhaber, Fans von Patti Smiths „Just Kids“