Mörbisch am Neusiedlersee: Ein Mann und sein Traum: Wie die weltgrößte Weihnachtskrippe entstand

Mit einer Weihnachtskrippe zum Erfolg: 20 Jahre lang träumte der Österreicher Manfred Waba von einem Weltrekord. Jetzt hat er ihn erreicht.

Rund um den Neusiedlersee an der Grenze zwischen Österreich und Ungarn liegen vornehmlich geduckte niedliche Winzerdörfchen. So auch die 2000-Seelen-Gemeinde Mörbisch, deren mitunter höchste Erhebungen Schornsteinattrappen sind, auf denen in den Sommermonaten die Störche nisten. Ausgerechnet hier erheben sich nun im dichten Schilfgürtel enorme Türme einer antiken Stadt des Nahen Ostens. 

Der Bau einer Weihnachtskrippe als Passionsgeschichte

Die Kulisse soll das alte Bethlehem darstellen, wo vor mehr als 2000 Jahren ein bis heute weltberühmtes Kind geboren wurde, das man in Österreich „das Christkindl“ nennt. Die Geburtsszene Jesu ist bekannt und findet sich in vielen Stuben und Kirchen. Bloß eben nicht mit 90 Metern Breite und in 18 Metern Höhe. Es ist das Werk des österreichischen Bühnenbildners Manfred Waba, 64, der sich damit einen Lebenstraum erfüllt hat. 

Manfred Waba, 64, Bühnenbildner, Regisseur, „Machatschek“
© Manfred Waba

Wer Manfred Waba über die Entstehung des Projekts befragt, bekommt weniger eine Weihnachts- als eine Passionsgeschichte zu hören. Erst beginnt seine biografische Erzählung beschaulich: Aufgewachsen sei er als Winzersohn in einem jener Weindörfchen namens Podersdorf am See, am Gymnasium des Stifts Heiligenkreuz war er mit christlichen Motiven und Geschichten in Kontakt gekommen. „Mich hat das Musiktheater von Anfang an fasziniert, also haben wir schon in der Schule ein Musical mit der Geschichte von Moses inszeniert, durften es sogar in der Wiener Votivkirche aufführen“, erzählt er.

Mit der Traumkarriere als Popmusiker wollte es nicht so recht klappen, also veranstaltet er Konzerte mit solchen. Herbert Grönemeyer, David Bowie und Joe Cocker traten bei seinen Open-Air-Festivals auf. Für derartige Großprojekte braucht ein junger Mann natürlich Partner, leider waren im Falle Manfred Wabas auch die falschen darunter. „Ich wurde reingelegt und bin am Ende auf einem gigantischen Berg an Schulden gesessen“, erinnert er sich. Er habe seinen Eltern und seiner eigenen jungen Familie die Möglichkeit unterbreiten müssen, dass das Haus vielleicht weg sein könnte. Doch so kam es glücklicherweise nicht, Waba jobbte als Discjockey, verkaufte Anzeigenbeilagen für ein großes Boulevardblatt in Wien. „Es waren harte Jahre, in denen ich nur gearbeitet habe, um die Schulden abzuzahlen.“

Aufbau der Rekord-Krippe von Mörbisch im November 2024
© Manfred Waba

Manfred Waba ist ein Selfmademan, ein „Hans Dampf in allen Gassen“, oder wie man auf Wienerisch sagen würde: ein „Machatschek“. Obwohl er in dem Metier derart Schiffbruch erlitten hatte, fing er, sobald es ging, erneut damit an, Großveranstaltungen zu organisieren. In einem uralten Steinbruch in Sankt Margarethen, wo ungefähr zu jener Zeit, als in Bethlehem der mutmaßliche Gottessohn geboren wurde, die Römer Kalkstein herausschlugen, um ihre Stadt Carnuntum am Donaulimes zu errichten.

Auf einer Bühne, wo seit fast 100 Jahren Passionsspiele stattfinden, also das Ende der Jesus-Geschichte dargestellt wird, ließ er die Don Kosaken auftreten. Gemeinsam mit Opernveranstalter Wolfgang Werner zeigte er in der faszinierenden Naturkulisse bald Operetten und sogar große Opern. Waba bastelte das Bühnenbild. „Ich hatte ja keine Ahnung davon, ich bin ein reiner Autodidakt“, sagt er. „Im ersten Jahr borgte ich mir alle möglichen Dinge aus Kulissenlagern und schaffte sie in den Steinbruch“, berichtet er. Für die Inszenierung der „Aida“ lieh sich Waba aus einem Zirkus Elefanten aus. Diesmal sollte das Projekt auch finanziell erfolgreich sein. „Wir hatten bald 100.000 Zuschauer dort, 2005 waren es sogar schon 200.000“, rechnet er stolz vor. Die Bühnenbilder wurden größer, aufwendiger, spektakulärer.

20 Jahre auf der Suche nach einem Finanzier

Und die Krippe? „War stets als Idee in meinem Kopf“, sagt er. Alle fünf Jahre habe das populäre Opernfestival für die traditionellen Passionsspiele aussetzen müssen, Wolfgang Werner und Manfred Waba pausierten. „Ich überlegte, ob man irgendetwas anderes machen könnte, im Winter vielleicht – und so war die Idee geboren, eine riesige Weihnachtskrippe entstehen zu lassen.“ Doch: wer soll das bezahlen?

Manfred Waba hat in seinem Leben schon manche Krippe gezimmert – vor vielen Jahren für seine Kinder. „Jene, die unter unserem Weihnachtsbaum zu Hause steht, hat aber meine Tochter als Kind gebastelt“, erzählt er. Jeder österreichische Familienvater sei auf gewisse Weise Bühnenbildner, „denn mindestens einmal im Leben baut wohl jeder ein solches Weihnachtskripperl für sein Zuhause“. Doch ein „Kripperl“ war dem ambitionierten Waba zu wenig, es sollte die weltgrößte werden.Wer zu Weihnachten die Gaben bringt 6:40

Seit zwanzig Jahren übt er sich nun in einer Kunst, die er während seiner vielen Ideen und Projekte besonders gut erlernt hat: Klinkenputzen. „Ich war bei allen möglichen Bürgermeistern, Tourismusdirektoren und Unternehmern, habe um das Projekt geworben. Sie waren alle begeistert und haben dann nie mehr zurückgerufen.“ Sogar in Hamburg sei er vorstellig geworden, wo ein Geschäftsmann das Projekt an der Binnenalster umsetzen wollte. Am Ende scheiterte es auch in der Hansestadt an der Finanzierung. 

Bis er seinem aktuellen Landeshauptmann, wie in Österreich die Ministerpräsidenten der Länder heißen, seine Idee unterbreitete. Hans Doskozil, ein Sozialdemokrat alter Prägung, gilt wie Waba als Machatschek. Die Krippe als Sensation der Tourismusregion auf die Seebühne des Neusiedlersees zu stellen, verstand Doskozil sofort. Wie in Sankt Margarethen werden auch in Mörbisch in den Sommermonaten Operetten und Musicals dargeboten. „Im Gegensatz zu den anderen Regionen hat das Burgenland keine Berge und somit kaum Wintertourismus“, sagt Waba. „Seit Ende November leuchtet nun über dem Steppensee der Stern von Bethlehem, die Menschen strömen ans Ufer, um die gigantische Kulisse bei Glühwein und einer Tüte heißer Maroni zu bestaunen.“

Christliche Szenen als Leitmotiv

„Es ist ein Lebenstraum von mir, der hier in Erfüllung gegangen ist“, sagt Waba. Nicht nur, weil er nun wohl ins Guinessbuch der Rekorde kommt, versichert er. „Mir hat die Religion in den schweren Jahren oft Halt gegeben, mir bedeutet die Weihnachtsgeschichte auch inhaltlich viel“, so Waba. Das leuchtet ein. Doch wie geht es nun weiter, da sich der Traum erfüllt hat? Ein echter Machatschek muss auf so eine Frage nicht lange überlegen. Wenn im kommenden Jahr das Opernfestival aufgrund der Passionsspiele erneut pausieren muss, tut Manfred Waba dies nicht. Man hat ihm zum ersten Mal nicht nur das Bühnenbild, sondern auch die Regie übertragen.