Wohnen soll erneut teurer werden. In dieser düsteren Aussicht für Mieter gibt es aber auch Lichtschimmer – wenngleich nur hauchzarte.
Es war bereits dunkel und ungemütlich nasskalt Hamburg. Auch daran mag es gelegen haben, dass an der Demonstration für mehr bezahlbaren Wohnraum nur wenige 100 Menschen teilnahmen. Ihr Anliegen, die damit verbundene Sorge, dürfte aber Millionen umtreiben: immer weiter steigende Mieten.
Die großen Wohnimmobilien-Konzerne LEG und Vonovia wollen die Mieten im kommenden Jahr um rund vier Prozent erhöhen. Schon jetzt müssen die Deutschen im Schnitt rund ein Viertel ihres Einkommens fürs Wohnen ausgeben, rund fünf Prozentpunkte mehr als im Durchschnitt der EU-Länder, rechnet die Statistikbehörde Eurostat vor. Die Aussichten für Mieter hierzulande also von düster ins Dunkle? Und: Macht es die akute Wirtschaftskrise noch schlimmer? Der Reihe nach.STERN PAID C+ Nebenkosten steigen 11:50
Miete von 6 bis 30 Euro
Es gibt kaum einen kleinteiligeren Markt als den für Mietwohnungen; mit gewaltigen Unterschieden je nach Region, nach Renditehunger von Vermietern, und nach Bestands- oder Angebotsmieten. Die Preise schwanken zwischen sechs Euro pro Quadratmeter für Bestandswohnungen, mithin in strukturschwachen Regionen, und in der Spitze an die 30 Euro für Neubau-Erstvermietungen in den Millionenstädten. Einzige Gemeinsamkeit: Der stetige Anstieg nahezu allerorten, zuletzt auch im ländlichen Raum. Im Bundesschnitt liegen die Angebotsmieten nun bei mehr als elf Euro pro Quadratmeter. Die sogenannte „Kostenmiete“ für Neubauwohnungen sei auf 21 Euro pro Quadratmeter gestiegen, rechnet die Immobilienbranche vor. Was steckt dahinter? Und wie geht es weiter?
Entspannung erst in Jahren
Die Kosten für Vermieter sind in den vergangenen Jahren gestiegen, mitunter sprunghaft: für die eigene oder fremde Verwaltung, für Handwerker- und Bauleistungen, für Kredite. Das drückt die Mietrendite, zumindest vor Steuern. Das erklärt in Teilen die steigenden Mieten bei Neuvermietungen. Preistreibend war zudem die stark gestiegene Nachfrage nach Wohnraum, besonders in den Metropolregionen, sowie die zurückhaltende Neubautätigkeit. Es sind also vor allem die Auswirkungen der Inflation, ausgelöst durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine, die das Wohnen hierzulande deutlich verteuert haben, weniger die akute Konjunkturflaute. Die Bestandsmieten treibt das nicht sofort in die Höhe, sondern – je nach Mietvertragsgestaltung – zeitverzögert. Und in der Regel auch nicht so stark wie bei den Neuvermietungen. Denn: Eine Bestandsmiete darf innerhalb von drei Jahren nicht um mehr als 20 Prozent erhöht werden. Ein schwacher Lichtschimmer zumindest jene Mieter, die in den kommenden Monaten nicht umziehen wollen oder müssen.
STERN PAID C+ Mieten steigen 20.05
Mittelfristig, beginnend etwa in fünf Jahren, erwarten die Analysten des Empirica-Instituts Entspannung am deutschen Wohnungsmarkt. Und damit auch bei den Mieten. Hauptgrund ist die Erwartung, dass bald wieder etwas mehr gebaut wird, also das Angebot steigt. Vorausgesetzt, die Inflation und damit die Kreditzinsen bleiben so wie zuletzt: Moderat, nicht durch neuerliche geopolitische Schocks getrieben. Und, dass die Wohnraumnachfrage aufgrund des demografischen Wandels künftig mäßiger sein wird als zuletzt.
Nebenkosten weitgehend stabil
Gestiegen sind nicht nur die Mieten, sondern auch die Betriebskosten, landläufig Nebenkosten oder auch „zweite Miete“ genannt: unter anderem Grundsteuer, Gebäudeversicherungsprämien, kommunale Gebühren für Wasser und Müllabfuhr. Analysten sehen diese Teuerungen bereits weitgehend in die Nebenkosten-Abschläge, die Mieter schon jetzt zahlen, eingepreist. Unsicher und auch uneinheitlich bleibt die Entwicklung der Energiepreise: Zwar liegen die Neukunden-Angebotspreise für Strom und Gas mittlerweile wieder deutlich unter dem Kriegsschock-Niveau, in den letzten Wochen sind sie jedoch leicht angestiegen.
Politik vertagt
Kurzfristig hat vor allem die Politik Einfluss auf die Entwicklung der Mieten. So hat die Bundesregierung steuerliche Abschreibung für Vermieter erhöht, Geld in sozialen Wohnungsbau gepumpt, und Förderprogramme aufgelegt. Ihr Ziel aber, 400.000 neue Wohnungen jährlich, wurde nicht erreicht. Auch auf die Dämpfung der Energiepreise und die Vereinfachung von Bauvorschriften hatte man sich in der Koalition geeinigt. Ob die Minderheitsregierung diese Vorhaben in den Bundestag einbringt respektive dafür eine Mehrheit erhielte, ist jedoch offen. Unwahrscheinlich jedenfalls ist eine Mehrheit für den Fortgang von Mietpreisbremsen, die nachweislich den Anstieg dämpfen.
Am Tag als die wackere Hundertschaft in Hamburg demonstrierte, tagte in Berlin auf Einladung von Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) der sogenannte „Wohngipfel“. Wohl auch mehr demonstrativ als noch entscheidend. In der Zustandsbeschreibung lag man in Berlin und Hamburg nicht weit auseinander. Was politische Maßnahmen angeht in Teilen schon. Wiedervorlage aber wohl erst nach der Bundestagswahl.