Staatsgerichtshof: AfD-Kasse führt nicht zu Wiederholungswahl in Niedersachsen

Zwei FDP-Mitglieder hatten im Kontext der Niedersachsen-Wahl 2022 schwere Vorwürfe gegen die AfD erhoben. Das Verfassungsgericht des Landes sieht aber keinen Wahlfehler.

Niedersachsens Verfassungsgericht sieht in den Vorwürfen rund um eine sogenannte Kriegskasse der AfD keinen Grund für eine Wiederholung der Landtagswahl 2022. Zwar hätten sechs spätere Listenkandidaten der AfD, die auch in den Landtag einzogen, auf ein Privatkonto des heutigen AfD-Landeschefs Ansgar Schledde eingezahlt, allerdings sei darin kein Wahlfehler zu erkennen, entschied der Staatsgerichtshof in Bückeburg.

Auch in der Aufstellung der AfD-Landesliste auf einer Delegiertenversammlung statt einer Mitgliederversammlung sah das Gericht keinen Wahlfehler. Die AfD hatte die Vorwürfe stets zurückgewiesen.

FDP-Mitglieder hatten Verfahren angestoßen

Angestoßen hatten das Wahlprüfungsverfahren zwei FDP-Mitglieder, deren Partei den Verbleib im Landtag bei der Wahl knapp verpasst hatte. Laut ihrer Beschwerde sollen insgesamt rund 41.000 Euro mit AfD-Bezug auf das fragliche Konto eingezahlt worden sein. 

Aus einer Auflistung des Gerichts geht hervor, dass unter den Einzahlern der spätere AfD-Fraktionschef Stefan Marzischewski-Drewes, sein Nachfolger Klaus Wichmann, der parlamentarische Geschäftsführer Jens Brockmann sowie die Abgeordneten Harm Rykena, Dennis Jahn und Schledde selbst waren. Diese zahlten demnach in Summe mehr als 14.000 Euro ein, teils mit Verwendungszwecken wie „Ausgleich Aktionskasse“ oder „K-Kasse“. 

Die Kandidaten mit den Listenplätzen 1 bis 4 waren somit auf dem Konto zu finden, die auf den Plätzen 5 bis 8 hingegen nicht. Rykena und Jahn belegten auf der AfD-Liste die Plätze 9 und 17. Neben den sechs Landtagsabgeordneten hatten der Urteilsbegründung zufolge auch vier erfolglose Wahlkreiskandidaten sowie sechs Listenkandidaten für die Bundestagswahl 2021 auf das Konto eingezahlt.

Laut Gericht wurden mit den Zahlungen jedoch weder die Wahlrechtsgleichheit der Kandidaten noch die Freiheit der Wahl verletzt. Anhand der Unterlagen könne nicht festgestellt werden, dass Geld wahlrechtswidrig etwa für Handgelder oder sonstige Vergünstigungen zur Steuerung des Stimmverhaltens verwendet wurde, heißt es in der Urteilsbegründung.

Ex-FDP-Abgeordneter Genthe: „Sehr, sehr trauriger Tag“

Der ehemalige FDP-Landtagsabgeordnete Marco Genthe zeigte sich als Antragsteller enttäuscht von der Entscheidung. Er bezeichnete es als ein „fatales Signal“, dass die fraglichen Landtagsmandate erhalten bleiben – gerade an jene, die an Rechtsstaat und Demokratie zweifeln. „Das ist ein sehr, sehr trauriger Tag für die Ideen der Mütter und Väter unserer Verfassung, die versucht haben, Wahlen als wichtigsten Vorgang in einer Demokratie möglichst zu schützen“, sagte Genthe.

Landeswahlleiterin Ulrike Sachs, der vorgeworfen worden war, die Liste der AfD hätte gar nicht erst zugelassen werden dürfen, sah sich von dem Urteil des Staatsgerichtshofs dagegen bestätigt. Die Vorwürfe, bei der AfD werde Geld für Listenplätze gezahlt, seien als vage Behauptungen eingestuft worden, die einem Beweis überhaupt nicht zugänglich seien, sagte sie.

Selbst, wenn der Staatsgerichtshof einen Wahlfehler festgestellt hätte, hätte das nicht automatisch zu einer Wiederholung der Landtagswahl geführt. Denn dann hätte das Gericht abwägen müssen, ob der Fehler überwiegt oder das Bestandsinteresse des gewählten Landtags. Die Richter stuften die Beschwerde als in Teilen unzulässig und, wo zulässig, als unbegründet ein.

Entscheidung zur zweiten Wahlanfechtung fällt in einer Woche

Aus der Landtagswahl vom 9. Oktober 2022 war die SPD um Ministerpräsident Stephan Weil als Sieger hervorgegangen. 18 AfD-Kandidaten wurden über die Landesliste ihrer Partei ins Parlament gewählt – einer von ihnen ist mittlerweile zur Werteunion gewechselt.

Am 16. Dezember verkündet der Staatsgerichtshof seine Entscheidung zu einer zweiten Anfechtung der Landtagswahl. Darin moniert der Antragsteller, der Zuschnitt der Wahlkreise habe nicht mehr den Bevölkerungsverhältnissen in Niedersachsen entsprochen.

AfD-Kriegskasse bleibt ein Fall für die Justiz

Auch die sogenannte Kriegskasse der AfD beschäftigt die Justiz noch weiter: Die Staatsanwaltschaft Hannover ermittelt wegen eines Anfangsverdachts auf einen Verstoß gegen das Parteiengesetz. Das Oberlandesgericht Celle befasst sich zudem mit einer Unterlassungsklage von AfD-Funktionär Schledde, der sich gegen Äußerungen des früheren AfD-Landtagsabgeordneten Christopher Emden zu der sogenannten Kriegskasse wehrt. Das Berufungsverfahren wird Ende Februar fortgesetzt.