Darf ein fiktives Partnereinkommen auf die Beamtenbesoldung angerechnet werden? Die Betroffenen sind empört – und präsentieren ein Rechtsgutachten. Das Finanzministerium zeigt sich wenig beeindruckt.
Die kürzlich geänderte Beamtenbesoldung in Nordrhein-Westfalen ist laut einem Gutachten für den Beamtenbund verfassungswidrig. Zu diesem Ergebnis kommt der ehemalige Bundesverfassungsrichter Udo Di Fabio nach Prüfung des Gesetzes zur Anpassung der Dienst- und Versorgungsbezüge.
Der Düsseldorfer Landtag hatte die Novelle im Oktober verabschiedet. Das NRW-Finanzministerium sieht sich durch das Rechtsgutachten hingegen „in zentralen Fragen“ bestätigt.
Neue Bezugsgröße für die Besoldungsbemessung ist seit der Gesetzesänderung die Mehrverdiener-Familie, wie der Landesvorsitzende des DBB Beamtenbund und Tarifunion, Roland Staude, in Düsseldorf erläuterte. Konkret werde nun ein fiktives Partnereinkommen in Höhe mindestens eines Minijob-Jahresgehalts zugrunde gelegt. Derzeit liege dies bei monatlich 538 Euro.
Modellrechnung: Partnereinkommen oder Alleinverdiener-Familie
Die Landesregierung hatte in ihrer Gesetzesbegründung argumentiert, das fiktive Partnereinkommen sei heutzutage lebensnäher als das Modell der Alleinverdiener-Familie. Bezieht der Partner des Beamten kein oder nur ein geringeres Einkommen, kann der betroffene Staatsdiener jährlich einen Ergänzungszuschlag als Ausgleich beantragen.
Di Fabio hält das Gesetz insgesamt für verfassungswidrig. Die Berücksichtigung eines Partnereinkommens in der Besoldungsbemessung stehe nicht in Einklang mit dem Artikel 33 des Grundgesetzes, der das Berufsbeamtentum definiert.
Verfassungswidrig sei es darüber hinaus, eine Beamtenbesoldung, die das Mindestabstandsgebot zur Grundsicherung wahrt, von einem Antragserfordernis abhängig zu machen. „Der Dienstherr ist zur Besoldung von Amts wegen verpflichtet“, unterstrich der DBB. Der Anspruch auf amtsangemessene Alimentation entstehe aus dem gesetzlich definierten Statusverhältnis.
Finanzministerium: Gesetz ist verfassungsfest
Die Anrechnung eines Ehegatteneinkommens in Minijob-Höhe bei der Bemessung der Mindestalimentation werde gutachterlich „als solche nicht beanstandet“, sondern „lediglich Detailfragen der Umsetzung“, erwiderte das Düsseldorfer Finanzministerium. „Damit wird der bisherige Hauptkritikpunkt am neuen besoldungsrechtlichen Leitbild der Mehrverdiener-Familie aus Sicht der Landesregierung nicht aufgegriffen.“
Die Landesregierung gehe weiterhin von der Verfassungsmäßigkeit ihrer gesetzlichen Regelungen aus. „Die Forderungen des Gutachters gehen über die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts hinaus“, wandte das Finanzministerium ein. Letztere seien nach Auffassung eines anderen ehemaligen Bundesverfassungsrichters „schulbuchmäßig umgesetzt“ worden.
Ein zunehmendes Strukturproblem für die Besoldungsgesetzgeber sei aber „die vom Bund geregelte und mittlerweile massiv erhöhte Grundsicherung“, argumentierte das Ministerium weiterhin. „Da inzwischen von fast allen Ländern die Anrechnung von Ehegatteneinkommen vorgesehen ist – und der Bund dies plant – wird naturgemäß das Bundesverfassungsgericht bei den aufgeworfenen Fragen das letzte Wort haben.“
Beamtenbund und Opposition fordern Kehrtwende
Aus Sicht des DBB drohen dem Land zahlreiche Klagen seiner Bediensteten. Staude empfahl der Landesregierung, jetzt schon eine spezielle Risikorücklage in den Haushalt einzustellen.
Die SPD-Opposition forderte, die umstrittene Regelung nun auszusetzen. Trotz aller Warnungen von Gewerkschaftern und Opposition hätten CDU und Grüne ein fragwürdige, willkürliche Neuregelung verabschiedet, kritisierte der SPD-Landtagsabgeordnete Stefan Zimkeit. Das Vertrauen der Landesbeschäftigten in die Regierung sei dadurch erheblich beschädigt worden. Auch FDP-Vizefraktionschef Ralf Witzel forderte von der Landesregierung „eine Neubewertung und Kehrtwende im Umgang mit den Landesbediensteten“.