Onlinehandel: Warum Zalando den Konkurrenten About You schlucken will

Der Berliner Modehändler Zalando plant für 1,1 Milliarden Euro den Hamburger Wettbewerber About You zu übernehmen. Reicht das gegen Temu und Shein?

Der deutsche Online-Modemarkt konsolidiert sich: Der Berliner Branchenprimus Zalando plant den Hamburger Wettbewerber About You für 1,1 Milliarden Euro zu übernehmen. Das Kaufangebot entspricht 6,50 Euro pro Aktie, was ein deutlicher Aufschlag gegenüber dem Schlusskurs vom Dienstag ist. Auch die Hauptanteilseigner von About You werden verkaufen: die Hamburger Otto-Gruppe, aus der About You einst hervorging, sowie die Heartland-Holding des dänischen Milliardärs Anders Holch Povlsen, dem die Bestseller-Gruppe (Vero Moda, Jack & Jones) gehört und der auch Großaktionär bei Zalando sowie dem britischen Konkurrenten Asos ist. 

Für viele Aktionäre von About You wird der Deal trotzdem ein heftiges Verlustgeschäft beschließen: Das Übernahmeangebot liegt immer noch weit unter dem Kurs von 25,60 Euro, mit dem die Hamburger 2021 an die Börse gingen. Mit dem seit Jahren dümpelnden Kurs bot About You aber ein attraktives Übernahmeziel, bei dem Zalando nun zugegriffen hat. Den Deal bezahlen die Berliner komplett aus vorhandener Liquidität.STERN PAID 51_24 Temu

Das gilt offenbar auch trotz der sichtbaren Probleme, die About You im Kerngeschäft umtreiben: Ausweislich der zuletzt vorgelegten Zahlen fürs zweite Quartal schrumpfte die Zahl der aktiven Kunden gegenüber dem Vorjahreszeitraum von 12,6 auf 12,4 Millionen, auch die Zahl der Bestellungen ging um fast drei Prozent zurück. Zwar konnte der Umsatz leicht zulegen und auch das Ergebnis verbesserte sich, lag aber immer noch mit -2,3 Millionen Euro im roten Bereich. Im gesamten Geschäftsjahr 2023/24 setzte About You 1,9 Milliarden Euro um und erreichte eine hauchdünn positive bereinigte Ebitda-Marge von 0,2 Prozent. Zum Vergleich: Zalando setzte 2023 mit etwa 50 Millionen Kunden insgesamt 10,1 Milliarden Euro um.

Von der Zusammenlegung verspreche man sich langfristig ein zusätzliches Gewinnpotenzial von 100 Millionen Euro pro Jahr, kündigte David Schröder, Zalandos Co-Chef, in einer Pressekonferenz am Mittwoch an. Wie genau das mit der Zusammenlegung gelingen soll, ist die große Frage. 

Marke About You soll bleiben, Hauptinteresse von Zalando ist B2B-Geschäft

So bemühten sich Schröder und Co-CEO Robert Gentz sowie About-You-Gründer Tarek Müller, die unterschiedlichen Markenaufstellungen und Zielgruppen der beiden Shops hervorzuheben – denn About You soll als Marke auch weiter bestehen bleiben. Zalando spreche eher „Modeenthusiasten“ an und sei von „Experiences und Entertainment getrieben“, hieß es; im Unterschied dazu stehe About You für ein „junges Modepublikum“ und sei „Influencer-getrieben“. Das mag sein, bei der Shopping-Erfahrung gibt es sicherlich auch granulare Unterschiede – im Wesentlichen bieten die beiden Händler aber ein ähnliches Sortiment an. „Beide Plattformen werden weiter Überschneidungen haben, aber das ist vollkommen okay“, sagte Gentz.

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Gut möglich, dass daher das eigentliche Hauptinteresse Zalandos dem Unternehmens-Geschäft von About You gilt: Mit der E-Commerce-Software Scayle ermöglichen die Hamburger ihren Kunden schon länger, nicht nur über About You zu verkaufen, sondern auch über andere Kanäle und eigene Shops. Zu den Marken, die das Angebot nutzen, gehören etwa die Filialisten Deichmann, Fielmann sowie der Shop von Manchester United. Mit dem Softwaregeschäft setze man bereits 50 Millionen Euro bei einer Bruttomarge von 85 Prozent um, so Müller. 

Im Frühjahr kündigte Zalando an, ein ähnliches Angebot namens Zeos aufzubauen, das neben Software den Kunden auch Zugriff auf die konzerneigene Service- und Logistikinfrastruktur bietet. Scayle soll nun Zalandos Business-to-Business-Portfolio um die 2016 übernommene Softwarelösung Tradebyte „ergänzen“, wie es in einer Präsentation heißt. „Das passt in unsere Strategie, von der Plattform zum Ökosystem zu werden“, kündigte Gentz an.

Die China-Frage: Reicht das gegen Temu und Shein?

Das 100-Millionen-Gewinnpotenzial wird damit allein aber nicht zu heben sein. Es soll laut Zalando aus drei weiteren Bereichen kommen: Man werde das Logistiknetz kombinieren, genauso wie die jeweilige Bezahlinfrastruktur; außerdem soll es Zusammenarbeit im Einkauf und beim Marketing geben. Die Hoffnung auf Einsparungen bei den Overhead-Kosten sei hingegen nicht der Hauptgrund hinter der Übernahme gewesen, beteuerte Schröder. Es solle dementsprechend auch keine großen Stellenstreichungen geben, sondern „nur begrenzte Änderungen in unseren Teams“. Allerdings werde der „Nettozuwachs von Mitarbeitern“ in Zukunft niedriger sein. Auch die About-You-Führungsriege um Tarek Müller soll laut der Ankündigung zunächst an Bord bleiben und den Betrieb der Hamburger weiter steuern. 

Die größte Herausforderung für das kombinierte Unternehmen wird aber die neue Konkurrenz aus China sein: Temu und Shein überschwemmen gerade den europäischen Markt mit Billigware und jagen den etablierten Playern im Rekordtempo Marktanteile ab. Anders als Zalando oder About You halten die Chinesen selbst keine Ware vor, sondern verknüpfen die Kunden direkt mit den Herstellern, die sich um Abwicklung, Versand und Retouren des Ramschsortiments kümmern. Das macht ihre Renditen deutlich interessanter – genauso wie die Tatsache, dass ihre Apps derart attraktiv sind, dass sie viel weniger in Marketing zur Kundenakquise investieren müssen. About-You-Chef Müller hatte daher auch bereits angekündigt, Produkte ebenfalls „on demand“ anzubieten.

Bei Zalando hieß es bislang immer, dass der Onlineanteil am Gesamtmarkt für Mode noch immer derart niedrig sei, dass es genug Raum für Wachstum gebe. Mit dem Argument, dass auch der kombinierte Marktanteil laut Schröder „superklein“ sei, wollen die am Deal Beteiligten auch die Kartellbehörden überzeugen. Die müssen der Übernahme noch zustimmen. 

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