Rechtsextremismus: Haftstrafen nach Brandanschlägen in Berlin-Neukölln

Es dauert lange, bis es nach einer Serie rechtsextremistischer Straftaten in Berlin-Neukölln zur Anklage kommt. Ein erster Prozess sorgt für Enttäuschung. Nun gibt es einen neuen Richterspruch.

Fast sieben Jahre nach den Brandanschlägen auf zwei Autos in Berlin-Neukölln hat das Landgericht Berlin keine Zweifel: Es handelt sich um die Taten zweier Rechtsextremisten. Anders als die erste Instanz sieht die Berufungskammer ausreichend Beweise und verurteilt Sebastian T. (38) zu drei Jahren und sechs Monaten Haft, Tilo P. (41) zu einer Gesamtstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten. 

Damit war die Generalstaatsanwaltschaft Berlin mit ihrer Berufung in zentralen Punkten der Anklage zu den rechtsextremen Anschlägen – vor allem zwischen 2016 und 2019 – erfolgreich. Sie hatte erst im Sommer 2021 Anklage erhoben zu dem sogenannten Neukölln-Komplex, der auch über Berlin hinaus für Schlagzeilen gesorgt hat. Mehr als 70 rechtsextreme Straftaten hatten die Ermittlungsbehörden seit 2013 in Neukölln gezählt. Die Anklage erfasste nur einen Bruchteil der Vorfälle, zentraler Vorwurf war die Brandstiftung. 

Gericht: Angeklagte sind Rechtsextremisten

„Die Kammer ist überzeugt: Bei den beiden Angeklagten handelt es sich um Rechtsextremisten“, sagte die Vorsitzende Richterin Susann Wettley. Zwar gebe es für die Brandanschläge auf die Autos eines Buchhändlers und des Linke-Politikers Ferat Koçak keine unmittelbaren Zeugen. Aufgrund von Überwachungsmaßnahmen, der Auswertung von Telefonaten und Chats gebe es jedoch eine Vielzahl von Beweismitteln, so die Richterin. 

Danach sei klar, dass das Duo die Männer „ins Visier“ genommen und gezielt deren Wohnorte ausgekundschaftet habe. In der Nacht zum 1. Februar 2017 hätten die Männer die Autos angezündet. T. zündete an, während P. Schmiere stand, beschrieb die Richterin das Vorgehen des Duos. 

„Politisch motivierte Taten im extremistischen Bereich“

Neben der gemeinschaftlichen Brandstiftung verurteilte die Staatsschutzkammer die Männer aus der rechtsextremen Szene – der Jüngere war einst in der NPD, der Ältere zeitweise AfD-Mitglied – wegen einer Reihe weiterer Taten. Es handele sich „weitgehend um politisch motivierte Taten im extremistischen Bereich“, erklärte die Richterin.

T. sprach es auch wegen Sachbeschädigung, Störung des öffentlichen Friedens durch die Androhung von Straftaten, Bedrohung und Beleidigung sowie wegen Betrugs schuldig, P. wegen Sachbeschädigung. In seinem Fall wurde eine frühere Strafe unter anderem wegen gefährlicher Körperverletzung nach einem Angriff auf einen Taxifahrer einbezogen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, es ist eine Revision dagegen möglich. 

Koçak: Weitere Aufklärung nötig zum Neukölln-Komplex

Koçak, der im Prozess als Nebenkläger auftrat, zeigte sich erleichtert. „Aber kein Urteil wird uns unsere Ängste nehmen“, sagte er. „Mit dem Urteilsspruch ist der Neukölln-Komplex aber nicht abschließend aufgeklärt.“

Das Gericht habe prüfen müssen, ob es vernünftige Zweifel daran gibt, dass die Angeklagten die Taten begangen haben – und nicht, ob Ermittlungs- und Verfassungsschutzbehörden Fehler gemacht haben, erklärte Richterin Wettley in diesem Kontext. 

Untersuchungsausschuss tagt Freitag 

Mit den rechtsextremen Brandanschlägen, Hass-Parolen und Bedrohungen in Neukölln beschäftigt sich auch ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses. Er will vor allem klären, warum Polizei und Staatsanwaltschaft mit ihren Ermittlungen seinerzeit lange nicht vorankamen und ob es ein größeres rechtsextremes Netzwerk in Neukölln gab oder gibt. 

Der Ausschuss tagt an diesem Freitag wieder. Dann soll der Leiter des Verfassungsschutzes, Michael Fischer, befragt werden.