In Syrien sind am Freitag in mehreren Städten Menschenmengen zusammengekommen, um den Sturz der Assad-Regierung zu feiern. Alleine in der Hauptstadt Damaskus versammelten sich anlässlich des ersten Freitagsgebets seit der Flucht des Machthabers Baschar al-Assad tausende Menschen an der berühmten Umayyaden-Moschee. Viele von ihnen schwenkten die Fahne der syrischen Demokratiebewegung von 2011, die nun von der Übergangsregierung übernommen wurde. Die EU kündigte an, Syrien mit einer „Luftbrücke“ für Hilfslieferungen zu unterstützen.
Bei den Feiern in Damaskus wurde auch Mohammed al-Dscholani erwartet, der Anführer der islamistischen Kämpfer, die am Sonntag in Damaskus eingerückt waren. Al-Dscholani, der nunmehr seinen bürgerlichen Namen Ahmed al-Scharaa verwendet, hatte die Bevölkerung zuvor aufgerufen, sich auf den Straßen zu versammeln, um „den „Sieg der Revolution“ zu feiern.
Auch in Aleppo, der zweitgrößten syrischen Stadt, kamen tausende Menschen zu Freudenfeiern zusammen. Wie AFP-Reporter berichteten, wurde auf dem Hauptplatz der schwer vom Bürgerkrieg gezeichneten Stadt ein großes Plakat mit den Gesichtern des gestürzten Assad und seines Vaters und Vorgängers Hafis al-Assad in Brand gesetzt. Im südsyrischen Suweida, einer von vielen Drusen bewohnten Stadt, sangen und klatschten hunderte Menschen auf den Straßen.
Um Syrien, wo seit 2011 Bürgerkrieg herrscht, zu unterstützen, kündigte die EU-Kommission die Einrichtung einer „Luftbrücke“ für Hilfslieferungen an. Eine erste Lieferung von 50 Tonnen an medizinischen Gütern werde aus den EU-Lagerbeständen in Dubai ins türkische Adana geflogen, um von dort aus „in den kommenden Tagen“ in Syrien verteilt zu werden, erklärte die Kommission. Weitere 46 Tonnen Hilfsgüter sollen demnach aus Dänemark nach Adana gefahren werden, um dann von Unicef und der Weltgesundheitsorganisation in Syrien verteilt zu werden.
Syriens Nachbarland Israel bekräftigte unterdessen seinen Willen, zumindest auf absehbare Zeit mit seiner Armee in der Pufferzone zwischen beiden Ländern zu verbleiben. Es sei von „größter sicherheitspolitischer Bedeutung, unsere Präsenz auf dem Gipfel des Berges Hermon aufrechtzuerhalten“, sagte Verteidigungsminister Israel Katz mit Blick auf den höchsten Punkt der israelisch besetzten Golanhöhen.
Nach dem Sturz von Assads in Syrien hatte der israelische Regierungschef Benjamin Netanjahu die Armee seines Landes angewiesen, in die Pufferzone auf den Golanhöhen zwischen Israel und Syrien einzurücken und die Kontrolle über dieses Gebiet sowie „angrenzende strategische Positionen“ zu übernehmen.
Israel griff zudem aus der Luft und von Marineschiffen aus hunderte Ziele in Syrien an – und begründete dies mit der Notwendigkeit, zu verhindern, dass Waffenbestände der syrischen Armee in die Hände von Islamisten gelangen.
US-Außenminister Antony Blinken forderte auf einer Reise durch Nachbarstaaten Syriens den Nato-Verbündeten Türkei auf, nach Assads Sturz gegen die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) vorzugehen. Dies sei „unerlässlich“, sagte Blinken auf einer Pressekonferenz mit seinem türkischen Kollegen Hakan Fidan. Blinken flog danach weiter in den Irak, wo er Regierungschef Mohammed al-Schia al-Sudani die Unterstützung seines Landes zusicherte.
Mit Blick auf die neuen Machthaber in Damaskus erklärte die Bundesregierung, sie werde die HTS „an ihren Taten messen“. Ein Sprecher des Auswärtigen Amts sagte mit Blick auf die Islamisten, Deutschland habe „nicht vergessen, wo sie herkommen.“ Er hob aber auch die „Signale“ hervor, welche die neuen Machthaber „mit Blick auf den Schutz von Minderheiten und ethnischen religiösen Minderheiten“ gesendet hätten.
In Syrien hatten am Sonntag Kämpfer unter der Führung der HTS Damaskus erobert und Assad gestürzt, der nach Russland floh. Damit bereiteten sie der jahrzehntelangen Herrschaft der Assad-Familie ein Ende, die 1971 mit der Machtübernahme von Baschar al-Assads Vater Hafis al-Assad begonnen hatte.
Mit der Machtübernahme durch die Islamisten stürzte Syrien ins Ungewisse: Die Miliz HTS ist aus der Al-Nusra-Front, dem syrischen Ableger des Terrornetzwerkes Al-Kaida hervorgegangen, hat nach eigenen Angaben aber seit 2016 keine Verbindungen mehr zu Al-Kaida. Ihr Anführer Mohammed al-Dscholani präsentiert sich moderat. Viele westliche Staaten, darunter die USA, stufen die Miliz aber weiterhin als Terrororganisation ein.